Theologie-Systematisch
Eschatologie
§ 9. Ewiges Leben
Texte
"Wir möchten irgendwie das Leben selbst, das eigentliche, das dann auch nicht vom Tod berührt wird; aber zugleich kennen wir das nicht, wonach es uns drängt. Wir können nicht aufhören, uns danach auszustrecken, und wissen doch, daß alles das, was wir erfahren oder realisieren können, dies nicht ist, wonach wir verlangen. Dies Unbekannte ist die eigentliche "Hoffnung", die uns treibt, und ihr Unbekanntsein ist zugleich der Grund aller Verzweiflungen wie aller positiven und aller zerstörerischen Anläufe auf die richtige Welt, den richtigen Menschen zu. Das Wort "ewiges Leben" versucht, diesem unbekannt Bekannten einen Namen zu geben. Es ist notwendigerweise ein irritierendes, ein ungenügendes Wort. Denn bei "ewig" denken wir an Endlosigkeit, und die schreckt uns; bei Leben denken wir an das von uns erfahrene Leben, das wir lieben und nicht verlieren möchten, und das uns doch zugleich immer wieder mehr Mühsal als Erfüllung ist, so daß wir es einerseits wünschen und zugleich doch es nicht wollen. Wir können nur versuchen, aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herauszudenken und zu ahnen, daß Ewigkeit nicht eine immer weitergehende Abfolge von Kalendertagen ist, sondern etwas wie der erfüllte Augenblick, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen. Es wäre der Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit, kein Vor- und Nachher mehr gibt. Wir können nur versuchen zu denken, daß dieser Augenblick das Leben im vollen Sinn ist, immer neues Eintauchen in die Weite des Seins, indem wir einfach von der Freude überwältigt werden. So drückt es Jesus bei Johannes aus: 'Ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude wird niemand von euch nehmen' (Joh 16, 22). In dieser Richtung müssen wir denken, wenn wir verstehen wollen, worauf die christliche Hoffnung zielt; was wir vom Glauben erwarten, von unserem Mitsein mit Christus."

(P. Benedikt XVI., Enzyklika "Spe salvi" 12)

"Vielleicht wollen viele Menschen den Glauben heute einfach deshalb nicht, weil ihnen das ewige Leben nichts Erstrebenswertes zu sein scheint. Sie wollen gar nicht das ewige Leben, sondern dieses jetzige Leben, und der Glaube an das ewige Leben scheint dafür eher hinderlich zu sein. Ewig – endlos – weiterzuleben scheint eher Verdammnis als ein Geschenk zu sein. Gewiß, den Tod möchte man so weit hinaus- schieben wie nur irgend möglich. Aber immerfort und ohne Ende zu leben – das
kann doch zuletzt nur langweilig und schließlich unerträglich sein."

(P. Benedikt XVI., Enzyklika "Spe salvi" 10)

"Wie soll ich Ewiges Leben erlangen?"
"Ewiges Leben ist heute und jetzt. Lebe in der Gegenwart."

(A. de MELLO, Eine Minute Weisheit, Freiburg  4. Aufl. 2000, 16)


"Wenn man unter Ewigkeit nicht unendliche Zeitdauer, sondern
Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt"

(Ludwig Wittgenstein)


"Das Leben ist kurz, aber von unendlichem Wert,
denn es birgt den Keim der Ewigkeit in sich"

(Franz von Sales)


"durch die Berührung mit der Ewigkeit wird man
zum Meister der Zeit, steht an dem großen Wasser-
Reservoir, aus dem die Zeit sich speist"


(K. Berger, Jesus, München 2004, 140)


"Ewigkeit ist eine Zukunft, die, ohne aufzuhören
Zukunft zu sein, dennoch gegenwärtig ist
"

(Franz Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, in: DERS., Der Mensch
und sein Werk. Gesammelte Schriften II, Dordrecht 1976, 250)