Theologie-Systematisch
Eschatologie
§
9. Ewiges Leben
Texte - Reich Gottes
"Gewiß, wir können
das Reich Gottes nicht selber 'bauen' – was wir bauen, bleibt immer Menschenreich
mit allen Begrenzungen, die im menschlichen Wesen liegen. Das Reich Gottes
ist Geschenk, und eben da-
rum ist es groß und schön und Antwort auf Hoffnung. Und wir können
– um in der klassischen Termino-
logie zu sprechen – den Himmel nicht durch unsere Werke 'verdienen'. Er
ist immer mehr, als was wir
verdienen, sowie das Geliebtwerden nie 'Verdienst', sondern immer Geschenk
ist. Aber bei allem Wissen
um diesen 'Mehrwert' des Himmels bleibt doch auch wahr, daß unser
Tun nicht gleichgültig ist vor Gott
und daher nicht gleichgültig für den Gang der Geschichte. Wir
können uns und die Welt öffnen für das
Hereintreten Gottes: der Wahrheit, der Liebe, des Guten. Das ist es, was
die Heiligen taten, die als 'Mitar-
beiter Gottes' zum Heil der Welt beigetragen haben (vgl. 1 Kor 3, 9; 1 Thess
3, 2). Wir können unser Le-
ben und die Welt von den Vergiftungen und Verschmutzungen freimachen, die
Gegenwart und Zukunft
zerstören könnten. Wir können die Quellen der Schöpfung
freilegen und reinhalten und so mit der
Schöpfung, die uns als Gabe vorausgeht, ihrem inneren Anspruch und
ihrem Ziel gemäß das Rechte tun.
Dies behält Sinn, auch wenn wir äußerlich erfolglos bleiben
oder ohnmächtig zu sein scheinen gegenüber
dem Übergewicht der entgegengesetzten Mächte. So kommt einerseits
aus unserem Tun Hoffnung für uns
und für die anderen; zugleich aber ist es die große Hoffnung
auf die Verheißungen Gottes, die uns Mut
und Richtung des Handelns gibt in guten wie in bösen Stunden."
(P. Benedikt
XVI., Enzyklika
"Spe salvi" 35)
"Damit (d.i.
das Reich Gottes) ist nicht etwas irgendwann in einer unbestimmten Zukunft
Kommendes
gemeint. Damit ist
auch nicht die bessere Welt gemeint, die wir allmählich durch unsere
eigene Kraft zu
schaffen
versuchen. In dem Wort 'Reich Gottes' ist das Wort 'Gott' ein sogenannter
Genitiv des Subjekts.
Das bedeutet:
Gott ist nicht eine Zutat zum 'Reich', die man vielleicht auch weglassen
könnte. Gott ist das
Subjekt. 'Reich
Gottes' heißt in Wirklichkeit: Gott herrscht. Er selbst ist da und
ist bestimmend für die
Menschen in der
Welt. Er ist das Subjekt, und wo dieses Subjekt fehlt, bleibt nichts von
der Botschaft Je-
su übrig. Darum sagt
uns Jesus: Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man sich sozusagen
daneben stel-
len und bei seinem
Kommen zuschauen kann. 'Es ist mitten unter euch' (vgl. Lk 17,20f). Es wird
da, wo
Gottes Wille geschieht.
Es ist da, wo Menschen sich seiner Ankunft öffnen und damit Gott in die
Welt
einlassen. Darum ist Jesus
das Reich Gottes in Person: der Mensch, in dem Gott in unserer Mitte ist und
durch den wir Gott anrühren,
in die Nähe Gottes kommen können. Wo dies geschieht, wird die Welt
heil."
(P. Benedikt XVI., Ansprache an die Römische
Kurie am 22.12.06, L’Osserv. Romano 5/1/07, 6-8, 7)
"Der Weg, um dieses
Ziel (das Reich Gottes) zu erreichen, ist lang und erlaubt keine
Abkürzungen, denn jeder Mensch muß die Wahrheit der Liebe Gottes
aus freiem Wil-
len annehmen. Er ist Liebe und Wahrheit, und weder die Liebe noch die Wahrheit
drängen sich je auf: Sie klopfen an die Tür des Herzens und des
Verstandes, und
dort, wo sie eintreten dürfen, bringen sie Frieden und Freude.
Das ist Gottes Art zu
herrschen; das ist sein Heilsplan, ein 'Geheimnis' im biblischen Sinne
des Wortes,
das heißt ein Plan, der sich nach und nach in der Geschichte offenbart."
(P. Benedikt XVI,
Ansprache vor dem Angelus am 26.11.06, L'Osserv. Rom. 48 (2006) 1)
"Damit (d.i. mit dem
Reich Gottes) ist nicht irgendein Reich gemeint, das irgendwann
einmal kommt, sondern damit ist gemeint, daß Gott jetzt bestimmend
werden muß für
unser Leben und Handeln. Darum bitten wir, wenn wir sagen: Dein Reich komme;
wir
beten nicht um irgend etwas Entferntes, das wir selber eigentlich gar nicht
zu erleben
wünschen. Wir beten vielmehr darum, daß jetzt Gottes Wille unseren
Willen bestimme
und so Gott in der Welt herrsche; also darum beten wir, daß Recht
und Liebe entschei-
dend werden in der Ordnung der Welt."
(P. Benedikt XVI, Predigt
am 10. September 2006 in München)
"Nur im Glauben des einzelnen,
der dem Aufruf Jesu folgend alle
anderen Anliegen seines Lebens der Nähe der Gottesherrschaft
unterordnet, wird deren Zukunft schon Gegenwart."
(Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie
Bd. III, Göttingen 1993, 115f)
"Im Stall zu Bethlehem
berühren sich Himmel und Erde. Der Himmel ist auf die
Erde gekommen. Deswegen kommt von dort Licht über alle Zeiten hin;
deswegen
entzündet sich dort Freude; deshalb wird dort Gesang geboren. Ich möchte
am
Schluß unserer Weihnachtsbetrachtung ein erstaunliches Wort des heiligen
Au-
gustinus zitieren. Bei der Auslegung des Vater-unser-Anrufs: „Vater unser
in den
Himmeln“ fragt er: Was ist das – der Himmel? Und wo ist der Himmel? Darauf
folgt eine überraschende Antwort: „… der du bist im Himmel, das heißt:
in den
Heiligen und Gerechten. Wohl ist der Himmel der erhabenste Körper des
Weltalls,
aber ein Körper, der nur im Raum sein kann. Glaubt man aber, daß
Gott im Him-
mel, also im obersten Teil des Weltalls wohnt, dann sind die Vögel
besser daran
als wir, da sie dann in unmittelbarerer Nähe zu Gott leben würden
als wir. Aber es
steht nicht geschrieben: ‚Der Herr ist nahe denen, die auf Höhen oder
Bergen woh-
nen’, sondern: ‚Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind’
(Ps 34
[33], 19), was sich auf die Demut bezieht. Wie der Sünder ‚Erde’ genannt
wird, so
kann man im Gegensatz dazu den Gerechten ‚Himmel’ nennen“ (Serm. in monte
II 5, 17). Der Himmel gehört nicht der Geographie des Raums, sondern
der Geo-
graphie des Herzens zu. Und das Herz Gottes hat sich in der Heiligen Nacht
in den
Stall herabgebeugt: Die Demut Gottes ist der Himmel. Und wenn wir auf diese
De-
mut zugehen, dann berühren wir den Himmel. Dann wird auch die Erde
neu. Bre-
chen wir mit der Demut der Hirten in dieser Heiligen Nacht auf zu dem Kindlein
im Stall. Berühren wir die Demut Gottes, das Herz Gottes. Dann wird
seine Freu-
de uns berühren und die Welt heller machen. Amen."
"Wir alle sind uns heute
bewußt, daß wir uns mit dem Begriff 'Himmel' nicht
auf irgendeinen Ort im Universum beziehen,
auf einen Stern oder ähnliches:
Nein. Wir beziehen uns auf etwas, das viel
größer und schwer mit unseren be-
grenzten menschlichen Begriffen zu bestimmen
ist. Mit diesem Begriff des
'Himmels' wollen wir sagen, daß uns
Gott, der Gott, der uns nahe geworden
ist, nicht einmal im Tod und jenseits des
Todes verläßt, sondern einen Platz
für uns hat und uns die Ewigkeit schenkt;
wir wollen sagen, daß es in Gott ei-
nen Platz für uns gibt. Um diese Wirklichkeit
ein wenig besser zu verstehen,
wollen wir auf unser Leben blicken: Wir
alle machen die Erfahrung, daß ein
Mensch, wenn er gestorben ist, in einer
bestimmten Weise in der Erinnerung
und im Herzen derer weiterlebt, die ihn
gekannt und geliebt haben. Wir könn-
ten sagen, daß in ihnen ein Teil dieser
Person weiterlebt, doch sie ist wie ein 'Schatten', da auch dieses Weiterleben
im Herzen der Lieben dazu bestimmt ist,
zu einem Ende zu kommen. Gott hingegen vergeht
nie, und wir alle existieren
kraft seiner Liebe. Wir existieren in den
Gedanken und in der Liebe Gottes. Wir
existieren in unserer gesamten Wirklichkeit,
nicht nur als unser 'Schatten'. Un-
sere Zuversicht, unsere Hoffnung, unser
Friede gründen gerade darin, daß in
Gott, in seinem Gedanken und in seiner Liebe,
nicht nur ein 'Schatten' unserer
selbst überlebt, sondern in ihm, in
seiner Schöpferliebe werden wir behütet und
mit unserem ganzen Leben, mit unserem ganzen
Sein in die Ewigkeit eingeführt.
Es ist seine Liebe, die über den Tod siegt und uns die Ewigkeit schenkt,
und es
ist diese Liebe, die wir 'Himmel' nennen: Gott ist so groß, daß
er auch für uns
Platz hat. Und der Mensch Jesus, der gleichzeitig Gott ist, ist für
uns die Gewähr-
leistung dessen, daß Mensch-Sein und Gott-Sein auf ewig miteinander
existieren
und leben können. Das will heißen, daß von einem jeden von
uns nicht nur ein Teil
fortbestehen wird, der uns sozusagen entrissen worden ist, während andere
Teile
vergehen; es will vielmehr besagen, daß Gott den ganzen Menschen, der
wir sind,
kennt und liebt. Und Gott nimmt in seine Ewigkeit das auf, was jetzt, in
unserem
Leben, das aus Leiden und Liebe, aus Hoffnung, Freude und Traurigkeit besteht,
wächst und ins Sein kommt. Der ganze Mensch, sein ganzes Leben wird
von Gott genommen und empfängt - in ihm gereinigt - die Ewigkeit."
(P. Benedikt XVI., Predigt am 15. August 2010, in:
L'Osservatore Romano 40/2010, Nr. 34, S. 7)