Herbert Schneider (Hg.), Einzigkeit und
Liebe nach Johannes Duns Scotus. Beiträ-
ge auf der Tagung der Johannes-Duns-Skotus-Akademie vom 5.-8. November
2008
in Köln zum 700. Todestag von Johannes Duns Scotus, Mönchengladbach
2009
Dieser Band versammelt zehn wissenschaftliche
Beiträge der im Titel genannten Tagung, überdies zwei
Festvorträge und drei Gottesdienstansprachen hierzu sowie
ein Apostolisches Schreiben des Papstes und
ein Vorwort des Herausgebers. Der Papst betont, dass Duns Scotus
"Eintracht gestiftet hat zwischen
Glauben und Vernunft und das Wesen der Theologie auf eine
Weise bestimmte, dass sie... auf wirksame
Weise Handeln und Tat, Praxis und Liebe hervorbringt"
(XII), dass er die Autorität der Kirche sehr her-
vorhob (XIII) und dass er vor allem, wie Benedikt XVI. selbst,
Gott als Liebe verkündete (XIIIf). Aus
den genannten Beiträgen seien hier einige exemplarisch
kurz vorgestellt.
Nach NIKO DEN BOK und seinem Beitrag >Satisfaktion
und Liebe. Scotus über Anselms Cur deus
homo< bejaht Duns Scotus die Ausgangsfeststellungen
der anselm'schen Satisfaktionstheorie, "dass Gott
seinem ursprünglichen Plan treu bleibt und deswegen
den Menschen erlösen will, als auch die Vorausset-
zung, dass Satisfaktion gegeben werden soll, wenn der Mensch
gesündigt hat", allerdings sei es nicht not-
wendig, "dass Gott die Satisfaktion gebe, und... dass sie
faktisch gegeben werde durch das Leiden Christi"
(74). Auch ein Anderer hätte auf andere Weise die Satisfaktion geben
können. Genügend um die Sünde
auszugleichen wäre eine Liebestat gewesen, die intensiver
gewesen wäre als die Sündentat der Menschen.
Und: Es hätte nicht zwangsläufig eine Tat des Leidens
sein müssen, eine Tat der Reue zum Beispiel hätte
ebenfalls ausgereicht. Gerade wegen ihrer Nicht-Notwendigkeit
seien aber Inkarnation und Kreuzestod aus
scotischer Sicht beson- ders hochzuschätzen. Gott hätte
diesen Weg zur Erlösung des Menschen nicht ge-
hen brauchen - und geht ihn aus Liebe in seinem Sohn Jesus Christus
doch.
Unter dem Titel >Die einzigartige
Veranlagung des Menschen für Gott< stellt THOMAS MÖLLEN-
BECK die grundlegenden Fragen unseres Menschseins: "Warum...
hat Gott die Welt erschaffen und den
Menschen in ihr? Wonach... verlangt der Mensch in der Welt,
die Gott erschuf? Wie kann dies etwas Ein-
zigartiges sein, wenn es für die ganze Menschheit gilt?
Was... heißt es, einzigartig zu sein, ein Individu-
um?" (81). Um deren Beantwortung willen nimmt er den modernen
Atheismus zum Ausgangspunkt. Die-
ser habe sowohl den Individualismus des Menschen zur Grundlage,
das heißt die Tatsache, dass "die indi-
dividuelle Bedeutsamkeit des einzelnen Menschen ins Maßlose
gesteigert wird" (82), als auch den Natu-
ralismus, zumindest, wenn dieser nicht ein "theologischer"
sei, der dem "methodischen" in zwei Punkten
widerspreche: "zum einen, weil eine Zielbestimmung der Natur
angenommen wird, zum anderen, weil die-
se als von Gott her bestimmt gedacht wird" (89). Mit Rückgriff
auf Duns Scotus (und auch Thomas von
Aquin) sei die Schöpfung aber unter der "potentia ordinata"
Gottes stehend zu betrachten, d.h. seine
Macht sei darauf gerichtet, "was praktisch-fak- tisch und
gut zu tun" ist (94). Der moderne "selbstherr-
liche Trotz oder die ewig wiederkehrende naturalisti- sche
Selbstverleugnung" (96) fänden also ein erlö-
sendes Gegenüber in der Perspektive des Evangeliums, nach
der der Mensch ein "Mit-Liebender" Got-
tes werden könne und solle. Dies allein schaffe ihm von
Gott her einen Raum, in dem er "berufen ist,
auf einzigartige Weise die allen Menschen gemeinsame Veranlagung
für Gott zu leben" (96).
HERBERT SCHNEIDER erläutert in seinem
Beitrag >Einzigkeit und Liebe nach Johannes Duns
Scotus<, der auch dem gesamten Band seinen Titel gegeben
hat, den spezifischen Zusammenhang zwi-
schen der Personalität des Menschen und seiner Liebesfähigkeit.
Als Person, so der Autor, ist jeder
Mensch nach Duns Scotus von nichts Anderem abhängig, Person
meint "die nicht mitteilbare Existenz
einer geistigen Natur" (177); es ist das Prinzip, aus
dem heraus das Individuum unvertretbar >Ich< sagt.
Mit der Einzigkeit der Person ist grundsätzlich
auch eine "ultima solitudo, eine letzte Einsamkeit" (178)
gegeben, die nicht als Verschlossenheit, sondern als "höchstes
Beisichsein" (178) zu verstehen ist und
aus der sich Kreativität und Freiheit
des Menschen ergeben. Der Mensch vollzieht so seine Existenz,
"übersteigt sich ständig und erfährt die Erfülllung
als Geschenk, d.h. Gnade" (179). Die Liebe ist das
Anerkennen des je eigenen Soseins des Men- schen in seiner Personalität;
in ihr ereignet sich das Beja-
hen des unmitteilbaren Selbstbesitzes des Anderen. Mit seiner
Liebe steht der Mensch dem liebenden
Gott gegenüber, der ihn als liebendes Gegenüber frei
erschaffen hat.
Im Ganzen gibt das Buch einen interessanten
Einblick in das Denken des mittelalterlichen Autors.
Streckenweise wird freilich sehr deutlich, dass es sich an ein philosophisch
und theologisch wohl ge-
bildetes Fachpublikum richtet.
Herbert Frohnhofen, 21. Juni 2010