Johann Valentin Andreae, Autobiographie. Bücher 1-5/6-8: Kleine biographische
Schriften (Gesammelte Schriften I
,1 und I,2) Stuttgart-Bad-Cannstatt 2012;

Diese beiden Bände mit autobiographischen Aufzeichnungen des protestantischen Theologen, Schriftstellers
und Mathematikers aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts bilden eine komplettierende Neuedition des be-
reits seit dem 19. Jahrhundert in deutscher Übersetzung aus dem Lateinischen öffentlich bekannten Textes,
dem nunmehr auch der kritische Apparat vollständig zugefügt werden konnte. Überdies wurden im zweiten
Teilband auch einige über die eigentliche Vita hinausgehende autobiographische Schriften hinzugefügt. Ein
fachlicher Kommentar zu all diesen Schriften soll in einem weiteren Teilband vorgelegt werden. - Die Einlei-
tung zur Vita macht deutlich, dass sie gerichtet wird an August, den Herzog von Braunschweig und Lüne-
burg, welchem der Autor mit der Beschreibung seines Lebens darzulegen beabsichtigt, dass und warum er
sein ganzes Leben der Erforschung und Verkündigung der "evangelischen Religion" gewidmet hat (21).

Nach ausführlichen Detaildarstellungen zu Kindheit, Schulzeit, Studium und ersten Lehrerfahrungen schil-
dert der Autor seine vor allem mit theologischen Lehrzeiten gefüllten Wanderjahre. Hier gelangt er beispiels-
weise nach Genf und rühmt die örtliche Gerichtsbarkeit: Dadurch würden "alle vermessenen Schwüre und
Flüche, Würfel- und Kartenspiele, Zügellosigkeit, Frechheit, Zank, Haß, Tücke, Betrug, Geldschneiderei,
Schmausen, Schwelgerei, Unverschämtheit, Trägheit, unmäßiger Zorn, Grobheit verhütet, geschweige denn
größere Verbrechen, die hier fast unerhört und ungewöhnlich sind", und er fügt kommentierend hinzu: "Wun-
derbar, wie ehrenhaft diese Sittenreinheit für die christliche Religion ist" (93). Nach der Darstellung noch
vieler anderer Reiseerlebnisse und zahlreicher Anekdoten endet das erste Buch.

Das zweite Buch berichtet vom Sesshaftwerden in Vaihingen. Der Autor heiratet, wird Vater dreier Kinder
und verfasst zahlreiche Schriften. Im dritten Buch steht die Übernahme der Pfarrei in Calw im Mittelpunkt,
zahlreiche Kontakte, weiter Schriften und seine Sorge, "der Sache des Christentums auf(zu)helfen und die
Unbescholtenheit der Sitten mit der Reinheit der Lehre vereinigen" zu können (231). Weitere neun Jahre in
Calw werden im vierten Buch beschrieben. Kriegswirren und auch persönliche Schwierigkeiten stehen im
Mittelpunkt der Darstellung; schließlich rafft die Pest - sehr ausführlich beschrieben - eine große Menge an
Verwandten, Bekannten und Kollegen hinweg. Das fünfte Buch schließlich schildert den vom Autor nur un-
gern angenommenen Dienst am Fürstenhof in Stuttgart, vom dem aus er aufsichtliche Tätigkeiten über die
kirchlichen Angelegenheiten verrichtet. Er bekommt den theologischen Ehrendoktor in Tübingen; und die
Darstellung des ersten Bandes endet bald nachdem "die Grenze des achten Jahrsiebts meines mit mancher-
lei Schicksalswechseln ringenden Lebens" erreicht und benannt wird (447).

Das sechste Buch, mit dem der zweite Band beginnt, schildert weitere sieben Jahre in Stuttgart und dabei
schier unendliche Details bis hin zu den Namen seiner Hunde. Doch auch von seiner kirchlich-ordnenden
Arbeit ist die Rede, vom Kampf gegen Simonie und der Einrichtung transparenter Verfahren zur Vergabe
kirchlicher Ämter. Viel schreibt der Autor auch von seinen Krankheiten und von seinen um das 60. Le-
bensjahr nachlassenden Kräften, die es ihm weniger erlauben seinen "Kriegsdienst" für die Kirche mit al-
ler Kraft fortzusetzen (55). Zahlreiche Veränderungen im Freundeskreis - beruflicher und gesundheitlicher
Art - werden geschildert. In ähnlich weitschweifiger Weise erzählen das siebte und achte Buch von seinem
Leben, vor allem den Krankheiten, in der Abtei Bebenhausen.

Darüberhinaus enthält der zweite Band eine Art detaillierte Kurzfassung des Lebens des Autors, in der
noch einmal sehr zahlreiche Einzelereignisse des gesamten Lebens mit genauen Datenangaben aufgeführt
werden. Dazu eine Beschreibung seiner Reise nach Österreich aus dem Jahr 1619, über zwei Brände in
Vaihingen von 1617 und 1618 sowie einen verheerenden Überfall auf die Stadt Calw. Im Ganzen geben
die beiden Bände einen detaillierten Einblick in kirchliches und gesellschaftliches Leben im 17. Jahrhun-
dert, vor allem aber über unendlich viele Details aus dem Leben des Autors. Die Bände sind sehr aufwän-
dig und ansprechend gestaltet und dadurch sehr angenehm zu lesen.

Herbert Frohnhofen, 1. November 2012