Gerda SIEDL, Mein Jakobsweg durch Österreich. Auf den Spuren alter PilgerInnen
alleine 800 km zu Fuß
von Ost nach West, Norderstedt: Books on Demand GmbH o.J.
(erhältlich über: http://www.mein-weg.at)

Der Jakobsweg ist wieder populär; Gerda Siedl ist ihn gegangen, allein. Genauer: sie ist jenes Teilstück gegangen, das in Österreich von Ost nach West führt, von Wolfsthal bei Wien bis nach Feldkirch in Vor-
arlberg, 800 km in 33 Tagen bei offenbar großer Hitze im Juli 2002. Gerda Siedl beschreibt diese Unter- nehmung unmittelbar, persönlich und direkt, in einem sehr ansprechend gestalteten Buch auf knapp 200
Seiten. Sie schreibt von ihren Ängsten und Hoffnungen, aber auch von den konkreten Vorbereitungen,
den Begegnungen, den Erfahrungen. Wir Lesenden nehmen unmittelbar teil am Geschehen, fühlen uns mitgenommen auf den Weg.

Nur an wenigen Stellen werden die tagebuchähnlich aufgezeichneten unmittelbaren Erfahrungsberichte
(mit interessanten Hinweisen auf die Strecke, die Unterkünfte, die Restaurants) durchbrochen durch kur-
ze allgemeinere, resümierende und reflektierende Passagen. Da spricht die Autorin beispielsweise über
die (gegenüber dem Radfahren noch einmal sehr andere) Erfahrung mit dem langsamen "Tempo des Ge-
hens, die ursprünglichste Fortbewegungsform des Menschen, (es) ermöglicht mir eine intensivere Wahr-
nehmung vom Schmetterling bis zum Regenwurm, alles kann ich entdecken, wenn ich meine Augen offen
halte. Außerdem kann ich meinen Gedanken nachhängen, denn meine Füße laufen meist wie von selbst, jedenfalls in der Ebene" (65). Darüberhinaus entnimmt die Autorin der Erfahrung des Pilgerweges auch Hinweise für ihr Leben im Alltag, wenn sie etwa formuliert: "Ist dies ein Zeichen, dass ich auch in mei-
nem Leben öfters den Blickwinkel ändern könnte, um andere Details wahrzunehmen, aber auch um Zei-
chen, die ich nicht bemerke, weil sie sich 'woanders' befinden, nicht zu übersehen?" (84). Oder sie merkt
mit einem kleinen Augenzwinkern an, wie sie von einem Gastgeber hellseherisch darauf angesprochen
wird, dass sie doch wohl "geschieden und Lehrerin sein... (müsse), denn sonst... (könne sie) nicht wochen-
lang alleine durch die Gegend pilgern" (87).

Überhaupt spricht die Autorin viel von ihrer Offenheit für Begegnungen auf diesem Weg sowie davon,
wie sehr sie umgekehrt als "Jakobspilgerin" freundlich angesprochen und behandelt wird. Der Weg dient
der Autorin zur Reflexion ihres Lebens, aber auch zur Offenheit und Erfahrung von neuem. Es fällt ihr
auf, wie sie "immer unkomplizierter Kontakt zu anderen Menschen finde(t) und wie leicht es... (ihr) fällt,
z.B. eine Zugbegleitung zu finden" (93). Dies ist für sie "der große Reiz des Pilgerns, dass... (sie) jeder-
zeit hautnahen Kontakt mit den Menschen, die hier leben, haben kann und so die Gegend und ihre Bewoh-
ner intensiver" wahrnimmt (118). Im Anhang finden sich dann noch Hinweise darauf, welche Utensilien
bei einer solchen Fußwanderung nicht fehlen sollten, so dass das Buch - schnell und flüssig gelesen - eine ansprechende Einladung bedeutet, das Pilgern auch selbst zu versuchen und den Jakobsweg nachzugehen.

Herbert Frohnhofen, 21. Mai 2005