Theologie-Systematisch
Spiritualität
Selbstbeobachtung
"Wenn du
dein ganzes Leben und Erleben völlig ins Tätigsein verlegst und
keinen
Raum mehr für Besinnung vorsiehst, soll ich dich da loben? Darin lobe ich dich
nicht. Wenn du ganz und gar für andere da sein willst, nach dem Beispiel
dessen,
der allen alles geworden ist, lobe ich deine Menschlichkeit ? aber nur, wenn
sie
voll und echt ist. Wie kannst du aber voll und echt Mensch sein, wenn
du dich selbst
verloren hast? Auch du bist ein Mensch. Damit deine Menschlichkeit allumfassend
und vollkommen sein kann, musst du also nicht nur für die anderen, sondern
auch
für dich selbst ein aufmerksames Herz haben. Wenn alle Menschen ein Recht
auf
dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat.
Warum solltest einzig du selbst nichts von dir haben? Wie lange noch
schenkst du
allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selbst? Wer mit sich selbst
schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Denk also daran: Gönne dich dir selbst.
Ich sage nicht: Tu das immer. Ich sage nicht: Tu das
oft. Aber ich sage: Tu es im-
mer wieder einmal! Sei wie für alle anderen auch für dich selbst
da, oder jedenfalls
sei es nach allen anderen! "
(aus: Bernhard von Clairvaux:
„Eine gute Minute.
365 Impulse zum Leben“, Aussaat Verlag)
T.A. SISEMORE, Saint Augustine's "Confessions" and
the use of introspection in counseling, in: Journal of
psychology and christianity 20 (2001)
324-331;