Theologie-Systematisch
Spiritualität
Martyrium
Texte-Alte Kirche


"Und doch nützt die ausgesuchteste Grausamkeit von eurer Seite nichts: Sie ist für un-
sere Gemeinschaft eher eine Einladung. Wir werden jedes Mal zahlreciher, so oft wir
von euch niedergemäht werden: Ein Same ist das Blut der Christen."

(Tertullian, Apologeticum 50,13)


"Die christliche Gemeinde hatte schon früh Möglichkeiten gefunden, in einem Reich, in dem der öffentli-
che Tod große Beachtung fand (beispielsweise in den Amphitheatern), mit den Opfern von Verfolgungen
Propaganda bei Christen wie Nichtchristen zu betreiben und insbesondere deren Standhaftigkeit im Ange-
sicht des Todes hervorzuheben: semen est sanguis Christianorum (Tertullianus, Apol. 50,13). Solche christ-
lichen Opfer wurden von ihren eigenen Gemeinden und bald auch von anderen bereits Ende des 2. Jahr-
hunderts als Märtyrer verehrt und ihr Todestag festlich begangen. Obwohl es im Widerstand gegen Verfol-
gungen unter den Sleukiden bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. prominente jüdische Martyrien gegeben hat-
te und entsprechende Texte an deren Schicksal erinnerten (z.B. 2 Makk 6,18-7,42. 14,37-46), ist in jüngster
Zeit zweifelhaft geworden. dass die christliche Märtyrerverehrung einfach die Übernahme einer schon längst
bestehenden analogen jüdischen Praxis darstellt. Tatsächlich gehört der Bericht über das Martyrium der Mak-
kabäer im so genannten vierten Makkabäerbuch, der gern als zentraler Beleg eines vorchristlichen jüdischen
Märtyrerkults herangezogen wurde, in das 2. Jahrhundert n. Chr., und der Titel 'Märtyrer' (martus/confes-
sor) sowie der Terminus 'Martyrium' finden sich erstmals im bericht über das Martyrium des Bischofs Po-
lycarp von Smyrna vom Ende des 2. Jahrhunderts. In diesem Text ist auch erstmals der Brauch belegt, die
Gebeine des Hingerichteten zu sammeln und 'an einem würdigen Ort' beizusetzen (Martyrium Polycarpi 18,
2f). Das 'Martyrium Polycarpi' enthält auch bereits die Grundzüge einer christlichen Theologie des Marty-
riums: Märtyrer sind 'Schüler und Nachahmer des Herrn', denen Ehre zu erweisen ist (ebd. 17,3), und aus-
erlesene wohlgefällige 'Opfer' für Gott mit sühnender Funktion (14,1.2). Früh wird die Vorstellung vertre-
ten, dass das Martyrium der eigentliche Geburtstag des Märtyrers sei und ihn - ohne jeden Zwischenzustand
- sofort zu Gott bringen könne (Tertullianus, De anima 55,4; De resuurectione mortuorum 43,4). Schon des-
wegen nahm man an, dass Märtyrer durch Vergießen ihres Blutes und die dann folgende Fürbitte am himm-
lischen Altar vielen zum Heil zu helfen imstande seien (Origenes, Exhortatio ad martyrium 30.37).

Am Beispiel des hingerichteten karthagischen Bischofs Caecilius Cyprianus kann man sehen, wie sich lang-
sam aus der christlichen Märtyrerverehrung der Heiligenkult herausbildete: er wurde, wie er es selbst für Mär-
tyrer der decischen Verfolgung wollte, vom Klerus begraben und sein Grab an Festtagen verehrt (ähnlich wie
im paganen Heroenkult). Das Grab Cyprians zo andere Gräber an (Bestattung ad sanctos), und die Feier zum
Todestag am Grab erhielt einen Platz im Kalender der karthagischen Gemeinde (vgl. Cyprianus, Ep. 12,1f). 


(Chr. MARKSCHIES, Von der Mitte des 2. bis zum Ende des 3. Jahrhunderts, in: M. EBNER u.a., Öku-
menische Kirchengeschichte. Band 1: Von den Anfängen bis zum Mittelalter, Darmstadt 2006, 59-98, 70)