Theologie-Systematisch
Spiritualität
Dialog, (interreligiös)
Texte

"Die Spiritualität des Dialogs

Sie gründet im Glauben bei Christen und Muslimen, dass sich die Angehörigen der beiden Religionen
in dem besonderen Verhältnis des Geschöpfes zu seinem Schöpfer treffen und in diesem Geist Weltver-
antwortung übernehmen und die Suche nach Gott gemeinsam aufnehmen.

1. an Gott in seiner Gestalt der innergöttlichen Beziehungen. Dieser Gott ist das Modell für die mensch-
lichen Beziehungen und die Grundlage des Dialogs. Er ist die Gemeinsamkeit, der Berührungspunkt,
der Grund für uns, in Gespräche miteinander zu kommen.

2. an Gott, der sich den Menschen mitgeteilt hat. Auf diese Weise hat Gott die Gemeinschaft mit den
Menschen hergestellt. Und in dieser Gemeinschaft wissen sich die Christen, die mit Menschen anderen
Glaubens die Begegnung suchen.

3. an Gott, den der Mensch in seinem Leben jeden Tag neu sucht und sich zu ihm bekehren muss. In
der Hinwendung und Bekehrung zu Gott begegnen wir dem Andersgläubigen. Der interreligiöse Dia-
log ist eine religiöse Betätigung, die die Dialogpartner auf der Suche nach Gott einander näher bringt.
In den unterschiedlichen Antworten der Religionen auf den Anruf Gottes, den verschiedenen Riten
und Lebensvollzügen, zeigt sich der Charakter der jeweiligen Religionsgemeinschaft, der sie so wert-
voll für den Austausch macht.

Die Spiritualität des Dialogs nährt den Glauben

4. in der Selbstvergewisserung, die der Dialogpartner erlebt, der sich auf die Aufgabe des Zeugen und
Auskunftgebenden einlässt. Der Gesprächspartner will wissen, mit wem er es zu tun hat und will die
religiösen Ausdrucksmöglichkeiten und Glaubensinhalte kennen lernen.

5. Die Spiritualität, die den christlich-islamischen Dialog tragen soll, lebt aus dem Glauben, der Hoff-
nung und der Nächstenliebe. Da ist der Glaube an Gott und sein Wirken, das der Mensch mit seiner
Vernunft nicht durchdringen kann. Die Hoffnung charakterisiert den Dialog, der keine schnellen Er-
folge erzielen will, sondern daran festhält, dass die Zeit der Ernte nur der Vater kennt. In der Näch-
stenliebe gibt der Christ die Gnade Gottes an seine Mitmenschen weiter. So ist der interreligiöse Dia-
log eine Aktivität aus der Mitte des Glaubens in die Mitte des Glaubens hinein.

6. Die Spiritualität des Dialogs wird durch das Gebet genährt. Wenn die Beteiligten feststellen, dass
der Andersgläubige nicht oder zumindest nicht sofort auf das Gesprächsangebot eingeht, bedarf es
der geistlichen Stärke noch eine Meile zusätzlich mitzugehen."
 

(B. HUBER-RUDOLF, in: DIALOG MIT MUSLIMEN, hg.v. Erzbischöflichen Seelsorgeamt
Freiburg/Bg. (Freiburger Materialdienst für die Gemeindepastoral 2/2003 (pdf) 7;)