Theologie-Systematisch
Sakramentenlehre
§ 9. Ordination
Texte-Systematisch

"Paulus nennt den Timotheus und in ihm den Bischof und Priester überhaupt einen 'Gottesmenschen' (1
Tim 6,11). Dies ist die zentrale Aufgabe des Priesters: Gott zu den Menschen zu bringen. Das kann er frei-
lich nur, wenn er selbst von Gott her kommt, mit Gott und von Gott her lebt. Wunderbar ist das ausgedrückt
in dem Vers eines Priester-Psalms, den wir - die alte Generation - bei der Aufnahme in den Klerikerstand
gesprochen haben: 'Du Herr bist mein Erbe und reichst mir den Becher; du hältst mein Los in deinen Hän-
den' (Ps 15,5). Der priesterliche Beter dieses Psalms deutet seine Existenz von der im Deuteronomium (10,9)
festgelegten Form der Landverteilung her. Jeder Stamm erhält nach der Landnahme durch das Los seinen
Teil am heiligen Land und bekommt damit Anteil an der dem Stammvater Abraham verheißenen Gabe. Nur
der Stamm Levi erhält kein Land: Sein Land ist Gott selbst. Diese Aussage hatte gewiß eine ganz praktische
Bedeutung. Die Priester lebten nicht wie die anderen Stämme vom Bebauen des Landes, sondern von den
Opfergaben. Aber die Aussage reicht doch viel tiefer. Der eigentliche Lebensgrund des Priesters, der Boden
seiner Existenz, das Land seines Lebens, ist Gott selbst. Die Kirche hat in dieser alttestamentlichen Deutung
priesterlicher Existenz, die auch im Psalm 118 immer wieder aufscheint, mit Recht die Interpretation dafür
gefunden, was priesterliche Sendung in der Nachfolge der Apostel, in der Gemeinschaft mit Jesus Christus
selbst bedeutet. Der Priester kann und muß auch heute mit dem Leviten sagen: Dominus pars heriditatis me-
ae et calicis mei. Gott selbst ist mein Anteil am Land, der äußere und innere Grund meiner Existenz. Diese
Theozentrik der priesterlichen Existenz ist gerade in unserer ganz funktionalisierten Welt nötig, in der alles
auf errechenbaren und greifbaren Leistungen beruht. Der Priester muß wirklich Gott von innen her kennen
und ihn so zu den Menschen bringen: Das ist der allererste Dienst, den die Menschheit heute braucht. Wenn
in einem priesterlichen Leben diese Zentralität Gottes verlorengeht, dann wird auch der Eifer des Tuns all-
mählich leer. Im Übermaß des Äußeren fehlt die Mitte, die allem Sinn gibt und es zur Einheit fügt. Da fehlt
der Lebensgrund, das 'Land', auf dem dies alles stehen und gedeihen kann."


(P. Benedikt XVI., Ansprache an die Römische Kurie am 22.12.06, L’Osserv. Romano 5/1/07, 6-8, 7)


Ausgangspunkt zur Bestimmung des Amtspriestertums aus der Sicht der Kirchenkonstitution "Lumen
Gentium" ist "der Dienst der Verkündigung, so dass der Vorsitz der Eucharistiefeier als der dichteste Aus-
druck dieses Verkündigungsdienstes erscheint. Der 'Priester' ist nicht deshalb Priester, weil er im Namen
des Volkes der Gottheit ein Opfer darbringt, um diese gnädif zu stimmen, zu versöhnen oder ihr zurückzu-
geben, was ihr zusteht. Er ist Priester, weil er 'in persona Christi', das heißt: in der Rolle Christi, quasi als
Delegierter in seinem Auftrag, die Lebenshingabe Jesu Christi zu unserem Heil im Wort und im sakramen-
tal verleiblichten Wort -repräsentiert oder vergegenwärtigt. Es ist also nicht sein Opfer und auch nicht das
Opfer der Kirche, sondern das Opfer, die Lebenshingabe Jesu Christi, die durch das Wort der Verkündigung,
das als sakramentales 'bewirkt, was es bezeichnet', gegenwärtig wird"

(B.J. HILBERATH, Thesen zum Verhältnis von Gemeinsamem Priestertum und dem durch Ordination
übertragenen priesterlichen Dienst, in: Chr. Böttigheimer/H. Filser (Hg.), Kircheneinheit und Weltver-
antwortung. Festschrift für Peter Neuner, Regensburg 2006, 181-194, 190f)