Theologie-Systematisch
Sakramentenlehre
§ 7. Versöhnung
Texte-Historisch

"Den engen Zusammenhang zwischen Taufe und Buße, die nach der ersten der 95 Thesen das ganze Leben des
Christen über währen soll, hat Luther schon 1520 in seiner Schrift über die babylonische Gefangenschaft der
Kirche betont: Einmal bist du sakramental getauft, doch immerfort müssen wir getauft werden im Glauben,
so daß es immer wieder gilt zu sterben, um dadurch zu leben. Die Einmaligkeit des Taufaktes und seine Bezie-
hung auf den ganzen Weg des christlichen Lebens erscheinen dabei als ein zusammengehöriges Ganzes. Ent-
sprechend heißt es 1529 im Kleinen Katechismus von der Taufe, sie bedeute, 'daß der alte Adam in uns durch
tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten, und wiederump
täglich erauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit für Gott ewiglich
lebe'. Der Große Katechismus betont stärker das Kontinuierliche dieses Vorgangs, wenn es dort von 'Kraft und
Werk der Taufe' heißt, es handle sich dabei um 'die Tötung des alten Adams, darnach die Auferstehung des
neuen Menschens, welche beide unser Leben lang in uns gehen sollen, also daß ein christlich Leben nichts an-
ders ist denn eine tägliche Taufe, einmal angefangen und immer darin gegangen'. In diesem Prozeß, meinte
Luther, nehme der alte Mensch, 'täglich abe, solang bis er gar untergehet', während der neue Mensch in uns
wächst. Beide Katechismen verbinden also einerseits die Buße, andererseits die Heiligung mit dem Prozeß der
täglich zu erneuernden Aneignung der Taufe. Zumal die Buße war in Luthers Sicht nichts anderes als die le-
benslange Aneignung des ein für allemal in der Taufe Geschehenen. 'Denn was heißet Buße anders, denn den
alten Menschen mit Ernst angreifen und in ein neues Leben treten? Darümp wenn Du in der Buße lebst, so ge-
hest Du in der Taufe, welche solch neues Leben nicht allein deutet, sondern auch wirkt, anhebt und treibt; denn
darin wird geben Gnade, Geist und Kraft, den alten Menschen zu unterdrücken, daß der neue erfurkomme und
stark werde. Darümp bleibt die Taufe immerdar stehen, und obgleich jemand davon fället und sündigt, haben
wir doch immer ein Zugang dazu, daß man den alten Menschen wieder unter sich werfe.'

Mit dieser an Röm 6,3-14 orientierten Beziehung der Taufe auf den ganzen Weg des Christenlebens setzte sich
Luther nun allerdings in Widerspruch zur traditionellen Verhältnisbestimmung von Buße und Taufe, wie sie in
der abendländischen Theologie entwickelt worden war. Er wendete sich nämlich gegen die Auffassung des Hiero-
nymus, daß durch schwere Sünden des Christen die Taufgnade verlorengehe und die Buße gleichsam eine zweite
rettende Planke für den schiffbrüchigen Sünder sei, nachdem ihm die erste (die Taufe) abhanden gekommen ist.
Die scholastische Theologie hat das Bild dann auf die Institution der privaten Beichte und Buße übertragen. Tho-
mas von Aquin widmete der Frage einen eigenen Artikel. Darin deutete er das Bild vom Schiffbruch nun so, daß
die erste Rettungsplanke das Schiff selbst darstellt, während nur die zweite sich auf die Errettung vom Schiffbruch
bezieht. Gegen diese Deutung des Bildes richtete sich Luthers Kritik: 'Damit ist nun der Brauch der Taufe wegge-
nommen, daß sie uns nicht mehr nützen kann. Darümp ists nicht recht geredt, denn das Schiff zerbricht nicht,
weil es... Gottes Ordnung und nicht unser Ding ist'. Es 'geschieht wohl, daß wir gleiten und erausfallen, fället
aber imand eraus, der sehe, daß er wieder hinzuschwimme und sich dran halte bis er wieder hineinkomme und
darin gehe, wie vorhin angefangen'.

Das Konzil von Trient hat Luthers Kritik an der traditionellen Verhältnisbestimmung von Taufe und Buße und
seine These der Einheit von Taufe und Buße zurückgewiesen (DS 1702). War dabei der Eindruck oder die Sorge
maßgebend, daß in der Sicht der reformatorischen Theologie nach der Taufe gar keine weitere Beichte und Buße
für notwendig gehalten sein könnte? Das wird nahegelegt durch die Verurteilung der Auffassung, wonach alle
nach der Taufe begangenen Sünden bereits durch bloßes Gedenken an die Taufe und durch Vertrauen auf sie
erlassen oder in läßliche Sünden verwandelt seien. Sollte die Zurückweisung von Luthers Zusammenschau von
Taufe und Buße damit zusammenhängen, so wäre das sachlich unbegründet: Erstens hat Luther das tägliche
'Hineinkriechen' in die Taufe und 'Ersäufen' des alten Adam durchaus als echte Reue (contritio) über die Sün-
de aufgefaßt, freilich nicht als Tun des Menschen, sondern als von ihm 'passiv' zu erleidendes und im Glauben
anzunehmendes Werk Gottes an ihm durch Gesetz und Evangelium. Zweitens aber hat Luther ebenso wie die
Augsburger Konfession (CA 11 und 12) auch an der Notwendigkeit von Beichte und Buße für die getauften
Christen festgehalten."


(W. Pannenberg, Systematische Theologie III, Göttingen 1993, 278-280)