D. SATTLER, Wesensverwandlung. Zur bleibenden Bedeutung der Rede von "Transsub-
stantiation" in einer ökumenischen Eucharistielehre, in: Theologie der Gegenwart 42 (1999);

I.    Hinführung: Der Kontext der Fragestellung

Die Diskussion des Begriffs >Transsubstantiation< wird von S. in den Kontext der Enzyklika >Ut unum sint< und deren
Auftrag zur ökumenischen Verständigung sowie in den Zusammenhang anhaltender aktueller protestantischer Polemik ge-
gen den Begriff gestellt. Ihr Anliegen ist es, die bleibende Bedeutung des Begriffs auch für den Zusammenhang einer öku-
menisch akzeptierten Eucharistielehre darzustellen.



II.    Rückblick: Substanzbegriffe im theologiegeschichtlichen Wandel

"Allgemein anerkannt wird, daß die im wesentlichen auf Thomas von Aquin zurückgehende Vorstellung der 'Transsubstan-
tiation' als geeignete Lösung einer Problemstellung zu betrach
ten ist, die sich im Frühmittelalter ergab: Die Preisgabe der
im christlichen Altertum im eucha
ristischen Zusammenhang rezipierten platonischen Urbild-Abbild-Vorstellung, nach der
es noch
möglich erschien, die wirkliche Gegenwart des Unzugänglichen in seiner zeichenhaften Erscheinung zu denken,
wurde zur Ursache für die strikte Alternative zwischen einem 'realistischen'
oder einem (bloß) 'symbolischen' Denken in der Eucharistielehre." 


III.    Kriterium: Die Intention der lehramtlichen Äußerungen zur "Transsubstantiation"

"Der Begriff 'Transsubstantiation' erscheint bereits vor dem Trienter Konzil in mehreren lehramtlichen Äußerungen in ei-
nem kontroverstheologisch geprägten Kontext: 1215 beim 4. Laterankon
zil (DH 802) in Auseinandersetzung mit Albigen-
sern und Katharern, 1274 beim 2. Konzil von Lyon
(DH 860) im Rahmen der Zurückweisung der Lehren der 'Orientalen',
1341 in dem Schreiben 'Cum
dudum' (DH 1018) von Papst Benedikt XII. gegen die Armenier und 1442 beim Konzil von
Florenz
(DH 1352) ebenfalls in Abgrenzung von einer Position der Armenier."

"Eine eingehende Behandlung erfährt die Transsubstantiationslehre bei den Diskussionen während der 13. Sitzungsperio-
de des Trienter Konzils, die 1551 ihren Abschluß fand... Joseph Wohlmuth hat
aufgezeigt, daß sich die Trienter Konzils-
väter auch in der Eucharistietheologie die Fragestellungen
zwar von den reformatorischen Schriften vorgeben ließen...,
dennoch aber eine eingehende Debatte
über die biblischen und theologiegeschichtlichen Begründungen der eigenen Po-
sition in den Kon
zilsakten dokumentiert ist. Als Ergebnis... hält Wohlmuth fest, daß sich die Konzilsväter gegen eine
dem Inkarnationsgeschehen analoge Begründung der eucharistischen Gegenwart Jesu Christi aussprechen wollten."

In der 1965 erschienenen Enzyklika >Mysterium fidei< (dt. Text: HerKorr 19 (1965) 653-661) hat PAUL VI. die zeit-
lose Bedeutung der Rede von der Transsubstantiation festgestellt, gleichzeitig aber von der Möglichkeit gesprochen, die-
se in wechselnden Sprachgestalten - etwa mit Hilfe der Begriffe "Transsignifikation" oder "Transfinalisation" - auszule-
gen. Die eucharistische "Wesensverwandlung", die eine "ontologisch" neue Wirklichkeit entstehen lasse, schließe den
Gedanken ein, daß Brot und Wein eine neue "Bedeutung" und einen neuen "Zweck" bekomme, "da sie nicht fürderhin
gewöhnliches Brot und gewöhnlicher Trank sind, sondern Zeichen einer heiligen Sache und Zeichen geistlicher Speise"
(ebd. 658).


IV.    Ertrag: Relevanz für den ökumenischen Dialog

Sattler formuliert inbezug auf den ökumenischen Ertrag drei Thesen:

"(1)  Die röm.-katholische Kirche betrachtet die Rede von der 'Transsubstantiation' als einen
        'sehr geeigneten' Begriff zur Umschreibung der 'wesenhaften', die Seinsebene betreffende,
        in ontologischem Sinne zu verstehende 'Wandlung' der Mahlgaben Brot und Wein. Die Ach-
        tung und Wertschätzung dieser Begrifflichkeit steht im Dienst der Verkündigung der realen
        Gegenwart Jesu Christi in der Eucharistie.

(2)    Im Blick auf die unterschiedlichen Begriffe, die sich in der konfessionell geprägten theologi-
        schen Diskussion herausgebildet haben, entspricht es der ökumenischen Methode, den ge-
        schichtlichen Kontext bei der Wahl der Begrifflichkeiten zu erforschen. Eine wohlwollende In-
        terpretation der verwendeten Sprachbilder vermag ihre Leistungsstärke zu erfassen. Vor die-
        sem Hintergrund ist zu sehen, wenn sich in ökumenisch orientierten Beiträgen zur Eucharistie-
        theologie die Praxis gefestigt hat, die jeweiligen Intentionen der unterschiedlichen begriffli-
        chen Redeweisen von der Gegenwart Jesu Christi in der eucharistischen Feier zu ergründen.

(3)    Jede Begrifflichkeit ist darauf angewiesen, daß der intendierte Sinn und die ursprüngliche
        Bedeutung der Wortwahl interpretierend erschlossen werden. Dazu gibt die Enzyklika 'Myste-
        rium fidei im Blick auf die Rede von der 'Transsubstantiation' einige Leitlinien. Neue Rede-
        weisen, die sich in dem von den lehramtlichen Äußerungen gesteckten Rahmen bewegen,
        können eine Hilfe sein bei dem Bemühen, die Glaubenswahrheit in den sich wandelnden
        Verstehenskontexten zu erschließen. Viele Theologen halten in der gegenwärtigen Verkün-
        digungssituation den Rückgriff auf die relationale Ontologie für am ehesten geeignet, die
        mit dem Begriff 'Transsubstantiation' intendierte Aussage einer 'Wesensverwandlung' dem
        gläubigen Bewußtsein nahezubringen. Dabei bedarf es, wie 'Mysterium fidei' zeigt, gewisser
        Ergänzungen und Korrekturen, da eine relationale Ontologie allein nicht alle bei der euchari-
        stischen 'Wesensverwandlung' wichtigen Momente zu erfassen vermag."