Unter dieser Voraussetzung will Neumann "einen Blick werfen auf die gegenwär-
tige evangelische Sakramentenlehre, wie sie sich im deutschsprachigen und
da-
mit vornehmlich lutherisch geprägten Raum darstellt" (237).
Nach wie vor bestehen in der evangelischen Theologie (z.B. bei Albrecht
Peters
und besonders Helmut Thielicke) Vorbehalte dagegen, "Taufe und Abendmahl
unter dem Oberbegriff des Sakraments zusammenzufassen und damit eine ge-
nau bestimmte Zahl von Sakramenten zu benennen" (237). Wenn überhaupt,
so könne der Sakramentsbegriff nur ein nachträglicher Reflexionsbegriff
sein,
"der das zusammenfaßt, was Taufe und Abendmahl gemeinsam haben und
was
sie... in diesem Sinne von allen anderen kirchlichen Zeichenhandlungen unter-
scheidet" (238).
Terminologisch differenziert wird außerdem zwischen "dem einen Sakrament
Christus und den sakramentalen Zeichen", wobei W. PANNENBERG dagegen
zu bedenken gibt, daß "die Zeichenhandlungen der Taufe und des Herrenmah-
les (dann) scharf abgesetzt (werden) von dem Handeln Gottes in Jesus Chri-
stus" (239).
"Gab es zumindest zur Zeit der Reformation noch eine Offenheit des Sakra-
mentsbegriffs auf die Buße hin..., so hat sich innerhalb der gegenwärtigen
evangelischen Theologie faktisch... die Zweizahl der Sakramente durchge-
setzt" (240). Es wird jedoch auch für eine Offenheit der Zahl
der Sakramen-
te plädiert. G. WENZ behandelt Buße, Firmung und Krankensalbung
als "kon-
zentrierte Formen des Taufgedächtnisses". W. PANNENBERG plädiert
für
einen analogen Sakramentsbegriff, in dem dann auch die katholischerseits
als Sakramente bezeichneten Vollzüge ihren Platz haben können.
Inbezug auf die Frage nach der >Einsetzung der Sakramente<
durch Jesus
Christus plädiert U. KÜHN für die Rede von einem >Stiftungszusammenhang<,
in dem sowohl das Handeln des geschichtlichen Jesus wie auch das nachöster-
liche Wirken des Geistes und die Tradition der Urkirche eine Rolle spielen
(241).
Nach H. THIELICKE wird die sakramentale Gnade allein durch das
Wort gege-
ben, während das Zeichen "ein Hinzukommendes, ein bloßes Akzidenz"
ist,
das allein im Sinne einer "pädagogische(n) Verdeutlichung" zu verstehen
ist (243).
Auch da aber, wo "das Sakrament als Einheit von Wort und Zeichen
als gnaden-
vermittelnd angesehen wird,... wird von evangelischer Seite stets die Bedeutung
des Wortes gegenüber dem Zeichen betont, insofern erst durch
das Wort im Sa-
krament dessen sakramentale Zeichenfunktion zur Geltung kommt" (244).
Von evangelischer Seite wird "immer wieder ausdrücklich hervorgehoben,
daß im
Sakrament Gott selbst in Christus handelt, daß Gott darin
in Christus seine Heils-
gabe schenkt, die der Mensch nur im Glauben empfangen kann" (244).
Weitgehend ungeklärt ist aber das Verhältnis der zeichenhaft
das Sakrament
vollziehenden Kirche zum handelnden Gott in Jesus Christus.
Die besondere Betonung der Rolle des Heiligen Geistes innerhalb des sakramen-
talen Geschehens ist für die meisten Entwürfe evangelischer Sakarmentenlehre
heute kennzeichnend.