B. NEUMANN, Was ist ein Sakrament? Überlegungen zum Sakramentsbegriff
    gegenwärtiger evangelischer Theologie aus katholischer und ökumenischer
    Sicht, in: Catholica 51 (1997) 235-254;

Da "die Sakramentalität von Taufe und Abendmahl zwischen den Kirchen nicht
strittig ist und... es hinsichtlich beider Sakramente wesentliche Übereinstimmun-
gen gibt, im Falle der Taufe in der Regel sogar eine gegenseitige Anerkennung,
... ist ein... Grundkonsens hinsichtlich des Sakramentsverständnisses bis zum
Beweis des Gegenteils vorauszusetzen und theologisch entsprechend zu prü-
fen" (236f).

Unter dieser Voraussetzung will Neumann "einen Blick werfen auf die gegenwär-
tige evangelische Sakramentenlehre, wie sie sich im deutschsprachigen und da-
mit vornehmlich lutherisch geprägten Raum darstellt" (237).



1.    Die Frage nach dem Begriff des Sakraments

Nach wie vor bestehen in der evangelischen Theologie (z.B. bei Albrecht Peters
und besonders Helmut Thielicke) Vorbehalte dagegen, "Taufe und Abendmahl
unter dem Oberbegriff des Sakraments zusammenzufassen und damit eine ge-
nau bestimmte Zahl von Sakramenten zu benennen" (237). Wenn überhaupt,
so könne der Sakramentsbegriff nur ein nachträglicher Reflexionsbegriff sein,
"der das zusammenfaßt, was Taufe und Abendmahl gemeinsam haben und was
sie... in diesem Sinne von allen anderen kirchlichen Zeichenhandlungen unter-
scheidet" (238).

Terminologisch differenziert wird außerdem zwischen "dem einen Sakrament
Christus und den sakramentalen Zeichen", wobei W. PANNENBERG dagegen
zu bedenken gibt, daß "die Zeichenhandlungen der Taufe und des Herrenmah-
les (dann) scharf abgesetzt (werden) von dem Handeln Gottes in Jesus Chri-
stus" (239).



2.    Zahl und Einsetzung der Sakramente

"Gab es zumindest zur Zeit der Reformation noch eine Offenheit des Sakra-
mentsbegriffs auf die Buße hin..., so hat sich innerhalb der gegenwärtigen
evangelischen Theologie faktisch... die Zweizahl der Sakramente durchge-
setzt" (240). Es wird jedoch auch für eine Offenheit der Zahl der Sakramen-
te plädiert. G. WENZ behandelt Buße, Firmung und Krankensalbung als "kon-
zentrierte Formen des Taufgedächtnisses". W. PANNENBERG plädiert für
einen analogen Sakramentsbegriff, in dem dann auch die katholischerseits
als Sakramente bezeichneten Vollzüge ihren Platz haben können.

Inbezug auf die Frage nach der >Einsetzung der Sakramente< durch Jesus
Christus plädiert U. KÜHN für die Rede von einem >Stiftungszusammenhang<,
in dem sowohl das Handeln des geschichtlichen Jesus wie auch das nachöster-
liche Wirken des Geistes und die Tradition der Urkirche eine Rolle spielen (241).



3.    Wort und Zeichen

Nach H. THIELICKE  wird die sakramentale Gnade allein durch das Wort gege-
ben, während das Zeichen "ein Hinzukommendes, ein bloßes Akzidenz" ist,
das allein im Sinne einer "pädagogische(n) Verdeutlichung" zu verstehen ist (243).

Auch da aber, wo "das Sakrament als Einheit von Wort und Zeichen als gnaden-
vermittelnd angesehen wird,... wird von evangelischer Seite stets die Bedeutung
des Wortes gegenüber dem Zeichen betont, insofern erst durch das Wort im Sa-
krament dessen sakramentale Zeichenfunktion zur Geltung kommt" (244).



4.    Sakrament als Handeln Gottes

Von evangelischer Seite wird "immer wieder ausdrücklich hervorgehoben, daß im
Sakrament Gott selbst in Christus handelt, daß Gott darin in Christus seine Heils-
gabe schenkt, die der Mensch nur im Glauben empfangen kann" (244).

Weitgehend ungeklärt ist aber das Verhältnis der zeichenhaft das Sakrament
vollziehenden Kirche zum handelnden Gott in Jesus Christus.



5.    Die pneumatologische Dimension des Sakraments

Die besondere Betonung der Rolle des Heiligen Geistes innerhalb des sakramen-
talen Geschehens ist für die meisten Entwürfe evangelischer Sakarmentenlehre
heute kennzeichnend.