Th. FREYER, >Sakrament< - was ist das? in: ThQ 178 (1998) 39-51;

Vor dem Hintergrund der Ausgangsfrage, "ob und inwiefern in den Sakramenten
als 'Zeichen des Glaubens' eine 'authentische' Transzendenz Gottes und dessen
Heils begegnet oder ob sich die Sakramente nicht vielleicht doch darin erschöp-
fen, bloße Zeichen der gesellschaftlichen Entfremdung zu sein, also letztlich Sym-
bole, die sich lückenlos in den Kreislauf menschlicher Bedürfnisbefriedigung und
eines schrankenlosen Konsumverhaltens einreihen" (40),

formuliert der Gießener systematische Theologe seine im folgenden noch zu
erläuternde und an JOSEF WOHLMUTH anknüpfende sakramententheologische
Grundthese:

"Sakramente sind nicht primär Selbst- und Lebensvollzüge  der Kirche, son-
dernWandlungsimpuls der Kirche, deren gnadenhafte Vorgabe. Als 'Zeichen'
des Glaubens konfrontieren sie die versammelte Gemeinde (und den einzel-
nen inihr) mit einer 'Nähe' Jesu Christi, die den Zirkel des Konsums und der
Bedürfnisbefriedigung durchbricht und die (bzw. den) Beteiligten zum selbst-
losenDienst am Nächsten befreit."(41)



I.    "Sakrament" als "Selbstvollzug"

Die unter der Perspektive der "anthropologischen Wende" heute oftmals vorge-
nommene Interpretation des Sakramentes als eines "menschlichen Selbstvollzu-
ges ist für Freyer diskussionswürdig und diskussionsbedürftig.



II.    "Sakrament" im Fragehorizont der "Spätmoderne 'nach Auschwitz'"

Vor dem Hintergrund einer "Spätmoderne nach Auschwitz" ergibt sich für die
Sakramentenlehre nach Freyer:

1.     Es "legt sich eine Öffnung des philosophischen Denkmodells des 'Selbst-
        vollzugs' für ein Verständnis menschlicher Subjektivität nahe, dessen
        Brennpunkt der Andere in seiner irreduziblen Andersheit ist und nicht
        die Sorge um das eigene Ich, dessen Bedürfnisbefriedigung. Der 'Andere'...
        nicht etwa als Spiegelbild des eigenen Selbst (alter ego), sondern als der-
        jenige, dessen 'Nähe' mir - noch 'vor' aller Identität mit mir selbst, 'vor'
        allen Selbstvollzügen - im buchstäblichen Sinn des Wortes 'auf den Leib
        rückt'." (47)

2.     Sie "wird ihre besondere Aufmerksamkeit der Idolkritik zuwenden, wie sie
        von seiten Adornos, aber nicht minder nachdrücklich auch von Levinas her
        laut wird. Die idolkritische Rückfrage ist deshalb sakramententheologisch
        von erheblicher Tragweite, weil sie sich in der Traditon des jüdischen Bil-
        derverbots, der Wahrung der Transzendenz Gottes bewegt, die... auch für
        die neutestamentliche Auffassung von Jesus Christus als Ebenbild Gottes
        maßgebend bleibt" (47).