Perry Schmidt-Leukel, Gott ohne Grenzen. Eine christliche
und pluralistische Theologie der Religionen, Gütersloh 2005;

Der vor einigen Jahren in Deutschland habilitierte und nunmehr an der Universität Glasgow auf einem Lehr-
stuhl für "Weltreligionen und Friede" tätige Perry Schmidt-Leukel ist inzwischen der renommierteste und
engagierteste deutschsprachige Vertreter einer sogenannten pluralistischen Religionstheologie aus christlicher
Perspektive. Mit dem hier zu besprechenden Buch legt er eine umfassende und beeindruckende Orientierung
zu dieser Thematik vor, welche sehr dazu angetan ist, Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Konzeption
aufzuzeigen. Eine kurze Einführung informiert zunächst über die rund 20jährige Genese der pluralistischen
Religionstheologie sowie in einer kurzen Skizze über den Gedankengang des vorliegenden Buches.

Der ERSTE TEIL enthält sodann eine gut lesbare, übersichtliche und sehr systematisch aufgebaute Darstel-
lung dessen, worum es der pluralistischen Religionstheologie geht und wie diese zu verstehen ist. Zunächst
grenzt der Autor - und das ist offenbar aufgrund von Erfahrungen, Unterstellungen und Missverständnissen
sehr notwendig - das Anliegen der pluralistischen Religionstheologie ausdrücklich und sehr klar von jeder
Art eines postmodernen Relativismus ab. Demnach gehe es der pluralistischen Religionstheologie nicht
darum, jeden Wahrheitsanspruch aufzugeben, um dann auf billige Weise jegliche religiöse Richtung
als prinzipiell gleichgültig anzusehen,
sondern es werde mit Thomas von Aquin daran festgehalten, dass
Theologie - mithin auch Religionstheologie - eine Wissenschaft sei, die konsequenterweise einen Wahrheits-
anspruch erhebt, welcher rational vertret- und kontrollierbar sei (31-33). In einer christlichen Theologie der
Religionen, gehe es dabei um "eine möglichst plausible Erklärung für das..., was uns in der Welt der Religio-
nen konkret begegnet"
(33), genauer: um eine Beantwortung der Doppelfrage: "Wie versteht und beurteilt das
Christentum andere Religionen?"
und "Wie versteht und beurteilt das Christentum sich selbst angesichts der
anderen Religionen?"
(34).

Aus dogmatischer Sicht sei dabei zu fragen, inwieweit es eine Heilsbedeutung auch nichtchristlicher Religio-
nen gebe (35-37), und aus praktischer Perspektive, wie den Anhängern und Anhängerinnen anderer Religio-
nen zu begegnen sei (38-42). Wenn immer man aber der Auffassung sei, dass Religionen untereinander nicht
vollständig und grundsätzlich unvergleichbar seien, komme es darauf an, Kriterien zur Beurteilung von
Weltanschauungen bzw. Religionen zu entwickeln und diese dann auch anzuwenden. Solche Kriterien sollten
nach Schmidt-Leukel rational, ethisch und soteriologisch orientiert sein (43). Vor dem Hintergrund, dass -
mit John Hick - "die Umwandlung der menschlichen Existenz von der Selbstzentriertheit zur Zentriertheit auf
das Wirkliche" das gemeinsame zentrale Thema von Religionen sei (48), formuliert er als ein erstes (soterio-
logisch orientiertes) Kriterium zur Beurteilung von Religionen - und zwar erneut John Hick zitierend - "Der
Wert religiöser Traditionen und ihrer verschiedenen Elemente... bemißt sich daran, ob sie die erlösende
Transformation fördern oder behindern" (49). Allerdings bedürfe "es weiterer Kriterien, die als Indikatoren
dafür fungieren... ob sich die heilshafte Transformation tatsächlich vollzieht" (49). Im übrigen seien "die
Kriterien hierfür den Religionen selbst zu entnehmen, jedoch nicht ihrem je spezifischen Sondergut, sondern
dem, was sie verbindet, weil nur so eine interreligiöse Anerkennung dieser Kriterien gewährleistet ist" (49).
Der Vergleich zwischen Religionen solle nun so stattfinden: In einem ersten Schritt sei "danach zu fragen,
von welchen Kriterien... die Akzeptanz der eigenen Religion getragen ist" (52). In einem zweiten Schritt seien
"nach denselben Kriterien die Heils- und Wahrheitsansprüche anderer Religionen zu beurteilen" (52) und in
einem dritten Schritt sei "schließlich nach der Übereinstimmung und der Verschiedenheit zwischen den
innerhalb des Christentums und den in den anderen Religionen zur Anwendung kommenden Kriterien zu fra-
gen" (53). Ein solcher Prozess sei "langwierig und mühevoll, denn er setzt voraus, sich mit den Augen ande-
rer sehen zu lernen" (53).

In einer sehr schlüssigen Darlegung erläutert der Autor danach das religionstheologische Dreierschema (Ex-
klusivismus, Inklusivismus, Pluralismus), legt überzeugend dar, dass dieses logisch umfassend ist, und setzt
sich in lucider und überzeugender Weise mit diversen Einwänden hiergegen auseinander. EXKLUSIVIS-
MUS aus der Perspektive des Christentums bzw. christlicher Exklusivismus besagt demnach, "dass sich
heilshafte Offenbarung/Transzendenzerkenntnis nur innerhalb des Christentums findet" (69). Christlicher IN-
KLUSIVISMUS besagt, "dass sich heilshafte Offenbarung/Transzendenzerkenntnis in defizitärer Form auch
in nichtchristlichen Religionen findet" (69). Christlicher PLURALISMUS schließlich besagt, "dass sich
heilshafte Offenbarung/Transzendenzerkenntnis innerhalb nichtchristlicher Religionen und innerhalb des
Christentums findet, ohne dass hierbei eine der unterschiedlichen Formen, in denen sie bezeugt und vermittelt
wird, alle anderen überragt" (70). Wichtig ist, dass Schmidt-Leukel an dieser Stelle noch weiter differen-
ziert. So stellt er fest, dass ihm niemand bekannt sei, der die Gleichwertigkeit aller Religionen behaup-
te, mithin also einen umfassenden religiösen Pluralismus behaupte. Christliche Pluralisten unterschieden
sich untereinander vielmehr darin, für einzelne oder ggf. mehrere Religionen die Gleichwertigkeit mit dem
christlichen Glauben zu behaupten, "gegenüber bestimmten Erscheinungsformen von Religion oder quasireli-
giösen Weltanschauungen (aber) eine exklusivistische oder auch inklusivistische Haltung einzunehmen" (70).

Kommentar: Bis zu diesem Punkt erscheint die Darlegung des Buches als eine ausgesprochen solide Beschrei-
bung und Differenzierung dessen, wie religionstheologisch argumentiert und bewertet werden kann. Auch
und gerade das religionstheologische Dreierschema leuchtet ein als ein differenziertes Bewertungsschema im
Kontext der Religionstheologie. Angesichts dessen, dass Kriterien bzw. ein Verfahren zur Bewertung unter-
schiedlicher Religionen aus der Perspektive des christlichen Glaubens benannt wurden, könnte man sich vor-
stellen, dass diese Kriterien nun im Hinblick auf einzelne oder mehrere Religionen hin angelegt sowie als Er-
gebnis ein exklusivistisches, inklusivistisches oder pluralistisches Verständnis im Hinblick auf diese Religion
formuliert würde. Offen und ungeklärt bleibt freilich dabei die Frage, was denn eine pluralistische Perspekti-
ve gegenüber einer anderen Religion inhaltlich tatsächlich bedeuten könnte. Müsste nicht die nach eingehen-
der Betrachtung aller Kriterien gewonnene Einschätzung, dass eine Religion in gleichwertiger Weise Offen-
barung bzw. Transzendenzerkenntnis vermittele wie der christliche Glaube, bedeuten, dass entweder Offen-
barung und Transzendenzerkenntnis identisch sind (dann wären es aber nicht unterschiedliche Religionen,
sondern bestenfalls eine Religion, die unterschiedlich inkulturiert ist) oder aber Offenbarung und Transzen-
denzerkenntnis sich inhaltlich einander ergänzen? Letzteres freilich widerspräche christlichem Selbstver-
ständnis, das bekanntlich davon ausgeht, dass die Offenbarung Gottes in Jesus Christus für uns Menschen ab-
solut vollständig und schlechthin unüberbietbar ist. Der von (christlichen) Religionspluralisten - auch von
Schmidt-Leukel - in diesem Zusammenhang regelmäßig in massiver Weise vorgetragene Hinweis auf die

auch im Christentum sehr ausgepägte Tradition einer negativen Theologie, deren Vertreter und Vertreterin-
nen sich dessen bewusst seien, dass der transzendente Gott für Menschen nie vollständig, wenn überhaupt, zu
erkennen sei, übersieht, dass die christliche Tradition sehr wohl und sehr genau differenziert zwischen der
grundsätzlichen Unbegreiflichkeit Gottes (im Sinne des nie vollständig zu erlangenden Begreifens Gottes
durch den Menschen) einerseits wie der für das Begreifen von Menschen in einem Höchstmaß erfolgten
Offenbarung dieses Gottes in Jesus Christus andererseits. Da bleibt für eine von Jesus Christus bzw.
durch ihn ergangene Offenbarung inhaltlich verschiedene und angeblich doch gleichwertige Offenba-
rung dieses einen Gottes auf andere Weise aus christlicher Sicht logisch einfach kein Platz. Dies nicht
einzusehen und stattdessen über Jahre hinweg das Gegenteil zu behaupten, ist das größte Manko christlicher
Religionspluralisten im Hinblick auf das Verständnis der eigenen christlichen Tradition.

In der Folge geht Schmidt-Leukel nunmehr in umfassender Weise auf die einzelnen Elemente dieses Dreier-
schemas in ihrer historischen Ausprägung und systematischen Relevanz ein. Exklusivismus, Inklusivismus
und Pluralismus verändern dabei allerdings den ihnen zuvor zugeschriebenen Charakter. Während sie ein-
gangs dem Leser vorgestellt wurden als rein kognitiv anzuwendende religionstheologische Kategorisie-
rungen zur Bestimmung des jeweiligen Verhältnisses einer Religion zu einer oder mehreren anderen
,
die sinnvollerweise nach Anwendung einer Reihe von rationalen Kriterien vorzunehmen sei, werden sie
nunmehr - der Wechsel geschieht intransparent und damit unwissenschaftlich - zu generalisierten Haltun-
gen, die sich für das Verhältnis des christlichen Glaubens zu anderen Religionen angeblich historisch

relativ genau festmachen und durch den Autor moralisierend einschätzen lassen. Dabei geraten - wen
wundert dies bei der Präferenz des Autors - die christliche Haltung des Exklusivismus und des Inklusivismus
gegenüber anderen Religionen in ständige Nähe von Gewaltexzessen und anderen moralischen Verwerflich-
keiten, während einzig der religiöse Pluralismus selbstredend als ethisch hochstehend bzw. religionspolitisch
korrekt und modern dargestellt wird.

So kann das Ergebnis dieses Durchgangs nicht verwundern, dass da lautet, dass exklusivistische "Ansprüche
auf die Alleingültigkeit des Christentums und inklusivistische Ansprüche auf singuläre Überlegenheit... zuneh-
mend unglaubwürdig geworden"
seien (163) (warum eigentlich?) und dass sowohl Exklusivismus als auch
Inklusivismus "an erheblichen und vermutlich nicht zu behebenden Problemen" kranken, so dass nur der Plu-
ralismus "zu einer genuinen Wertschätzung religiöser Vielfalt in der Lage" sei sowie schließlich "allein der
Pluralismus dem Umstand Rechnung (trage), dass nach dem Kriterium der >Früchte des Geistes< eine Über-
legenheit der christlichen Vermittlung heilshafter Transzendenzerkenntnis nicht erkennbar ist, sondern zumin-
dest die großen religiösen Traditionen in dieser Hinsicht ebenbürtig zu sein scheinen" (190f).  

Kommentar: Was aber ist das für eine eigenartige "Argumentation"? Sie liegt etwa auf der Linie dessen, dass
man behauptete, in der Mathematik sei die exklusivistische Aussage, dass nur vier die Summe von zwei plus
zwei sei, angesichts dessen, dass es darum mal Streit gegeben habe und dabei ein Schüler schwer verletzt
worden sei, nunmehr untragbar geworden; um weiteren potentiellen Gewaltexzessen aus dem Weg zu gehen,
sollte nun stattdessen besser eine mathematik-pluralistische Auffassung eingenommen werden: Da in einer
Klassenarbeit von den Schülern die Zahlen 3 bis 7 als Ergebnis für die Additionsaufgabe 2+2 vorgeschlagen
worden seien, werde man dieser Vielfalt nur gerecht, indem man alle diese Zahlen als in gleichem Maße

richtige Ergebnisse anerkenne. Was für eine seltsame - und letztlich Oberflächlichkeit demonstrierende - Ka-
tegorienverwechslung von Wahrheitsanspruch und Respektierung der Meinungsvielfalt!

Der Leser fragt sich an dieser Stelle auch: Woher weiß der Autor denn, dass gerade "die großen religiösen
Traditionen" "dem christlichen Glauben ebenbürtig" sind? Dies wäre doch - an Hand der benannten Kriterien
 - gerade erst zu erarbeiten und nachzuweisen.
Und im übrigen: warum eigentlich nur diese? Ist es nicht wo-
möglich moralisch höchst verwerflich und einem (wirklich engagierten) religiösen Pluralismus höchst zu-

widerlaufend, nur den großen religiösen Traditionen Ebenbürtigkeit zuzusprechen, nicht aber irgendwelchen
Stammesreligionen aus Schwarzafrika oder auch politischen Fanatismen wie dem Nationalsozialismus? Oder
- um im obigen Beispiel zu bleiben - warum sollen nur die Zahlen 3 bis 7 als gleichwertige Ergebnisse für
die Additionsaufgabe 2+2 anerkannt und nicht etwa 9, 12 oder 14, die von keinem oder vielleicht nur einem

Schüler als Ergebnis benannt wurden? Entscheidet etwa die bloße Mehrheit der Anhänger darüber, welche
(religiöse oder mathematische) Auffassung die richtige ist? Dann hätte dem christlichen Glauben am Beginn
seines Entstehens überhaupt kein Wahrheitsanspruch zugebilligt werden brauchen.

Wenn es aber tatsächlich so ist, wie Schmidt-Leukel oben ausgeführt hat, dass nach einer Reihe von Kriterien
in einem umfassenden interreligiösen Dialog zu erarbeiten sei, welche Haltung aus christlicher Perspektive
gegenüber einzelnen anderen Religionen einzunehmen sei, wieso kennt Schmidt-Leukel dann das Ergebnis
schon vorher, wieso weiß er dann bereits an dieser Stelle, dass die großen religiösen Traditionen "dem christ-

lichen Glauben ebenbürtig" sind? Hat er ein Geheimwissen, dass er niemandem offenbart? Hat er mit Vertre-
tern aller anderen Religionen alle hierzu notwendigen Kriterien schon entwickelt und im "langwierigen und
mühevollen"
Prozess (s.o.) des interreligiösen Dialogs diese bereits abgearbeitet, der Öffentlichkeit dies nur

nicht mitgeteilt? Dies ist nicht sehr wahrscheinlich. So liegt jedenfalls der Verdacht nahe, dass es dem Autor
letztlich nicht - wie von ihm vorgegeben - um die Entscheidung der religiösen Wahrheitsfrage geht, sondern
allein oder doch vorrangig darum, denjenigen interreligiösen Mitdiskutanten Willfährigkeit und Entgegen-
kommen zu demonstrieren, die ihm tagtäglich im interreligiösen Dialog gegenübersitzen, die anderen aber
geflissentlich zu übersehen. 


Sollten aber tatsächlich Exklusivismus und Inklusivismus "an erheblichen und vermutlich nicht zu beheben-
den Problemen" kranken bzw. exklusivistische "Ansprüche auf die Alleingültigkeit des Christentums und in-
klusivistische Ansprüche auf seine singuläre Überlegenheit... zunehmend unglaubwürdig geworden" sein
(163), warum nimmt dann selbst der christliche Religionspluralist gegenüber einzelnen Religionen und Welt-
anschauungen eine (doch vermeintlich rückständige) exklusivistische bzw. inklusivistische Haltung ein (John
Hick/70)? Wäre es dann nicht konsequenter, dass der christliche Religionspluralist, um religionspolitisch völ-

lig korrekt zu handeln, einen undifferenzierten religiösen Pluralismus gegenüber allen anderen Weltan-
schauungen und Religionen einnähme und damit die Wahrheitsfrage für die Religionen auf postmo-
derne Weise eben doch suspendierte? Ein bisschen Wahrheit und daneben ein bisschen religionspolitische
Willfährigkeit geht eben nicht. Das größte Manko des Buches wie vielleicht des religionspluralistischen An-

satzes überhaupt ist es, dass die religiöse Wahrheitsfrage auf moralisierende Weise mit der Frage nach
einer angemessenen oder religionstheologisch korrekten Haltung gegenüber Andersgläubigen ver-
mischt wird.


Die Frage sei nun allerdings, so Schmidt-Leukel weiter und mit Recht, "ob eine pluralistische Position über-
haupt eine christliche Möglichkeit" darstelle (191), ob also - mit John Hick gesprochen - noch als >christ-
lich< zu formulieren legitim sei: "der Glaube, dass es eine unbedingte, transzendente Wirklichkeit gibt, die
die Quelle und der Grund von allem ist; dass diese Wirklichkeit in Bezug auf das menschliche Leben gut ist;
dass sich die universale Gegenwart dieser Wirklichkeit auf menschliche Weise widerspiegelt (>inkarniert<)
im Leben der großen spirituellen Leitgestalten der Welt; und dass wir unter diesen in Jesus unsere hauptsäch-
liche Offenbarung dieser Wirklichkeit sowie den hauptsächlichen Wegweiser für unser Leben gefunden ha-
ben" (191).

Der ZWEITE TEIL beschäftigt sich sodann und daraufhin mit den "Voraussetzungen einer christlichen und
pluralistischen Theologie der Religionen". Als grundlegende Voraussetzung für eine pluralistische Theologie
der Religionen wird hier mit Verweis auf John Hick zunächst die Tatsache benannt, dass "in allen großen re-
ligiösen Traditionen dieser Welt auf je eigene Weise bekräftigt (wird), dass es eine letzte transzendente Wirk-
lichkeit gibt, die in ihrer Transzendenz alles menschliche Begreifen und alle menschlichen Beschreibungsver-
suche übersteigt" (206).

Kommentar: Aus logischen Gründen offensichtlich unzutreffend ist jedoch die hieraus gefolgerte These, dass
es sich "bei dem, was die großen Religionen über die transzendente Wirklichkeit sagen, nicht um gegensätzli-

che und einander ausschließende Beschreibungen handeln (kann), sondern um unterschiedliche sprachliche
Annäherungen an eine Wirklichkeit, die nach Auffassung dieser Religionen jede Beschreibbarkeit übersteigt"
(206). Unzulässig ist diese Folgerung deshalb, weil aus rein formallogischen Gründen aus der Tatsache, dass
"in allen großen religiösen Traditionen" dieser Welt eine nicht vollständige Beschreibbarkeit der "letzten
transzendenten Wirklichkeit" behauptet wird, nicht notwendig folgt, dass die faktisch vorgenommenen Be-
schreibungen der transzendenten Wirklichkeit nicht gegensätzlich oder einander ausschließend sein könnten.
Natürlich können sie das; und dies wird - um ein Beispiel zu nennen - ganz einfach daran deutlich, dass z.B.

George W. Bush die letzte transzendente Wirklichkeit als eine solche beschreibt, die darauf aus sei, dass der
US-Amerikaner in ihrem Namen die von Bush als solche definierte "Achse des Bösen" bzw. die "Schurken-
staaten" vernichte, während bereits andere Christen hierzu das Gegenteil behaupten. Natürlich werden also -
unbeschadet der weithin anerkannten These, dass die letzte transzendente Wirklichkeit nicht vollständig vom

Menschen zu begreifen bzw. zu beschreiben sei (was eigentlich Besonderes ist das schon? gilt dies nicht auch
schon vom Elektron oder vom Menschen?) - gegenteilige Beschreibungen der letzten transzendenten Wirk-

lichkeit vorgenommen, diese werden mit Wahrheitsansprüchen versehen, und sie werden dann spirituell wie
politisch in hohem Maße handlungsleitend. Hiervor die Augen zu verschließen und stattdessen die Behaup-
tung von gegensätzlichen Wahrheitsansprüchen abfällig als "Tendenzen einer Dogmatisierung" zu diffamie-
ren (207), ist nicht nur naiv und undurchdacht, sondern widerspricht dem vom Autor eingangs seiner Schrift
(31-35) selbst erhobenen Wahrheitsanspruch für die Theologie. Oder gilt etwa für Schmidt-Leukel: Theolo-
gische Wahrheitsansprüche dürfen lediglich christliche Religionspluralisten erheben, nicht aber exklusivis-
tisch oder inklusivistisch denkende bzw. argumentierende christliche Theologen?

Eine weitere sehr seltsame Feststellung des Autors besagt, dass sowohl Inklusivisten als auch Pluralisten
"grundsätzlich mit der Existenz religiöser Qualitätsunterschiede" rechnen bzw. dass keineswegs "alle (religiö-
sen) Formen gleichermaßen gültig oder wirksam oder akzeptabel sind." "Wie Inklusivisten nehmen (also)
auch Pluralisten an, dass es bei den Religionen Unterschiede hinsichtlich der Qualität ihrer Vermittlung
heilshafter Transzendenzerkenntnis gibt". Woher wissen aber dann die Pluralisten, "dass nicht eine einzige
Religion als die allen anderen überlegene Religion hervorsticht"? (alle Zitate S. 261) Sie wissen es, weil sie
es als erwiesen ansehen, dass "unter dem Aspekt ihrer Heilswirksamkeit, also ihrem Potential zur Beförderung
der menschlichen Heilssituation... allem menschlichen Ermessen nach keine unter ihnen (d.s. die großen reli-
giösen Traditionen) (gibt), die den heilshaften Prozess auf eine optimalere und deutlich effizientere Weise be-
günstigt hätte als alle anderen. Keine der großen Religionen... (habe) sich diesbezüglich als die allen ande-
ren überlegene erwiesen" (266f).

Kommentar: Dies wäre aber doch erst gerade zu zeigen. Wo gibt es einen  Beweis hierfür? Nirgends. Es
scheint also bloße Setzung, bloßer Positivismus, auf dem die pluralistische These hier beruht. Außerdem:

Hier geht es lediglich um ein Argument der historischen Effizienz. Das kann aber als Argument für die
Wahrheit der Transzendenzerkenntnismöglichkeit durch eine Religion keinesfalls ausreichen. Denn: Denkbar
ist es sehr wohl, dass es eine religiöse Tradition bzw. eine Religion gibt, die von ihrer Zugangsweise auf die
transzendente Wirklichkeit alle Voraussetzungen erfüllt, auf außergewöhnlich positive Weise Heilserfahrung
den Menschen zu ermöglichen, dass es aber lediglich ungünstigen gesellschaftlichen, politischen, historischen
oder kulturellen Bedingungen zuzuschreiben ist, dass diese Entfaltung nicht oder nur schlecht gelungen ist.
(Oder um im obigen Beispiel zu bleiben: Allein aus der Tatsache, dass jener Schüler, der für die Additions-

aufgabe 2+2 4 als Ergebnis angibt, gleichzeitig der größte Schläger der Klasse ist, folgt noch nicht, dass sei-
ne Antwort falsch oder nicht sogar die einzig richtige ist.) Um eine abschließende Beurteilung der potentiel-
len Heilsqualität einer Religion vorzunehmen, genügt es mithin keinesfalls, auf die faktische Heilsentwick-

lung zu schauen und diese zu beurteilen, selbst wenn man angemessene Raster für eine solche Beurteilung
fände. Der religionspluralistische Standpunkt, der sich allein auf diese bezieht, steht mithin auf sehr sehr
wackligem Terrain. Auch die im Anschluss daran formulierte These, dass "weder im Hinblick auf die theore-
tischen Lehren der Religion noch unter praktischen und historischen Aspekten Anlass für die Annahme (beste-
he), dass nur eine einzige unter ihnen (d.s. die Religionen) die günstigsten Voraussetzungen für den heilshaf-
ten Transformationsprozess" (268) biete, erscheint als munter aus der Luft gegriffen, und ist genau jenes,
was vielleicht in einem interreligiösen Dialog allererst zu untersuchen wäre.


Der DRITTE TEIL des Buches informiert kenntnisreich über historische und systematische Aspekte des Ver-
hältnisses des christlichen Glaubens zu den anderen großen religiösen Traditionen. Hierbei wird jeweils zum
Abschluss der Auseinandersetzung dargelegt, in welche Richtung ein christlich-pluralistisches Religionsver-
ständnis im Hinblick auf diese religiöse Richtung zu denken wäre. Knackpunkte im Verhältnis zum Judentum
bleiben demnach die Interpretation Jesu, im Verhältnis zum Islam das Offenbarungsverständnis und die Wür-
digung Muhammads, hinsichtlich des Hinduismus sind es die Einschätzung des Kastensystems und erneut der
Inkarnation Gottes, bzgl. des Buddhismus sind es die unterschiedlichen Interpretationen der Wirklichkeit un-
ter der Perspektive der Vergänglichkeit und der interpersonalen Bezogenheit, sowie die unterschiedlichen In-
terpretationen der transzenten Wirklichkeit und ihrer Inkarnationsmöglichkeiten in der Welt.

Alles in allem zeigt sich, dass die sogenannte religionspluralistische These noch vielfältiger Klärungen
und vor allem schlüssigerer Argumentationen bedarf, bevor sie ansatzweise ernstgenommen werden
kann. Vielleicht freilich löst sie sich bei genauerem Hinsehen und Nachdenken aber auch in Luft auf.

Herbert Frohnhofen 10. Oktober 2005