W.-D. HAUSCHILD/V. H. DRECOLL, Pneumatologie in
der Alten Kirche (traditio Christiana 12) Bern u.a. 2004;

Dieses Buch hat alle Voraussetzungen, ein Standardwerk der Pneumatologie zu werden. Es ist eine in über 30
Jahren entstandene Sammlung zentraler Texte altkirchlicher Pneumatologie, dargestellt jeweils im Originaltext
und in deutscher Übersetzung. Dazu kommen diverse Register, ein Abkürzungs- sowie ein umfangreiches und
gut gegliedertes Literaturverzeichnis. Besonders instruktiv ist aber die Einleitung, die einen knappen und doch
sehr informativen Bogen spannt, um hierin eingeordnet die Bedeutung der einzelnen hiernach zitierten Texte
auf bestmögliche Weise ermessen zu können. Hierbei wird u.a. deutlich, dass ein großer Teil der zitierten Re-
flexionen über Wesen und Wirken des Heiligen Geistes einer Zeit entstammen, in der es eine explizite Lehre
über den Heiligen Geist noch gar nicht gibt - also aus der Zeit vor Origenes bzw. den im 4. Jahrhundert auf-
kommenden Abhandlungen "Über den Heiligen Geist". Mithin mussten diese Texte vielfach aus den Schrif-
ten der antiken Kirchenschriftsteller mühsam herausdestilliert und gesammelt werden. Anachronistisch und
aufgrunddessen ein wenig belustigend wirkt freilich die mehrfache Verwendung der Kategorie Frühkatho-
lizismus, insbesondere natürlich dort, wo sie zusätzlich sie mit dem Begriff des "Moralismus" kombiniert
wird (XIX). Aus der Einleitung wird aber im wesentlichen folgendes klar:

Die ursächlich mit der Auferstehung Jesu Christi verbundene Erfahrung der Gegenwart des Heiligen Geistes
unter den Christen - verstanden als Pfingstereignis - wird von Beginn an als Zeichen der Endzeit sowie als
eschatologische Erfüllung der Weissagung aus Joel 3,1 verstanden, nach der Gott seinen Geist ausgießen und
alle Angehörigen des Volkes Israel zur prophetischen Rede befähigen werde. Demnach - so erläutern die Au-
toren - "stehen, wenn man die historische Faktizität betrachtet, nicht ein markantes Ereignis der Geistsendung
oder eine spezifische Erfahrung der Geistesgegenwart (wie Apg 2,1-13,14-41 suggeriert)
am Anfang der ur-
christlichen Pneumatologie als deren Grundlage. Vielmehr ergeben sich - nur teilweise auf
dem Hintergrund
ekstatischer, enthusiastischer oder prophetischer Phänomene - pneumatologische Aussa
gen als Deutungska-
tegorien, um die Situation der Christenheit zu qualifizieren"
(XI). Da Paulus überdies die prophetische Tra-
dition mit der ebenfalls im Judentum begegnenden Vorstellung von der eschatologischen Erneuerung des
Menschen gemäß Jer 31,31ff; Jes 36,26f verknüpft, seien die wesentlichen Komponenten
der späteren Pneumatologie bereits im Neuen Testament vorhanden (XII).

Die Pneumatologie des 2. Jahrhunderts vor Irenäus kennt den Heiligen Geist noch nicht als eigens bedach-
tes Thema, sondern entwickelt pneumatologische Vorstellungen im Hinblick auf zwei konkrete Themenberei-
che: (1) Geist und Geschichte (Hl. Schrift und Kirche) und (2) Geist und Mensch (Erleuchtung, Heiligung,
Begnadung). Grundlegende Voraussetzung beider ist die Auffassung, "daß dieser Geist eine Element des gött-
li
chen Wirkens ist bzw. zu Gottes Wesen gehört" (XII). Erst mit IRENÄUS kommen folgende Aspekte stär-
ker in den Blick: (1) Der transzendente Gott vermittelt sich dem Menschen als (Heiliger) Geist, insbesondere
in der Gestalt des auf einzigartige Weise geistbegabten Jesus Christus; diese "Geistchristologie" bilde zusam-
men mit dem seit ca. 160 verbreiteten Axiom "Gott ist Geist" und der Taufpraxis den rudimentären Ansatz
einer Trinitätslehre, welche erst bei ORIGENES systematisch entfaltet wird; (2) der göttliche Geist ermög-
licht dem Menschen die Erkenntnis einer Wahrheit, die dem natürlichen Vermögen des Menschen nicht ge-
geben ist; dieses Geistwirken gilt besonders Auserwählten oder der Kirche in ihrer Gesamtheit und wird im
2./3. Jahrhundert die hauptsächliche Form der pneumatologischen Reflexion; (3) in Verbindung damit und
im Anschluss an Gen 2,7 wird der Mensch gedeutet als ein solcher, der einen gnadenhaften Bezug zu Gott
aufweist, welcher durch das Heilswerk Jesu Christi noch geformt wird; (4) hingegen wird eine kosmologi-
sche Funktion, etwa im Sinne einer Schöpfungsbeteiligung des Heiligen Geistes im 2./3.Jahrhundert noch
nicht erwähnt (XIIf).

Die im 2. Jahrhundert notwendigen Abgrenzungen gegen das Judentum, die hellenistisch-römische Phi-
losophie, die Gnosis und den Montanismus führen neben der Fixierung kirchlicher Verfassung und Normen
zu einer Konzentration auf das Problem der Wahrheitserkenntnis. Deshalb gewinnt die Lehre von der Schrift-
inspiration höchste Bedeutung, aber auch die Prophetie und die Frage danach, wer die Schrift authentisch
auslegt. Mit IRENÄUS begegnet die Kirche dieser Krisensituation mit einer institutionalisierten Bindung
des Geistwirkens an Bibel und Kirche: "Wo die Kirche ist, dort ist auch Gottes Geist; und wo Gottes Geist
ist,
dort ist die Kirche und alle Gnade; der Geist aber ist die Wahrheit" (XVIII). Damit werden die Glie-
der der Kirche die wahren Pneumatiker. "Vollkommenes Menschsein ist demnach (nach Irenäus) nur in
der
Kirche realisierbar, weil nur dort Gottes Geist als Kraft der Neuschöpfung wirkt" (XVIII). Mit ähnli-
cher Zielrichtung versteht dann auch KLEMENS VON ALEXANDRIEN die Geistmitteilung an die Chris-
ten als eine "Erleuchtung, die fortan ihre Existenz prägt: Christsein bedeutet ein ständiges Werden, eine An-
eignung der
Taufgnade, eine Wesensveränderung, ein Leben in der Wahrheit, ein Fortschreiten in Richtung
auf das Ziel,
die Bestimmung zur Gottebenbildlichkeit durch Erkenntnis und Handeln zu realisieren" (XIX).

Die detailliert entwickelte Pneumatologie des ORIGENES bindet das Charisma des Geistbersitzes im vol-
len Maße nicht bereits an die Taufe, sondern spricht dieses nur jenen Christen zu, "die durch den Heiligen
Geist er
leuchtet werden und die einen geistgemäßen Lebenswandel führen." So ist der volle Geistbesitz "ein
Charis
ma: der Geist der Weisheit als Gabe des Heiligen Geistes. Sie befähigt zum Aufstieg in die Welt Got-
tes, in
dem der Heilige Geist den erkennenden Menschen gnadenhaft emporführt zu einer pneumatischen Ex-
istenz,
die andererseits in ethischer Hinsicht durch einen geistgemäßen Lebenswandel mit ständigem Kampf
des
Geistes gegen das Fleisch ermöglicht wird" (XXI). Im 4. Jahrhundert scheint es die Bestreitung der
Gottheit des Heiligen Geistes durch die Pneumatomachen
(etwa seit 357) zu sein, die der Pneumatolo-
gie neuen Auftrieb bringt: "Nun entfaltet Athanasius im Zusammenhang der Trinitätstheologie gegen die
'Tropiker' die
Pneumatologie mit einer konsequent exegetischen Fundierung, integriert in die Christologie
und die Soteri
ologie. Der Heilige Geist, welcher den Gläubigen in den biblischen Offenbarungsworten
und in der geistli
chen Erfahrung begegnet, ist identifiziert als Geist Christi und Geist Gottes: Der Vater
wirkt alles durch den
Logos im Geist, nicht nur im Heilswerk, sondern auch in der Schöpfung" (XXIII).

Nach Vorarbeiten von BASILIUS und GREGOR VON NAZIANZ bildet die Entscheidung des Konzils
von Konstantinopel 381
"dadurch einen Abschluss der Lehrentwicklung, daß die Pneumatologie nunmehr
in die Gottes
lehre aufgenommen wird" (XXVI). Die Entscheidung des Konzils drückt "die innertrinitari-
sche Stellung
des Geistes so aus, daß seine wesenhafte Zugehörigkeit zu Gott... ebenso klar ist wie seine
soteriologische
und revelatorische Funktion... Damit erhalten die seit dem 2. Jahrhundert begegnenden
pneumatologischen
Grundelemente eine definitive Fixierung: Die Wahrheitserkenntnis und die neue Ex-
istenz des Menschen,
das Sein der Kirche und die Hoffnung auf das Heil gründen sich in der Kraft des
Heiligen Geistes, wel
cher Gott ist" (XXVI). AUGUSTINUS schließlich erläutert den Heiligen Geist, als
jene göttliche Kraft, die den Menschen von innen heraus in eine Bewegung auf Gott hin bringt.
Kennzeichen der wahren Kirche ist die Gemeinschaft in der Liebe, die mit der Gegenwart des Heiligen
Geistes in ihr identisch ist. Der Geist selbst wird innertrinitarisch als die Liebesbewegung zwischen Gott
Vater und Sohn verstanden; er ist das gemeinsame, das Verbindende zwischen beiden.

Eine ausgeprochen hilfreiche Sammlung von Texten zur Pnematologie der Alten Kirche wurde hier vor-
gelegt, ebenso unspektakulär wie solide, ebenso unparteisch wie informativ. Den Herausgebern ist für ih-
re jahrzehntelange Arbeit sehr zu danken.

Herbert Frohnhofen, 11. August 2006