Die ursächlich mit der Auferstehung Jesu Christi verbundene Erfahrung
der Gegenwart des Heiligen Geistes
unter den Christen - verstanden als Pfingstereignis - wird von Beginn an
als Zeichen der Endzeit sowie als
eschatologische Erfüllung der Weissagung aus Joel 3,1 verstanden,
nach der Gott seinen Geist ausgießen und
alle Angehörigen des Volkes Israel zur prophetischen Rede befähigen
werde. Demnach - so erläutern die Au-
toren - "stehen, wenn man die historische Faktizität betrachtet,
nicht ein markantes Ereignis der Geistsendung
oder eine spezifische Erfahrung der Geistesgegenwart (wie Apg 2,1-13,14-41
suggeriert) am Anfang der ur-
christlichen Pneumatologie als deren Grundlage. Vielmehr ergeben sich -
nur teilweise auf dem Hintergrund
ekstatischer, enthusiastischer oder prophetischer Phänomene - pneumatologische
Aussagen als Deutungska-
tegorien, um die Situation der Christenheit zu qualifizieren" (XI).
Da Paulus überdies die prophetische Tra-
dition mit der ebenfalls im Judentum begegnenden Vorstellung von der eschatologischen
Erneuerung des
Menschen gemäß Jer 31,31ff; Jes 36,26f verknüpft, seien
die wesentlichen Komponenten
der späteren Pneumatologie bereits im Neuen Testament vorhanden
(XII).
Die Pneumatologie des 2. Jahrhunderts vor Irenäus kennt den
Heiligen Geist noch nicht als eigens bedach-
tes Thema, sondern entwickelt pneumatologische Vorstellungen im Hinblick
auf zwei konkrete Themenberei-
che: (1) Geist und Geschichte (Hl. Schrift und Kirche) und (2) Geist und
Mensch (Erleuchtung, Heiligung,
Begnadung). Grundlegende Voraussetzung beider ist die Auffassung, "daß
dieser Geist eine Element des gött-
lichen Wirkens ist bzw. zu Gottes Wesen gehört" (XII).
Erst mit IRENÄUS kommen folgende Aspekte stär-
ker in den Blick: (1) Der transzendente Gott vermittelt sich dem Menschen
als (Heiliger) Geist, insbesondere
in der Gestalt des auf einzigartige Weise geistbegabten Jesus Christus;
diese "Geistchristologie" bilde zusam-
men mit dem seit ca. 160 verbreiteten Axiom "Gott ist Geist" und
der Taufpraxis den rudimentären Ansatz
einer Trinitätslehre, welche erst bei ORIGENES systematisch entfaltet
wird; (2) der göttliche Geist ermög-
licht dem Menschen die Erkenntnis einer Wahrheit, die dem natürlichen
Vermögen des Menschen nicht ge-
geben ist; dieses Geistwirken gilt besonders Auserwählten oder der
Kirche in ihrer Gesamtheit und wird im
2./3. Jahrhundert die hauptsächliche Form der pneumatologischen Reflexion;
(3) in Verbindung damit und
im Anschluss an Gen 2,7 wird der Mensch gedeutet als ein solcher, der einen
gnadenhaften Bezug zu Gott
aufweist, welcher durch das Heilswerk Jesu Christi noch geformt wird; (4)
hingegen wird eine kosmologi-
sche Funktion, etwa im Sinne einer Schöpfungsbeteiligung des Heiligen
Geistes im 2./3.Jahrhundert noch
nicht erwähnt (XIIf).
Die im 2. Jahrhundert notwendigen Abgrenzungen gegen das Judentum,
die hellenistisch-römische Phi-
losophie, die Gnosis und den Montanismus führen neben der Fixierung
kirchlicher Verfassung und Normen
zu einer Konzentration auf das Problem der Wahrheitserkenntnis. Deshalb
gewinnt die Lehre von der Schrift-
inspiration höchste Bedeutung, aber auch die Prophetie und die Frage
danach, wer die Schrift authentisch
auslegt. Mit IRENÄUS begegnet die Kirche dieser Krisensituation mit
einer institutionalisierten Bindung
des Geistwirkens an Bibel und Kirche: "Wo die Kirche ist, dort ist auch
Gottes Geist; und wo Gottes Geist
ist, dort ist die Kirche und alle Gnade; der Geist aber ist die
Wahrheit" (XVIII). Damit werden die Glie-
der der Kirche die wahren Pneumatiker. "Vollkommenes Menschsein ist
demnach (nach Irenäus) nur in
der Kirche realisierbar, weil nur dort Gottes Geist als Kraft der
Neuschöpfung wirkt" (XVIII). Mit ähnli-
cher Zielrichtung versteht dann auch KLEMENS VON ALEXANDRIEN die Geistmitteilung
an die Chris-
ten als eine "Erleuchtung, die fortan ihre Existenz prägt:
Christsein bedeutet ein ständiges Werden, eine An-
eignung der Taufgnade, eine Wesensveränderung, ein Leben in
der Wahrheit, ein Fortschreiten in Richtung
auf das Ziel, die Bestimmung zur Gottebenbildlichkeit durch Erkenntnis
und Handeln zu realisieren" (XIX).
Die detailliert entwickelte Pneumatologie des ORIGENES bindet das
Charisma des Geistbersitzes im vol-
len Maße nicht bereits an die Taufe, sondern spricht dieses nur jenen
Christen zu, "die durch den Heiligen
Geist erleuchtet werden und die einen geistgemäßen Lebenswandel
führen." So ist der volle Geistbesitz "ein
Charisma: der Geist der Weisheit als Gabe des Heiligen Geistes. Sie
befähigt zum Aufstieg in die Welt Got-
tes, indem der Heilige Geist den erkennenden Menschen gnadenhaft emporführt
zu einer pneumatischen Ex-
istenz, die andererseits in ethischer Hinsicht durch einen geistgemäßen
Lebenswandel mit ständigem Kampf
des Geistes gegen das Fleisch ermöglicht wird" (XXI). Im
4. Jahrhundert scheint es die Bestreitung der
Gottheit des Heiligen Geistes durch die Pneumatomachen (etwa seit 357)
zu sein, die der Pneumatolo-
gie neuen Auftrieb bringt: "Nun entfaltet Athanasius im Zusammenhang der
Trinitätstheologie gegen die
'Tropiker' die Pneumatologie mit einer konsequent exegetischen Fundierung,
integriert in die Christologie
und die Soteriologie. Der Heilige Geist, welcher den Gläubigen
in den biblischen Offenbarungsworten
und in der geistlichen Erfahrung begegnet, ist identifiziert als Geist
Christi und Geist Gottes: Der Vater
wirkt alles durch den Logos im Geist, nicht nur im Heilswerk, sondern
auch in der Schöpfung" (XXIII).
Nach Vorarbeiten von BASILIUS und GREGOR VON NAZIANZ bildet die Entscheidung
des Konzils
von Konstantinopel 381 "dadurch einen Abschluss der Lehrentwicklung,
daß die Pneumatologie nunmehr
in die Gotteslehre aufgenommen wird" (XXVI). Die Entscheidung
des Konzils drückt "die innertrinitari-
sche Stellung des Geistes so aus, daß seine wesenhafte Zugehörigkeit
zu Gott... ebenso klar ist wie seine
soteriologische und revelatorische Funktion... Damit erhalten die
seit dem 2. Jahrhundert begegnenden
pneumatologischen Grundelemente eine definitive Fixierung: Die Wahrheitserkenntnis
und die neue Ex-
istenz des Menschen, das Sein der Kirche und die Hoffnung auf das
Heil gründen sich in der Kraft des
Heiligen Geistes, welcher Gott ist" (XXVI). AUGUSTINUS schließlich
erläutert den Heiligen Geist, als
jene göttliche Kraft, die den Menschen von innen heraus in eine
Bewegung auf Gott hin bringt.
Kennzeichen der wahren Kirche ist die Gemeinschaft in der Liebe, die mit
der Gegenwart des Heiligen
Geistes in ihr identisch ist. Der Geist selbst wird innertrinitarisch als
die Liebesbewegung zwischen Gott
Vater und Sohn verstanden; er ist das gemeinsame, das Verbindende zwischen
beiden.
Eine ausgeprochen hilfreiche Sammlung von Texten zur Pnematologie der
Alten Kirche wurde hier vor-
gelegt, ebenso unspektakulär wie solide, ebenso unparteisch wie informativ.
Den Herausgebern ist für ih-
re jahrzehntelange Arbeit sehr zu danken.
Herbert Frohnhofen, 11. August 2006