Karl-Heinrich Ostmeyer, Kommunikation mit Gott und Christus. Sprache
und Theologie des Gebetes im Neuen Testament (WUNT 197) Tübingen 2006;

Im Unterschied zu zahlreichen bereits vorliegenden Untersuchungen, die sich dem Inhalt der im Neuen
Testament enthaltenen Gebete zuwenden, ist es die Absicht dieser bereits im Frühjahr 2003 als Habili-
tationsschrift von der theologischen Fakultät der Universität Leipzig angenommenen Arbeit, das Gebet
als Kommunikationsgeschehen selbst im Neuen Testament zu betrachten. Denn wie "jedes kommunika-
tive Geschehen", so der Autor in der Einleitung, habe das "Beten... nicht nur einen Inhaltsaspekt, son-
dern... (sei) zugleich Ausdruck der Beziehung zwischen den Kommunizierenden. (Denn:) Ein Gebet
spiegelt das Verhältnis zwischen den Betenden und dem Adressaten des Gebets" (1). Ziel der Arbeit sei
es, "das Wesentliche der Gebetsauffassungen der Autoren des Neuen Testaments (zu) erschließen" (39).
In einer ausführlichen Darstellung der Forschungsgeschichte mit detaillierten Angaben zu Werken von
rund 20 Autoren aus über 100 Jahren auch zur Umwelt des Neuen Testamentes kommt der Autor zum
Ergebnis, "dass 'Gebet' weder auf auf eine oder mehrere Gattungen beschränkt noch durch konkrete De-
finitionen in allen seinen Erscheinungsformen erfasst werden kann" (28). Neuere Analysen hätten sich
auf ein Gebet oder auf einen Autor und sein Gebetsverständnis beschränkt; das Bedürfnis nach einer
"Gesamtschau" bleibe gleichwohl bestehen (29).

In sechs ausführlichen Kapiteln widmet sich der Autor sodann den "unumstrittenen Paulusbriefen", den
"deuteropaulinischen Briefen und dem Hebräerbrief", den "katholischen Briefen (ohne Johannesbriefe)",
den "Synoptikern und der Apostelgeschichte", dem "Johannesevangelium und den Johannesbriefen" so-
wie der "Offenbarung des Johannes". Jedes dieser Kapitel geht von den verwendeten Termini aus und
zeichnet deren Bedeutung in den verschiedenen Schriften detailliert nach. Ein kurzes Resümee beschließt
die einzelnen Kapitel oder auch Unterabschnitte und informiert z.B. darüber, dass ein "gläubiger
Christ im paulinischen Sinne... gar nicht nicht beten" kann (117), dass die "Rede vom Gebet im Ephe-
serbrief... für einen neuen Schritt in der Entwicklung des Christentums (steht) - die Trennung von Got-
tesdienst und Alltag" (135) oder dass im ersten Petrusbrief das "Ausharren im Leiden bedeutet, sein
(d.i. Gottes) Kommunikationsangebot anzunehmen und an der von Gott mit der Leidenssendung be-
gonnenen Kommunikation zu partizipieren" (199).

Im Ganzen kommt Ostmeyer zu dem Ergebnis, dass die "verbindende Gemeinsamkeit (der neutestament-
lichen Schriften)... jedenfalls nicht in der neutestamentlichen Kommunikationsterminologie (liegt), denn
eine typisch christliche, einheitliche Begrifflichkeit hat das Neue Testament nicht ausgeprägt" (364).
Charakteristisch für alle Schriften des Neuen Testamentes sei vielmehr die Bindung gelingender Kom-
munikation mit Gott an Christus
, wobei eben durchaus auch Beispiele misslingender Kommunikation
mit Gott zur Sprache kommen (z.B. in Mt 6,5.7 und Lk 18,11f.14). Dabei sind es zwei "Grundtypen der
Kommunikationsdarstellung",
die in den neutestamentlichen Schriften begegnen: (1) der Weg zur Kom-
munikation mit Gott, und (2) die Existenz in der Kommunikation mit Gott. Es geht also zum einen - und
dies vor allem in den Evangelien - darum, dass und wie die Kommunikation mit Gott durch Christus er-
öffnet wird. Die "übrige Literatur des Neuen Testaments (setzt) das abgeschlossene Heilswerk Christi"
voraus, so dass es "um das Praktizieren und um die Sicherung der Kommunikation" mit Gott geht und
sich die Gebetsterminologie entsprechend ändert (365). Für beide Situationen gilt aber gleichermaßen:
Die "Kommunikation mit Gott ist das Ziel; der Weg zu diesem Ziel führt über Christus" (369).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die vorliegende Arbeit eine der detailliertesten und ge-
nauesten zur Thematik ist. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und verschiedene Register verhelfen
dazu, dass sehr effizient mit ihm gearbeitet werden kann.

Herbert Frohnhofen, 1. Oktober 2011