Theologie-Systematisch
Pneumatologie
0. Einführendes/Allgemeines
Texte-Allgemein

"Das wahre Feuer, der Heilige Geist, ist von Christus in die Welt gebracht worden.
Er hat es nicht den Göttern entrissen, so wie es nach dem griechischen Mythos Pro- metheus tat, sondern er ist zum Vermittler der 'Gabe Gottes' geworden, indem er sie für uns durch die größte Liebestat der geschichte erlangt hat: durch seinen Tod am Kreuz.

Gott will dieses 'Feuer' weiterhin allen Generationen von Menschen schenken und natürlich ist er frei, dies zu tun, wie und wann er will. Er ist Geist, und der Geist
'weht, wo er will' (vgl. Joh 3,8). Es gibt jedoch einen 'normalen Weg', den Gott
selbst gewählt hat, um'Feuer auf die Erde zu werfen': Dieser Weg ist Jesus, sein eingeborener Sohn, der Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist."

(P. Benedikt XVI., Predigt zum Pfingstfest am 31. Mai 2009,
in: L'Osservatore Romano 23/2009, 6)


Wenn man sich das Zeugnis von Schrift und Überlieferung vor Augen hält, kann
man unschwer vier Dimensionen des Themas Heiliger Geist erkennen.

1. Da ist zuerst die Aussage, die uns vom Anfang des Schöpfungsberichts her ent- gegenkommt: Er erzählt uns von dem Schöpfergeist, der über den Wassern schwebt, die Welt erschafft und immer wieder erneuert. Glaube an den Schöpfergeist ist ein wesentlicher Inhalt des christlichen Credo. Daß die Materie mathematische Struk-
tur in sich trägt, geisterfüllt ist, ist die Grundlage, auf der die moderne Naturwis-
senschaft beruht. Nur weil Materie geistig strukturiert ist, kann unser Geist sie nachdenken und selbst gestalten. Daß diese geistige Struktur von dem gleichen Schöpfergeist kommt, der auch uns Geist geschenkt hat, bedeutet Auftrag und Verantwortung zugleich. Im Schöpfungsglauben liegt der letzte Grund unserer Verantwortung für die Erde. Sie ist nicht einfach unser Eigentum, das wir ausnüt-
zen können nach unseren Interessen und Wünschen. Sie ist Gabe des Schöpfers,
der ihre inneren Ordnungen vorgezeichnet und uns damit Wegweisungen als Treu- händer seiner Schöpfung gegeben hat. Daß die Erde, der Kosmos, den Schöpfer-
geist spiegeln, bedeutet auch, daß ihre geistigen Strukturen, die über die mathe- matische Ordnung hinaus im Experiment gleichsam greifbar werden, auch sittli-
che Weisung in sich tragen. Der Geist, der sie geformt hat, ist mehr als Mathema-
tik – er ist das Gute in Person, das uns durch die Sprache der Schöpfung den Weg
des rechten Lebens zeigt.

Weil der Glaube an den Schöpfer ein wesentlicher Teil des christlichen Credo ist,
kann und darf sich die Kirche nicht damit begnügen, ihren Gläubigen die Botschaft des Heils auszurichten. Sie trägt Verantwortung für die Schöpfung und muß diese Verantwortung auch öffentlich zur Geltung bringen. Und sie muß dabei nicht nur
die Erde, das Wasser und die Luft als Schöpfungsgaben verteidigen, die allen ge- hören. Sie muß auch den Menschen gegen die Zerstörung seiner selbst schützen. Es muß so etwas wie eine Ökologie des Menschen im recht verstandenen Sinn geben.
Es ist nicht überholte Metaphysik, wenn die Kirche von der Natur des Menschen als Mann und Frau redet und das Achten dieser Schöpfungsordnung einfordert. Da geht es in der Tat um den Glauben an den Schöpfer und das Hören auf die Sprache der Schöpfung, die zu mißachten Selbstzerstörung des Menschen und so Zerstörung von Gottes eigenem Werk sein würde. Was in dem Begriff „Gender“ vielfach gesagt und gemeint wird, läuft letztlich auf die Selbstemanzipation des Menschen von der Schöp- fung und vom Schöpfer hinaus. Der Mensch will sich nur selber machen und sein Ei- genes immer nur selbst bestimmen. Aber so lebt er gegen die Wahrheit, lebt gegen
den Schöpfergeist. Die Regenwälder verdienen unseren Schutz, ja, aber nicht weni-
ger der Mensch als Geschöpf, dem eine Botschaft eingeschrieben ist, die nicht Ge- gensatz zu unserer Freiheit, sondern ihre Bedingung bedeutet. Große Theologen der Scholastik haben die Ehe, die lebenslange Verbindung von Mann und Frau als Schöpfungssakrament bezeichnet, das der Schöpfer selbst eingesetzt und das Chris-
tus dann – ohne die Schöpfungsbotschaft zu verändern – in die Heilsgeschichte als Sakrament des Neuen Bundes aufgenommen hat. Zur Verkündigungsaufgabe der Kirche gehört das Zeugnis für den Schöpfergeist in der Natur als Ganzer und gera-
de auch in der Natur des gottebenbildlichen Menschen. Von da aus sollte man die Enzyklika „Humanae vitae“ neu lesen: Papst Paul VI. ging es darin darum, die Lie-
be gegen Sexualität als Konsum, die Zukunft gegen den Alleinanspruch der Gegen-
wart und die Natur des Menschen gegen ihre Manipulation zu verteidigen.


2. Nur noch ein paar kurze Andeutungen zu den anderen Dimensionen der Pneu- matologie. Wenn der Schöpfergeist sich zunächst in der schweigenden Größe des
Alls, in seiner geistigen Struktur zeigt, so sagt uns der Glaube darüber hinaus das Überraschende, daß dieser Geist sozusagen auch in Menschenwort redet, in die Geschichte eingetreten und als geschichtsgestaltende Kraft auch sprechender Geist ist, ja, Wort, das uns in den Schriften des Alten und des Neuen Testaments begeg-
net. Was das für uns bedeutet, hat der heilige Ambrosius in einem Brief wunder-
bar ausgedrückt: „Auch jetzt ergeht sich Gott im Paradies, während ich die gött-
lichen Schriften lese“ (ep 49, 3). Die Schrift lesend können wir gleichsam auch
heute im Paradiesesgarten Gottes herumgehen und dem dort wandernden Gott begegnen: Zwischen dem Thema des Weltjugendtags in Australien und dem The-
ma der Bischofssynode besteht ein tiefer innerer Zusammenhang. Die beiden The-
men Heiliger Geist und Wort Gottes gehören zusammen. Die Schrift lesend lernen
wir aber auch, daß Christus und der Heilige Geist untrennbar voneinander sind.
Wenn Paulus dramatisch zugespitzt sagt: „Der Herr ist der Geist“ (2 Kor 3, 17),
so erscheint nicht nur hintergründig die trinitarische Einheit von Sohn und Heili-
gem Geist, sondern vor allem ihre heilsgeschichtliche Einheit: In der Passion und Auferstehung Christi werden die Schleier der bloßen Buchstäblichkeit zerrissen
und die Gegenwart des jetzt sprechenden Gottes sichtbar. Die Schrift mit Christus lesend lernen wir, die Stimme des Heiligen Geistes in den Menschenworten zu hö-
ren, und entdecken die Einheit der Bibel.

3. Damit sind wir schon bei der dritten Dimension der Pneumatologie angelangt,
die eben in der Untrennbarkeit von Christus und Heiligem Geist besteht. Vielleicht
am schönsten erscheint sie im Bericht des heiligen Johannes über die erste Erschei- nung des Auferstandenen vor der Jüngergemeinschaft: Der Herr haucht die Jünger an und schenkt ihnen so den Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist der Atem Christi. Und wie Gottes Atem am Schöpfungsmorgen den Lehm zum lebendigen Menschen gemacht hatte, so nimmt uns Christi Atem in die Seinsgemeinschaft mit dem Sohn
auf, macht uns zu neuer Schöpfung. Deshalb ist es der Heilige Geist, der uns mit
dem Sohn sagen läßt: „Abba, Vater!“ (Joh 20, 22; Röm 8, 15).

4. So ergibt sich als vierte Dimension der Zusammenhang von Geist und Kirche
ganz von selbst. Paulus hat in 1 Kor 12 und Röm 12 die Kirche als Leib Christi
und gerade so als Organismus des Heiligen Geistes geschildert, in dem die Ga-
ben des Heiligen Geistes die einzelnen zu einem lebendigen Ganzen zusammen-
formen. Der Heilige Geist ist der Geist des Leibes Christi. Im Ganzen dieses Lei-
bes finden wir unsere Aufgabe, leben wir füreinander und voneinander, zutiefst
von dem lebend, der für uns alle gelebt und gelitten hat und uns durch seinen
Geist an sich zieht zur Einheit aller Kinder Gottes. „Willst auch du vom Geist
Christi leben? So sei im Leib Christi“, sagt Augustinus dazu (Joh 26, 13).

So wird mit dem Thema Heiliger Geist, das die Tage in Australien und hinter-
gründig die Wochen der Synode prägte, die ganze Weite des christlichen Glau-
bens sichtbar, die von der Verantwortung für die Schöpfung und da schöpfungs- gemäße Sein des Menschen über die Themen Schrift und Heilsgeschichte zu
Christus führt und von da aus in die lebendige Gemeinschaft der Kirche hinein,
in ihre Ordnungen und Verantwortungen wie in ihre Weite und Freiheit, die sich
in der Vielzahl der Charismen ebenso wie im pfingstlichen Bild von der Vielzahl
der Sprachen und Kulturen ausdrückt.

Zum Fest gehört die Freude, hatten wir gesagt. Das Fest kann man organisieren,
die Freude nicht. Sie kann nur geschenkt werden, und sie ist uns geschenkt wor-
den in reichem Maß: Dafür sind wir dankbar. Wie Paulus die Freude als Frucht
des Heiligen Geistes kennzeichnet, so hat auch Johannes in seinem Evangelium
Geist und Freude ganz eng miteinander verknüpft. Der Heilige Geist schenkt uns
die Freude. Und er ist die Freude. Die Freude ist die Gabe, in der alle anderen
Gaben zusammengefaßt sind. Sie ist Ausdruck für das Glück, für das Einssein
mit sich selbst, das nur aus dem Einssein mit Gott und mit seiner Schöpfung kom-
men kann. Zum Wesen der Freude gehört es, daß sie ausstrahlt, daß sie sich mit-
teilen muß. Der missionarische Geist der Kirche ist nichts anderes als der Drang,
die Freude mitzuteilen, die uns geschenkt wurde. Daß sie in uns allezeit lebendig
sei und so auf die Welt in ihren Drangsalen ausstrahle, das ist meine Bitte am En-
de dieses Jahres. Verbunden mit dem herzlichen Dank für all Ihr Mühen und Wir-
ken wünsche ich Ihnen allen, daß diese von Gott kommende Freude uns auch im
neuen Jahr reichlich geschenkt werde."

(P. Benedikt XVI., Ansprache an das Kardinalskollegium und die Mitglieder der
Römischen Kurie beim Weihnachtsempfang, in: L'Osservatore Romano 1/2009, 5)

"Wo der Mensch sich vom guten Geist ergriffen weiß, da kann er... nur dankend vor
Gott niederfallen
und nicht genug darüber staunen, dass er aus der Knechtschaft sün-
dig verkehrten Wollens gerettet
und in die Lage versetzt ist, das Gute gern zu tun."


(J. Werbick, Gott verbindlich. Eine theologische Gotteslehre, Freiburg/Bg. 2007, 465)