R. Konersmann (Hg.), Wörterbuch der philosophischen Metaphern, Darmstadt 2007;

Dieses umfangreiche und ästhetisch geschmackvoll aufgemachte Buch von rund 570 Seiten hat - wie der Her-
ausgeber im Vorwort schreibt  - "einen einfachen, klar bestimmten Zweck. Es erläutert die Funktion von Sprach-
bildern in der Entfaltung des Denkens und des Wissens" (7). Und zwar dem Ziele nach durchaus auch für eine
"sprachinteressierte Öffentlichkeit" (7). Dabei hat es als solches - trotz des in der Vergangenheit mehrfach an-
gemahnten Bedarfes (Vico, Sulzer, Kant) - bislang keinerlei Vorgänger, betritt also unbeackertes Neuland. Mit
besonderem Hinweis erwähnt K. jedoch Hans Blumenberg, der vor 50 Jahren begonnen hat, philosophisch ver-
wendete Metaphern zu erforschen und hierbei auch die Frage stellte, "welche Voraussetzungen denn überhaupt
den Durchsetzungserfolg und die Beharrungskraft der einschlägigen Sprachbilder in Philosophie und Wissen-
schaften begünstigen" (11). Dabei geht K. davon aus, dass Metaphern und Begriffe in der philosophischen Spra-
che nicht in einem Konkurrenz- sondern Ergänzungsverhältnis zueinander stehen und gesehen werden sollten.
Die Metapher selbst "fungiert als Regelverstoß, der sein Potential im Gebrauch ausspielt, also über die Aufmerk-
samkeitserregung in der sprachlichen, durch Konvention stabil gehaltenen Umgebung" (14). Metaphern erken-
nen wir mithin daran, "daß sie stören, daran also..., daß Metaphern 'normalerweise falsch' sind" (14). In einer
schönen Wendung des Herausgebers sind sie "Erzählungen, die sich als Einzelwort maskieren" (17). Dargestellt
werden im Wörterbuch genau vierzig Metaphern, und dies weil "die Ziffer (?/gemeint ist wohl die Zahl) vierzig
semantischen Mehrwert und in diesem Sinne Signalcharakter hat" (17). So unterstreicht diese - in gewissem Sin-
ne - willkürlich vorgenommene Festlegung auf die Zahl, dass eine genaue Abgrenzung, welche Metaphern auf-
zu
nehmen wären und welche nicht, nicht möglich ist; Vollständigkeit ist also nicht zu erreichen. Gleichwohl
werden vier
zig interessante Metaphern von unterschiedlichen Wissenschaftlern in alphabetischer Reihenfolge
erläu
tert und auf einige ausgewählte wollen wir hier Bezug nehmen.

HARTMUT BÖHME, der die Metapher Berg erläutert, macht zu Beginn darauf aufmerksam, dass es vor al-
lem die Religionen sind, in denen diese eine überragende Rolle spielt. Es entspreche der Tatsache, dass der
Mensch sich zum Hominiden aufgerichtet habe ("homo erectus"), so B., dass es von frühester Geistesgeschich-
te an "eine nahezu kulturunabhängige Konstante (sei), daß das Gute, Edle, Schöne, Wahre, Herrscherliche,
aber auch das Reine und Göttliche oben und deren Gegenteile unten angesiedelt werden" (47). Deshalb stre-
be auch der Geist nach oben, die Materie aber nach unten. Berg-Gipfel seien mithin seit jeher Symbole der
Vergeistigung. Dabei sind sie auch unwirtlich, unzivilisiert, Schrecken erregend und abweisend; gleichzeitig
repräsentieren sie aber das Göttliche, das Heilige. Sie fungieren als "kosmische Marker" (49), d.h. sie trennen
Himmel und Erde, die durch sie auseinandergehalten werden, sie gelten als entrückte "Wohnorte, Residenzen
oder Versammlungsorte der (höchsten) Götter" (51) und sie erweisen sich als "Offenbarungsorte, entlegene
und schwer erreichbare Stätten der Kommunikation mit den Göttern" (52). Berge, die nicht Berge der Götter
oder der göttlichen Offenbarung sind, stehen aber auch als Orte der Wildnis oder des Schreckens. Schließlich
kön
nen sie - etwa im Zuge des Tourismus - auch zu Zeugen des Paradieses, der Erholung, ja der Freiheit wer-
den.
So kommt ihre Erhabenheit zur Geltung, das Besondere, das Großartige.

Der Ausdruck "Bilden" bzw. "Bildung", so erläutern KÄTE MEYER-DRAWE und EGBERT WITTE, ist
eine spezifisch deutsche Wortschöpfung. Die jüdisch-christliche Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit des
Menschen steht im Hintergrund, aber auch die Vorstellungen des Prägens einer Münze, des Siegels im Wachs
oder die Beschriftung von blankem Papier. Einen expliziten Zusammenhang zwischen der Gottebenbildlichkeit
und der Bildung des Menschen stellen aber erst Philosophen, Theologen und Mystiker im Mittelalter her. Ge-
bildet, so Meister Eckhart, wird der Mensch, indem er durch "Entbildung" für Gott frei wird. Gegenüberge-
stellt wird der Gottebenbildlichkeit die (als geringer eingeschätzte) Ähnlichkeit gegenüber Gott. Augustinus
etwa "reserviert imago für die vernunftbegabten Geschöpfe wie Engel und Menschen, während similitudo al-
len Geschöpfen, selbst den nicht mit Vernunft ausgestatteten, zukommt" (66). Hugo von St. Viktor bringt die
durch die Erbsünde geschädigte Menschennatur ins Spiel und lehrt, dass die Bildung, insbesondere das höch-
ste Wissen der Philosophie, dazu diene, diese Natur zu reparieren. Die Vorstellung, sich selbst zu bilden, ist be-
reits in der Antike vorgeprägt, kommt dann aber erst wieder im 19. Jahrhundert im sogenannten Neuhumanis-
mus zur Geltung.

Schlafen und Träumen, so die Ausführungen von THOMAS MACHO, stehen von der Frühgeschichte an in
Konkurrenz zum Wachen, und zwar zu einem Wachen, das aufmerksam halten muss gegenüber Feind und Ge-
fahr. Dies führt dazu, dass der Tiefschlaf eine Errungenschaft erst der moderneren Entwicklung ist. Schlafen
und Träumen steht - von Platons Höhlengleichnis angefangen - für eine Schatten- und Bilderhöhle, in der das
wahre Leben nicht erkannt und deshalb nicht gefunden werden kann. Die Philosophen sind deshalb die guten
und tüchtigen Wächter, welche ihr Volk notfalls mit Zwang ans Licht befördern müssen. Der Träumende hat
zwar seine eigene Welt, die er mit niemandem teilen muss; doch sie hat keine Realität, ist imaginär und hat -
so Sartre - keine Freiheit. Die Grenze zwischen Tag- und Nachtträumen wird in der Literatur oft überschritten;
oft ist Gott der Urheber des Traums bzw. derjenige, der sich mittels des Traumes dem Menschen offenbart. In
Asklepios-Tempeln wurden Schlafkuren durchgeführt, anschließend die erlebten Träume durch professionelle
Deuter auf das individuelle Leben hin gedeutet. In der mittelalterlichen Theologie gelten Träume als Werk der
Phantasie, damit als von minderer Qualität und Bedeutung. Die Parallelität zwischen Schlaf und Tod wird viel-
fach aufgezeigt.

Nun, was ist aus diesen wenigen Beispielen zu entnehmen? In den Artikeln - hier besonders im zweiten und
dritten Beispiel - wird nicht nur die Metapher als Metapher erläutert, sondern vieles an Informationen vermit-
telt, was auch in einem Begriffslexikon (z.B. zum Begiff "Bildung") oder in einem informierenden Sachbuch
(z.B. über Schlaf und Traum) zu finden ist. Anders als etwa in dem Artikel "Berg", in dem sehr klar die me-
taphorische Verwendung des Begriffs herausgehoben und erläutert wird, finden sich solche Aussagen in den
beiden übrigen hier angeschauten Artikeln eher am Rande oder zwischen den Zeilen. Der Charakter des Bu-
ches bzw. die im Vorwort ausführlich beschriebenen, mit dem Buch verbundenen Intentionen hätten mithin
mindestens zum Teil noch etwas deutlicher herausgehoben und die einzelnen Artikel prägen können.

Herbert, Frohnhofen, 1. Oktober 2007