Theologie-Systematisch
Mariologie
§ 4. Systematische Aspekte
Texte Assumpta

"Aber jetzt fragen wir uns: Was gibt die Aufnahme Mariens in den Himmel unserem Weg, unse-
rem Leben? Die erste Antwort lautet: In der Aufnahme Mariens in den Himmel sehen wir, daß in
Gott Raum ist für den Menschen. Gott selbst ist das Haus mit den vielen Wohnungen, von dem Je-
sus spricht (vgl. Joh 14,2); Gott ist das Haus des Menschen, in Gott gibt es Raum Gottes. Und Ma-
ria, die sich mit Gott vereint, mit Gott vereint ist, entfernt sich nicht von uns, geht nicht in eine fer-
ne Galaxie; vielmehr ist, wer zu Gott geht, uns nahe, weil Gott uns allen nahe ist, und Maria, die
mit Gott vereint ist, hat teil an der Gegenwart Gottes, ist uns sehr nahe, einem jeden von uns.

Es gibt ein schönes Wort des hl. Gregor des Großen über den hl. Benedikt, das wir auch auf Maria
anwenden können: Der hl. Gregor der Große sagt, daß das Herz des hl. Benedikt so groß geworden
ist, daß die gesamte Schöpfung in dieses Herz hineinpaßte. Das gilt noch mehr für Maria: Maria, die
völlig mit Gott vereint ist, hat ein so großes Herz, daß die ganze Schöpfung in dieses Herz hineinpaßt,
und die Votivgaben in allen Teilen der Welt zeigen das. Maria ist nahe, kann zuhören, kann helfen,
sie ist uns allen nahe. In Gott ist Raum für den Menschen, und Gott ist nahe, und Maria, die mit Gott
vereint ist, ist sehr nahe, sie hat ein Herz, das so weit ist wie das Herz Gottes.

Aber da ist auch der andere Aspekt: Es ist nicht nur in Gott Raum für den Menschen; im Menschen
ist Raum für Gott. Auch das sehen wir in Maria, der heiligen Lade, die die Gegenwart Gottes trägt.
In uns ist Raum für Gott, und diese Gegenwart Gottes in uns, die so wichtig ist, um der Welt in ihrer
Traurigkeit, in ihren Problemen Licht zu schenken, diese Gegenwart wird im Glauben verwirklicht:
Im Glauben öffnen wir die Türen unseres Daseins, damit Gott in uns hineinkommt, damit Gott die
Kraft sein kann, die unserem Dasein Leben und Weg schenkt. In uns ist Raum, öffnen wir uns, wie
Maria sich geöffnet hat, indem wir sagen: 'Dein Wille möge verwirklicht werden, ich bin die Magd
des Herrn.' Wenn wir uns Gott öffnen, verlieren wir nichts. Im Gegenteil: Unser Leben wird reich
und groß."

(P. Benedikt XVI., Predigt am 15. August 2012, in: L'Osservatore Romano 34/2012, 7)