Theologie-Systematisch
Heilige und andere
Glaubensvorbilder
Johannes
von Damaskus
Texte
"In
Erinnerung geblieben sind von ihm im Orient vor allem die drei 'Reden gegen
die Verleumdung
der heiligen Bilder' die
nach seinem Tod auf dem ikonoklastischen Konzil von Hiereia verurteilt wur-
den (754). Gerade diese
Reden waren aber auch der Hauptgrund für seine Rehabilitierung und Hei-
ligsprechung durch die
zum Zweiten Konzil von Nizäa (787), dem siebten Ökumenischen Konzil,
ver-
sammelten orthodoxen Konzilsväter.
In diesen Texten lassen sich die ersten bedeutenden theologi-
schen Versuche zur Rechtfertigung
der Verehrung der heiligen Bilder ausmachen, indem diese mit
dem Geheimnis der Fleischwerdung
des Sohnes Gottes im Schoß der Jungfrau Maria in Verbindung gebracht
wird.
Johannes
von Damaskus war zudem einer der ersten, die im öffentlichen und privaten
Kult der Chris-
ten zwischen Anbetung (>latreia<)
und Verehrung (>proskynesis<) unterschieden: erstere darf allein
an Gott gerichtet sein
und ist in höchstem Sinne geistlich, die zweite hingegen kann ein Bild
verwen-
den, um sich an den zu
wenden, der im Bild selbst dargestellt ist. Natürlich darf der Heilige
keines-
falls mit der Materie identifiziert
werden, aus der die Ikone besteht. Diese Unterscheidung erwies sich sogleich
als sehr wichtig für eine christliche Antwort an diejenigen, die die
Einhaltung des strengen Verbots des Alten Testaments in bezug auf den kultischen
Gebrauch der Bilder als universal und im-
merwährend forderten.
Das war auch die große Diskussion in der islamischen Welt, die diese
jüdische Tradition des völligen Ausschlusses von Bildern im Kult
akzeptiert. Die Christen hingegen haben in diesem Umfeld das Problem erörtert
und die Rechtfertigung für die Bilderverehrung gefunden. Der Damascener
schreibt: 'In alter Zeit wurde Gott, der Körper- und Gestaltlose, auf
keinerlei Art bild-
lich gestaltet, jetzt aber,
nachdem Gott im Fleische erschienen und mit den Menschen umgegangen
ist, bilde ich an Gott
das Sichtbare ab. Ich verehre nicht die Materie, ich verehre vielmehr den
Schöp-
fer der Materie, denjenigen,
der meinetwillen Materie geworden ist, der es auf sich genommen hat,
in Materie zu wohnen, und
der durch die Materie mein Heil gewirkt hat, und ich werde nicht aufhö-
ren, die Materie zu verehren,
durch die mein Heil gewirkt wird. Ich verehre sie aber nicht als Gott -
das sei ferne; denn wie
könnte das, was aus Nicht-Seiendem sein Werden erhalten hat, Gott sein?...
Die übrige Materie,
durch die mein Heil zustande gekommen ist, verehre und achte ich als voll
von göttlichem Wirken und göttlicher Gnade. Ist nicht Materie das
Holz des Kreuzes, dreimal glücklich
und dreimal selig?... Ist
nicht Materie die Tinte und das hochheilige Evangelienbuch? Ist nicht Ma-
terie der lebenspendende
Tisch, der uns das Brot des Lebens darbietet?... Sind nicht Materie vor all
diesen Dingen der Leib
und das Blut meines Herrn? Nimm all diesen Dingen ihre Würde und Ver-
ehrung weg, oder gestehe
der kirchlichen Tradition auch die Verehrung der Bilder Gottes und der
seiner Freunde zu, die
durch den Namen Gottes geheiligt und deshalb von der Gnade des göttlichen
Geistes geschmückt werden! Mache die Materie nicht schlecht; denn sie
ist nicht wertlos! Nichts näm-
lich ist wertlos, was von
Gott stammt!' (Erste Verteidigungsschrift gegen diejenigen, welche die hei-
ligen Bilder verwerfen,
16, dt. Ausgabe, Leipzig 1994, S. 39-40).
Wir
sehen, daß die Materie aufgrund der Fleischwerdung gleichsam vergöttlicht
erscheint, als Wohn-
statt Gottes gesehen wird.
Es handelt sich um eine neue Sicht der Welt und der materiellen Wirklich-
keiten. Gott ist Fleisch
geworden, und das Fleisch ist wirklich zur Wohnstatt Gottes geworden, dessen
Herrlichkeit im menschlichen Antlitz Christi erstrahlt. Daher sind die Anmahnungen
des östlichen Kirchenlehrers noch heute von äußerster Aktualität
angesichts der großen Würde, die die Materie in
der Fleischwerdung erhalten
hat, so daß sie im Glauben zum Zeichen und wirksamen Sakrament der
Begegnung des Menschen mit Gott werden kann. Johannes von Damaskus bleibt
also ein Hauptzeu-
ge der Ikonenverehrung,
die bis heute einer der hervorstechendsten Aspekte der östlichen Theologie
und Spiritualität
ist. Es ist jedoch eine Form des Kultes, die schlicht und einfach zum christlichen
Glauben gehört, zum Glauben an jenen Gott, der Feisch geworden ist und
sich sichtbar gemacht hat.
Die Lehre des hl. Johannes
von Damaskus fügt sich somit in die Überlieferung der Gesamtkirche
ein, deren Sakramentenlehre vorsieht, daß aus der Natur entnommene
materielle Elemente kraft der An-
rufung (>epiklesis<)
des Heiligen Geistes, die vom Bekenntnis des wahren Glaubens begleitet ist,
zum Vermittler von Gnade werden können.
Im
Rahmen dieser grundsätzlichen Gedanken stellt Johannes von Damaskus
auch die Verehrung der Reliquien von Heiligen auf die Grundlage der Überzeugung,
daß die christlichen Heiligen, da sie der Auferstehung Christi teilhaftig
geworden sind, nicht einfach als >Tote< betrachtet werden können.
Indem er zum Beispiel jene
Heiligen aufzählt, deren Reliquien oder Bilder verehrungswürdig
sind,
stellt er in seiner Dritten
Rede zur Verteidigung der Bilder klar: 'Zuerst (verehren wir) diejenigen,
in denen Gott ruht, der einzige Heilige und unter Heiligen Ruhende (vgl.
Jes 57,15), ebenso die heilige Gottesgebärerin und alle Heiligen. Es
sind diejenigen, die ihren Kräften entsprechend auf Grund ih-
rer Erwählung, Gottes
Einwohnen in ihnen und ihrer Mitarbeit Gott ähnlich geworden sind, die
man
in Wahrheit auch Götter
nennt (vgl. Ps 82,6), nicht von Natur aus, sondern nach Übereinkunft,
so
wie man das glühende
Eisen Feuer nennt, nicht von Natur aus, sondern nach Übereinkunft und
Teil-
habe am Feuer. Denn Gott
spricht: 'Seid heilig, denn ich bin heilig' (nach Lev 19,2)' (Dritte Verteidigungsschrift
gegen diejenigen, welche die heiligen Bilder verwerfen, 33, dt. a.a.O., S.
118)."
(P. Benedikt XVI., Der hl. Johannes
von Damaskus. Generalaudienz auf
dem Petersplatz am 6. Mai 2009, in: L'Osservatore
Romano 20/2009, 2)