Yusuf
al-Basir, Das Buch der Unterscheidung. Judäo - Arabisch - Deutsch (HBPhMA
5) Freiburg/Brsg. 2005;
Dieses Buch
"enthält die überarbeitete Fassung einer
im April 2004 von der Hochschule für Jüdische Studien
in Heidelberg... als Dissertation angenommenen Untersuchung" (9).
Yusuf al-Basir lebte in der ersten Hälfte
des 11. Jahrhunderts und war ein
karäischer Jude, der
- aus Basra/Irak kommend - in einer islamischen Mehr-
heitsgesellschaft aufwuchs, schon früh an interreligiösen Diskussionsrunden
teilnahm und später die angesehe-
ne Akademie der Karäer in Jerusalem leitete. Eine ganze Reihe von
unterschiedlichen Schriften sind von ihm
erhalten. Das hier kritisch edierte, übersetzte und kommentierte Werk
"Kitab al-Tamyiz" ist "ein
im ersten
Drittel des 11. Jahrhunderts
in Jerusalem entstandenes jüdisches theologisches Werk" (20), das
in arabischer,
genauer in judäo-arabischer
Sprache, verfasst wurde. Inhaltlich behandelt das Werk Probleme der Gotteser-
kenntnis und Handlungsethik,
wobei es weitgehend auf islamischem Gedankengut fußt.
Der Prolog beginnt mit
einer Preisung Gottes. Sodann wird die Auffassung vertreten, dass Wahrheit
in Fragen
des religiösen Weges möglich
ist, ja wer "über den richtigen religiösen Weg kritisch nachdenkt
und diesen (si-
cher) erkennt, der wird
erfolgreich sein, reiche Beute gewinnen und er wird errettet werden"
(107). Hieraus
folgt die Ruhe der Seele. Und
umgekehrt gilt: "Derjenige aber, dessen Seele keine Ruhe findet in Hinsicht
auf
das, was er glaubt, dessen
Denken ist verworren, weil er sich (nämlich) nicht sicher sein kann,
dass er nicht un-
wissend ist" (109).
Folgendes sei wichtig zu wissen: "Gott ist kein Körper, Er erschafft
die Körper und bringt
einige von ihnen zum Leben,
Er ernährt sie und auferlegt ihnen Verpflichtungen, wofür Er ihnen
immerwäh-
rende Vergeltung ankündigt"
(111). Im übrigen wird betont - und das wäre auch heute häufig
besser zu beach-
ten -, dass die "Einigung
über (bestimmte Fach-) Begriffe... ein Bedürfnis vernünftiger
Menschen (sei), damit
einer von ihnen den anderen
verstehen kann, hinsichtlich Wollen und Absicht" (111). Hieran schließen
20 rela-
tiv kurze Kapitel an.
Die ersten
sieben Kapitel enthalten Erörterungen über den Umgang mit
Begriffen im allgemeinen sowie mit
einigen grundlegenden Begriffen
im besonderen. Zunächst geht es um Gegenstände/Objekte des Denkens
im all-
gemeinen sowie um deren Einteilung
in "existierend" und "nicht-existierend" (117) wie "urewig"
und "neuent-
standen" (117). Das
Neuenstandene teile sich in Atome und Akzidenzien, aus den Atomen bestünden
die Kör-
per und die Akzidenzien gehörten
ihnen zu. Atome seien dadurch charakterisiert, dass sie "Raum besetzen"
(117),
Akzidenzien hingegen dadurch,
dass sie in anderem als ihnen selbst auftreten, "kein Beharren (haben),
das dem
Beharren der Körper
entspricht" und teilweise sukzessive aufeinander folgen (119). Akzidenzien, so der Autor,
könnten auch neu entstehen,
das Urewige hingegen nicht nicht-existierend sein (135). Jeder Körper
sei entweder
zusammengesetzt (d.h. aus mindestens
zwei Atomen bestehend, zwischen denen es keinen Zwischenraum gibt)
oder aufgelöst (d.h. aus
mindestens zwei Atomen bestehend, zwischen denen ein Zwischenraum liegt)
(139).
Die Kapitel acht bis zwanzig
handeln sodann vom Schöpfergott und seinen Eigenschaften. Zunächst
wird plau-
sibilisiert, dass es wegen des
Vorhandenseins der Schöpfung einen Schöpfer geben müsse, da
keine Gegebenheit
ohne wirkende Ursache entstehe.
Da Gott "perfekte" Handlungen durchführen könne, müsse
er "wissend" sein
(173ff), überdies "lebendig"
(177), "wahrnehmend" (179ff), "existierend" (187) und "urewig"
(191ff). Die gött-
lichen Attribute werden sodann
eingeteilt: "so gehören einige zu Seinem Wesen, einige andere haben
eine Ursa-
che und einige weitere gehören
weder zu Seinem Wesen, noch haben sie eine Ursache" (195). Aufgrund der
Ur-
ewigkeit Gottes gehören
seine Attribute zu seinem Wesen (203), seine Handlungsfähigkeit umgreift
alles (207)
und sie besteht nicht "aufgrund
eines neu entstandenen (Akzidens)" (209). Überdies ist Gott nicht
sichtbar (229ff)
und es kann keinen Zweiten neben
ihm geben, da dann alle Attribute in gleicher Weise auch dem anderen Gott
zu eigen
sein müssten (233ff).
Im Anschluss an die Edition und Übersetzung des
Werkes finden sich zahlreiche Anmerkungen zu jedem Kapi-
tel, die hauptsächlich Erläuterungen zum Text und zur Edition
geben. Hierauf folgt ein detailllierter Kommen-
tar zu den einzelnen Kapiteln, in denen der Autor Bezüge zwischen den
einzelnen Kapiteln herstellt und nähere
Erläuterungen zur Argumentationsstruktur der gesamten Schrift gibt.
Auch zahlreiche verwendete Begriffe wer-
den in ihrer ursprachlichen Bedeutung erklärt und hierzu viele Bezugsstellen
aus anderen Werken angegeben.
Der Anhang enthält einige Kapitel der Schrift in hebräischer Sprache
sowie ein umfangreiches Literaturverzeich-
nis. Im Ganzen gibt das Werk am Beispiel der Edition einen guten Einblick
in die im Mittelalter durchaus übli-
che religionsübergreifende Erörterung Gottes und seiner Attribute.
Herbert Frohnhofen, 1. Dezember
2006