Georg STEINS, Die Entdeckung Gottes im Alten Testament. Oder: eine neue Welt
entsteht
, in: Pastoralblatt für die Diözesen Aachen, Berlin u.a. 53 (2001) 142-150;

Mit drei Fragen skizziert Georg Steins ein Gottesbild, welches aus dem gängigen Rahmen fällt. Als Erstes versucht er
Gott zu verorten. Gott, so kommt er zum Schluss, wohne in der Zeit. Eine ungewöhnliche Aussage, wurde Gott doch
über Epochen im Himmel beheimatet. Steins benötigt diesen ‚Wohnort Gottes’, um die Beziehung zwischen Gott und
dem Menschen festzumachen. Die Begegnung der beiden will er aus dem zeitlosen, unendlichen Universum mit einer
Evolution, die menschliche Maßstäbe übersteigt, wie überschreitet, sozusagen ausschneiden und auf einem konkreten
‚Zeitstrahl’ fest machen. Steins gelingt damit nicht nur die Vereinbarung zwischen Naturwissenschaft und Theologie,
er bewahrt, durch die Zielorientiertheit des ‚Strahls’, auch die überlieferten theologischen Aussagen vom ewigen Heil
bei Gott.

Als Zweites fragt er nach dem Willen Gottes für den Menschen. Bezugnehmend auf die Schöpfungsgeschichte und die
Befreiung aus der Knechtschaft des Volkes Israel in Ägypten, zeichnet Steins den ‚Willen Gottes’ als ein ‚Experiment’
für eine ‚neue Gesellschaft’. Dadurch entzieht er den Gott Israels dem Anführerimage; aus einem Stammesgott wird
ein universaler Visionär. Und dieser zukunftsplanende Gott erlässt die ‚Tora’; für Steins (lediglich?) ein Werk für das
„gelingende Zusammenleben“. Er überfliegt hier die oft holzschnittartige Geschichte Gottes mit dem auserwählten Vol-
ke. Zornesausbrüche und kleinliches Gekränktsein thematisiert Georg Steins im Artikel nicht; sie scheinen weggewischt.
Ein Drei-Punkte-Programm erkennt unser Autor in der Schrift – von Gott für die Menschen: (1) Anstelle der Götzen
sei Gott zu stellen. (2) Jede Versklavung sei abzuwenden. (3) Der Schwächste ist mit einzubeziehen, an seinem Heil
wird die Gesellschaft gemessen. Nachteilig ist, dass die mit diesem Programm zu errichtende ‚neue’ Gesellschaft keine ‚Außenbeziehungen’ kennt, sie ist autark. Der Umgang untereinander, geschweige denn mit ‚Fremden’, Feind und
Welt werden vermisst.

Im dritten Abschnitt entzieht Georg Steins uns den ‚lieben Gott’ ganz bewusst. Er konfrontiert den Leser mit einem undurchdringlichen, verschlossenen und unbegreiflichen Gott. Diese Seite zeige uns auf, dass Gott sich nicht in mensch-
liche Kategorien pressen und schon gar nicht berechnen lasse. Es mag im Leben durchaus praktisch sein, Gott als den
‚ganz Anderen’ zu sehen, doch demontiert Steins seine Ausführungen ein Stück weit selbst. Während er nämlich in den
ersten beiden Punkten wohl einen nicht greifbaren Gott präsentiert, lassen sich dessen Taten und Wirken - nach Steins -
doch in ein Schema einfügen – ein Gott, mit dem sich rechnen lässt. Wie anders hört sich aber der dritte Punkt an: jetzt
soll uns das, was fest schien, entgleiten, ja entzogen werden.

Die Nutzlosigkeit Gottes irritiert erstmal durch das Wortspiel, entpuppt sich dann aber als ganz angenehme Sache. Ein
Gott, der zwar nicht als Rendite bringendes Anlageobjekt taugt, doch dafür grundlos, d.h. umsonst ist, hört sich verhei-
ßungsvoll an. Nur fragt sich, wie selbstlos er tatsächlich im Alten Testament, welches Professor Steins als Grundlage
dient, dargestellt wird. Verlangt er da nicht absolute Treue und Opfer? Und bedeutet die ordnende Funktion Gottes,
die Steins im zweiten Punkt aufführt in der ‚neuen Gesellschaftsordnung’ nicht einen bedeutenden Nutzen für den Men-
schen? Möglich ist, dass unser Autor zwei Ebenen zu skizzieren sucht: der nutzlose Gott würde dann einer Überebene
zugeteilt, welche ihren Nutzen erst in der Gesamtschau entfaltet. Das hieße, Gott würde langfristig sich sehr wohl als
nützlich erweisen, im ‚Tagesgeschäft’ sozusagen jedoch nicht, da er dem menschlichen Kalkül entzogen bleibt. Wollte
Steins eine solche Wende in seinen Ausführungen darstellen, so reichte seine Präzisierung nicht aus.

Dies ist schade; denn im Schlusssatz findet Georg Steins zu dem, was gerne postuliert wird: Gott als die Liebe. Konse-
quenterweise trennt er diese von jeglichen Allmacht-Gelüsten und schält den Kern heraus durch ein Zitat von Bertolt
Brecht: Ich hatte eine (Schwäche): ich liebte. So gesehen ist es zweitrangig, ob Gott seine Zelte in der Zeit aufgeschla-
gen hat und es bleibt erstmal sekundär, ob sich sein Wille für uns in drei Punkten festmachen lässt. Sicher aber konnte
Georg Steins einen biblischen Zugang zu Gott aufzeigen, welcher dem heutigen Mitteleuropäer entgegenkommt, da die Widersprüche aus Naturwissenschaft und Historie geschickt umschifft wurden.

Br. Michael Ruedin FFSC