Karl Josef Lesch, „Ich allein bin Gott“ (Jes 43,12). Der Gott der Bibel -
ein Gott für die Gegenwart? in: Geist und Leben 76 (2003) 331-346;

Dr. Karl-Josef Lesch wurde 1946 in Illingen an der Saar geboren. Nach seinem Abitur am Gymnasium in Lebach/
Saar studierte er in Bonn, Trier und Münster Katholische Theologie. Danach folgte eine Stelle als Wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg. Seit 1978 ist er Akademischer Rat
und inzwischen außerplanmäßiger Professor für Religionspädagogik an der Hochschule Vechta.

Im ersten der fünf Abschnitte des Artikels bringt derAutor den Begriff "Postmoderne Religiosität" ins Spiel. In der
Zeit der Postmoderne, in der Unverbindlichkeit und Pluralität vorherrschend sind, hat der persönliche Gott, der "Ge-
genüber-Gott",
wie Lesch diesen so schön beschreibt, schlechte Karten. Lesch führt zum Beispiel Untersuchungen an,
nach denen 1999 der Anteil der Christen, die an einen persönlichen Gott glaubten, bei 12 % lag.

Im zweiten Abschnitt geht es dann speziell um die Postmoderne als Nährboden für das sich wandelnde Gottesbild. Es
gibt in jedem Fall ein neu erwachtes religiöses Interesse. Und wichtig ist, dass Gott keineswegs auf den Kirchenraum
beschränkt ist. Wir sehen in Kunst und Literatur eine Sehnsucht nach dem ganz anderen, zum Beispiel in der Mystik.
Der "Gegenüber-Gott" wird zum Göttlichen, zum Funken in mir. Gott wird im pantheistischen Sinn verstanden als
das Ganze der Natur. Der (personale) Gott aber, der sich den Menschen zuwendet und in der Geschichte offenbart,
tritt immer mehr in den Hintergrund.

Lesch kommt in einem weiteren Teil des Artikels zur Entfaltung eben dieser Herausforderung für unser christliches
Denken und für unser Bild vom personalen Gott. Auf dem bunten Markt von Gottesvorstellungen und herrschenden
Gottesbildern hat es der Christ mit seinem spezifischen Gottesbild nicht leicht. Gott darf nicht auf letzte, höhere Re-
alität reduziert werden.

Im vierten und vorletzten Abschnitt beschäftigen ihn die Ursprünge und Konturen des biblischen Gottesbildes. Die
jüdische Gemeinde bekennt täglich ihren Glauben an den einzigen Gott. „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der
Herr als einer allein.“
(Dtn 6,4). Der Gottesglaube Israels war aber nicht von Anfang an monotheistisch. Die Pro-
pheten mahnten, die Treue zu Jahwe zu wahren und den Verlockungen fremder religiöser Kulte zu widerstehen.
Besonders Hosea wandte sich dem Thema der Einzigkeit Gottes zu. - Eine universale Gottesvorstellung treffen wir
im Neuen Testament bei Jesus von Nazareth an. Das Heil ist nach Jesu Vorstellung nicht auf Israel beschränkt. Die
Botschaft Jesu von der Nähe der Gottesherrschaft richtet sich nicht ausschließlich an sein eigenes Volk, sondern an
alle Völker. Jesus steht damit in der Tradition des Alten Testamentes. Auch für ihn ist Gott ein rettender Gott, der
sich der Bedrängten und Leidenden annimmt.

Wie aber kann die Kirche dem heutigen Menschen einen Zugang zu der ihm fremden Welt der jüdisch christlichen
Tradition eröffnen? Wie kann Kirche auf Synkretismus und Pluralismus der Postmoderne reagieren? Ein Ansatz, so
führt Lesch an, besteht in der mystischen Tradition des Christentums. Die Mystik ist in gewisser Weise Bindeglied
zwischen dem Glauben der Christen und dem sehr allgemeinen Gottesbild als Kraft oder Urquelle. Insbesondere die
christliche Mystik greift die Sehnsucht des Menschen nach dem ganz anderen, nach dem Urgrund des Lebens in
verschiedenen Weisen auf.

Meine zusammenfassende Einschätzung ist: Lesch benennt ausführlich wichtige Beobachtungen. Er schildert die heu-
tige Situation und die Tatsache, wie schwer es ein Gottesbild hat, das so spezifisch ist wie das christliche. Aus prak-
tisch-theologischer Perspektive, aus der der Autor die Frage ja beleuchten will, bleibt meines Erachtens aber zu sehr
offen, wie die Pastoral sich zu dem benannten Problem verhalten kann und muss und welche Möglichkeiten die Kir-
che hat, um ihr Gottesbild den Menschen der Postmoderne zugänglich zu machen.

Sophie Pilgram,
Studentin der Praktischen Theologie,
an der Katholischen Fachhochschule Mainz,
im 3. Semester, 1. Dezember 2005