Im zweiten Abschnitt geht es dann speziell um die Postmoderne als Nährboden
für das sich wandelnde Gottesbild. Es
gibt in jedem Fall ein neu erwachtes religiöses Interesse. Und wichtig
ist, dass Gott keineswegs auf den Kirchenraum
beschränkt ist. Wir sehen in Kunst und Literatur eine Sehnsucht nach
dem ganz anderen, zum Beispiel in der Mystik.
Der "Gegenüber-Gott" wird zum Göttlichen, zum Funken in
mir. Gott wird im pantheistischen Sinn verstanden als
das Ganze der Natur. Der (personale) Gott aber, der sich den Menschen zuwendet
und in der Geschichte offenbart,
tritt immer mehr in den Hintergrund.
Lesch kommt in einem weiteren Teil des Artikels zur Entfaltung eben dieser
Herausforderung für unser christliches
Denken und für unser Bild vom personalen Gott. Auf dem bunten Markt
von Gottesvorstellungen und herrschenden
Gottesbildern hat es der Christ mit seinem spezifischen Gottesbild nicht
leicht. Gott darf nicht auf letzte, höhere Re-
alität reduziert werden.
Im vierten und vorletzten Abschnitt beschäftigen ihn die Ursprünge
und Konturen des biblischen Gottesbildes. Die
jüdische Gemeinde bekennt täglich ihren Glauben an den einzigen
Gott. „Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der
Herr als einer allein.“ (Dtn 6,4). Der Gottesglaube Israels war aber
nicht von Anfang an monotheistisch. Die Pro-
pheten mahnten, die Treue zu Jahwe zu wahren und den Verlockungen fremder
religiöser Kulte zu widerstehen.
Besonders Hosea wandte sich dem Thema der Einzigkeit Gottes zu. - Eine universale
Gottesvorstellung treffen wir
im Neuen Testament bei Jesus von Nazareth an. Das Heil ist nach Jesu Vorstellung
nicht auf Israel beschränkt. Die
Botschaft Jesu von der Nähe der Gottesherrschaft richtet sich nicht
ausschließlich an sein eigenes Volk, sondern an
alle Völker. Jesus steht damit in der Tradition des Alten Testamentes.
Auch für ihn ist Gott ein rettender Gott, der
sich der Bedrängten und Leidenden annimmt.
Wie aber kann die Kirche dem heutigen Menschen einen Zugang zu der ihm
fremden Welt der jüdisch christlichen
Tradition eröffnen? Wie kann Kirche auf Synkretismus und Pluralismus
der Postmoderne reagieren? Ein Ansatz, so
führt Lesch an, besteht in der mystischen Tradition des Christentums.
Die Mystik ist in gewisser Weise Bindeglied
zwischen dem Glauben der Christen und dem sehr allgemeinen Gottesbild als
Kraft oder Urquelle. Insbesondere die
christliche Mystik greift die Sehnsucht des Menschen nach dem ganz anderen,
nach dem Urgrund des Lebens in
verschiedenen Weisen auf.
Meine zusammenfassende Einschätzung ist: Lesch benennt ausführlich
wichtige Beobachtungen. Er schildert die heu-
tige Situation und die Tatsache, wie schwer es ein Gottesbild hat, das so
spezifisch ist wie das christliche. Aus prak-
tisch-theologischer Perspektive, aus der der Autor die Frage ja beleuchten
will, bleibt meines Erachtens aber zu sehr
offen, wie die Pastoral sich zu dem benannten Problem verhalten kann und
muss und welche Möglichkeiten die Kir-
che hat, um ihr Gottesbild den Menschen der Postmoderne zugänglich
zu machen.
Sophie Pilgram,
Studentin der Praktischen Theologie,
an der Katholischen Fachhochschule Mainz,
im 3. Semester, 1. Dezember 2005