Reinhard G. Kratz/Hermann Spieckermann
(Hgg.), Götterbilder - Gottesbilder
- Weltbilder. Polytheismus
und Monotheismus in der Welt der Antike. 2 Bände (Forschungen
zum AT/2. Reihe 17/18) Tübingen 2006;
Spätestens seit den im Ganzen wohl etwas einfach
gestrickten
Thesen
von Jan Assmann zu der von ihm soge-
nannten "mosaischen Unterscheidung" und
dem verursachenden Verhältnis der monotheistischen Religionen
zur Gewalt ist das Gottes- bzw. Götterverständnis in
antiken Kulturen neu in den Fokus des Interesses gerückt.
Es hat sich in diesem Zusammenhang bei nicht wenigen eine Favorisierung
des Polytheismus ergeben, die aus
dem Eindruck resultiert,
"daß in ihm die verläßlichere
Basis für die individuelle Freiheit und die Wahrung des
weltanschaulichen Pluralismus zu finden sei" (X). Die hier
in zwei Bänden vorgelegten Aufsätze, die auf Vor-
träge zurückgehen, die 2004/05 in einer Ringvorlesung
an der Universität Göttingen sowie im Rahmen eines
Symposions im Jahr 2004 gehalten wurden, stehen in diesem, die
Religionswissenschaft, bereits seit längerem
beschäftigenden Kontext. Vorab - so die Herausgeber - lässt
sich dazu bereits sagen, dass die (seit und mit Ass-
mann)
"verbreitete Anschauung, daß die drei großen,
weitgehend bildlosen monotheistischen Religionen des
Judentums, des Christentums und des Islams im Raum des Vorderen
Orients und des Mittelmeerraums als Kampf-
ansage gegen einen blühenden Polytheismus mit dem Ziel
seiner Beseitigung entstanden seien(,)... derart pau-
schal nicht aufrecht zu erhalten" ist (XIII). Neuere religionsgeschichtliche
Untersuchungen hätten zu der Ein-
sicht geführt,
"daß die Verhältnisse innerhalb
der einzelnen Religionen zum Teil sehr viel komplexer sind, als
es die zur Geltung gelangte Selbstsicht der Religionen und manchmal
auch ihre kritische Erforschung vermit-
teln" (XIII). Differenzierungsbedarf bestehe hierbei sowohl
für die polytheistischen (insbesondere die ägypti-
sche) als auch für die monotheistischen (vorrangig für
die israelitisch-jüdische) Religionen. Im übrigen - so
die Herausgeber - charakterisieren beide Begriffe (Polytheismus
und Monotheismus)
"für sich oder als Paar
... ganz unterschiedliche religionsgeschichtliche Phänomene
und Konstellationen: die spannungsvolle Komple-
mentarität..., die... Simultaneität, aber auch die
intolerante Exklusion, ohne daß es geschichtlich in irgend-
einer Weise evident wäre, daß mit dem Polytheismus
ein höheres Toleranzpotential verbunden sei als mit
dem Monotheismus" (XV). Offen bleiben aus Sicht der
Herausgeber noch die Fragen,
"ob der Polytheismus
möglicherweise ein signifikant höheres Akkomodationspotential
als der Monotheismus besitzt" (XVII) und
"wo
die Bruchlinie zwischen polytheistischen und monotheistischen
Religionen verläuft" (XVIII).
Die antike ägyptische Religion versteht
nach FRIEDRICH JUNGE das eigene Land als "Tempel der ganzen
Welt". Auch an Hand zahlreicher Abbildungen wird deutlich:
Der König "ist der Repräsentant des Gottes Ho-
rus auf Erden und gleichzeitig vor den Göttern der Repräsentant
der menschlichen Gesellschaft, für die er steht
... In ihm ist die menschliche Gesellschaft als zivilisierende
und zivilisatorische Macht Partner der Götter in
der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Welt: Pharao ist in ihrem Auftrag
Herrscher der Welt" (38). Das
staatliche Handeln Gott darzubringen, ist damit auch ein Akt der Demut,
ein Zeichen der Abhängigkeit, selbst
wenn es sich noch so triumphal gebärdet. - In der Spur der "wegweisenden
Arbeiten Jan Assmanns" (45) er-
läutert HEIKE STERNBERG-EL HOTABI den "naturphilosophischen Monotheismus
des Echnaton". Der
um 1300 vC. lebende Echnaton verfügt ein offizielles Verbot der alten
Kulte und setzt stattdessen den Lob-
preis eines Gottes Aton als Schöpfer und Erhalter der Welt durch:
"Besonders reich ist der Atonhymnus an
Bildern der Natur, und diese Naturverbundenheit läßt sich
auch überall in der bildenden Kunst, insbesonde-
re in den farbenfrohen Malereien der Paläste in Amarna, wiederfinden"
(55). - Schließlich diskutiert SUSAN-
NE BICKEL Aspekte des Verhältnisses von Politik und Religion in Ägypten.
Dabei interpretiert sie die über
mehrere Generationen dauernde Herausbildung des ersten gesamtägyptischen
Territorialstaates (ca. 3150-3000
vC.) weniger als "das Ergebnis einer 'natürlichen' Entwicklung,
als vielmehr... eine von einer engagierten und
gebildeten Elite erdachte und gesteuerte Errungenschaft" (81). Zur
Stütze des Staates wurde dabei eine "Re-
ferenzebene außerhalb des Alltäglichen und Irdischen hergestellt,
die verbindlich und unanfechtbar war,... die
sich desselben Symbolsystems bediente wie die Religion" (82). Zur
ideologischen Entrückung des Königtums
von der irdischen Sphäre wurde eine Zwischenregion zwischen göttlich-himmlischer
Ebene und dem Irdischen
eingezogen; der König wurde als Sohn der Götter verstanden und
mit dem Bild des Falken symbolisiert. "Ein
theologisch interessanter Aspekt des Gedankens der königlichen
Gottessohnschaft", so B. mit Recht, "ist die
Wesensähnlichkeit - als Sohn der Götter hatte der König
auch an deren Wesen teil" (91).
BRIGITTE GRONEBERG schildert Aspekte der "Göttlichkeit"
in Mesopotamien, also dem heutigen Irak,
Ostsyrien und Teilen der Türkei. Allein in einem Literaturwerk - "Enuma
elisch" genannt - werden Kosmo-
gonie und Kosmologie entfaltet. Danach entstehen aus der Vermischung von
Süß- und Salzwasser die ersten
Götter; diese bringen die nachfolgenden Göttergenerationen hervor.
Den einzelnen Göttern werden Lebens-
bereiche zugewiesen und durch Götterkämpfe werden Hierarchien
untereinander abgesteckt. "In den meisten
Hymnen und Mythen", so die Autorin, "erstaunt die Konzeptionslosigkeit
und die Beliebigkeit der Darstellung
- und damit auch der Rezeption - des Wirkens der unterschiedlichen göttlichen
Wesen" (135). Überregional
verbindliche Götterlisten zählen gegen Ende des 2. Jahrtausends
fast 1800 individuelle Namen von Göttern
auf; für diese Götter sind fast 1400 Kultplätze namentlich
bekannt. Dabei können die zahlreichen Götter in
sehr unterschiedlichen Manifestierungen in Erscheinung treten und dabei
ihr eigenes Profil vielfältig verän-
dern; ja sie können sogar zur gleichen Zeit in sehr unterschiedlicher
Weise zur Erscheinung kommen. Auch
die Götter unterliegen einem Schicksal, das ihre Rangordnung untereinander
betrifft, nicht aber Leben und
Tod. Die Bilder der Götter sind recht anthropomorph entworfen; der
zentrale Unterschied zu den Menschen
ist allein ihre Unsterblichkeit. - ASTRID NUNN schildert an drei Beispielen
Kulttopographie und Kultabläu-
fe in mesopotamischen Tempeln: "Im Tempel selbst mußte das Kultpersonal
ständig für das Wohl der Götter
sorgen: sich um Götterbilder kümmern, Instrumente aufstellen,
singen, opfern... Außerhalb des Tempels fan-
den Züge statt. Sie näherten sich teilweise durch enge Gassen
dem Tempel" (189).
Ausführlich werden Religionen in Kleinasien
und Syrien-Palästina beschrieben. DANIEL SCHWEMER
schildert Überlegungen zu Struktur und Genese des hethitischen Reichspantheons,
also des "Gesamt derjeni-
gen Gottheiten, die für einen bestimmten (hier: des hethitischen),
von einem König beherrschten Territorial-
staat(es) als repräsentativ gelten. Dabei handelt es sich nicht
um den Versuch einer umfassenden Auflistung
aller im jeweiligen Land verehrten Gottheiten; vielmehr formen das eigentliche
Pantheon nur einige wenige
'große' Gottheiten, die namentlich genannt werden" (241).
Wichtige Quelle sind hierbei offenbar sogenann-
ten "Schwurgötterlisten", also die Anrufung der Götter
des Landes Hatti als Zeugen des mit einem hethitischen
Staatsvertrag niedergelegten Eides. - ASTRID NUNN stellt Aspekte der
syrischen Religion im 2. Jahrtausend
vC. vor, hebt aber einleitend heraus, dass in "sämtliche(n) antiken
Kulturen bis zum Auftreten der monotheis-
tischen Religionen" der König "der Repräsentant Gottes
auf Erden" war (267). "Die Götter hatten den Men-
schen ihre Vorstellungen, ihre hierarchischen Strukturen gegeben. Das
Band zwischen Göttern und Menschen
bestand in zahlreichen kultischen Ausübungen" (267). In Syrien
spielte der Ahnenkult eine große Rolle und
führte zur Schaffung von Kultorten und Kultbildern, die verstorbene
Könige und Ahnen darstellten; diese do-
kumentieren auch eine große Verbundenheit zwischen lebenden und bereits
verstorbenen Familienmitgliedern
und auch von spezifischen Familiengöttern. - Altsyrisch-kanaanäische
Religionsgeschichte betrachtet HER-
MANN SPIECKERMANN und kommt nach einem schnellen Gang durch ungefähr
ein Jahrtausend Religions-
geschichte zu dem Ergebnis, dass "die mit Götter- und Weltbildern
befaßten mythischen Traditionen dieses
Raumes, deren Träger ganz unterschiedliche Ethnien mit ganz verschiedenen
Sprachen gewesen sind, ein über-
raschendes Maß an ähnlichen Motiven und übereinstimmenden
Themen aufweisen... Allen Traditionen gemein-
sam ist das Interesse am Verstehen der Erhaltung und Bedrohung der
Welt aus den Relationen, die zwischen
den für die Welt entscheidenden Göttern im jeweiligen Kulturkreis
bestehen" (299).
HERBERT NIEHR bespricht die phönizischen
Stadtpanthea des Libanon und ihre Beziehung zum Königtum
in vorhellenistischer Zeit. Entsprechend der politischen Aufgliederung
des Libanon in unterschiedliche Stadt-
königtümer sind auch deren Panthea unterschiedlich, gibt es
in dieser Zeit keine einheitliche phönizische Re-
ligion. Einheitlich ist aber: "An der Spitze der Panthea steht ein
Hauptgott bzw. eine Hauptgöttin... Dazu tritt
ein Paredros, der aber deutlich in zweiter Linie fungiert... Hinzu
kommt ein Gremium aller Gottheiten einer
Stadt, welches häufig pauschal als 'Versammlung der Götter'
bezeichnet wird" (306). Dabei gibt es sowohl
Gottheiten, die nur im Rahmen eines bestimmten städtischen Pantheons
nachzuweisen sind, als auch solche,
die stadtübergreifende Funktion haben. Der jeweilige König steht
in besonders enger Verbindung zum Haupt-
gott seiner Stadt. Er wird als Tempelerbauer und Stifter gepriesen und
gilt gelegentlich auch als Priester die-
ses Gottes. - Israel und sein Gott wird von ERIK AURELIUS beschrieben.
Dieser stellt eingangs heraus, dass
die früher so ausgedehnt behaupteten Besonderheiten des Gottesglaubens
Israels mehr und mehr zusammen-
geschmolzen sind, ja vielleicht sogar noch weiter dahinschmelzen. Zweierlei
aber bleibt auffällig und beson-
ders: dass (1) die Religion dieses Volkes sowie insbesondere das für
diese Religion konstitutive Schriftzeug-
nis, das sogenannte Alte Testament, den politischen Untergang dieses Volkes
überlebt hat, und dass (2) genau
dies geschah im Hinblick auf einen Gott (Jahwe), der seit nachexilischer
Zeit als universaler und einziger für
alle Welt und alle Völker behauptet wurde, der mithin zum Weltgott
geworden war; die sogenannten Unheils-
propheten des 8. Jahrhunderts vC. hatten als "Sturmboten" wichtige
Veränderungen bereits angekündigt. -
Schließlich behandelt REINHARD GREGOR KRATZ das Judentum in persischer
und hellenistisch-römischer
Zeit. In dieser Zeit ist es im Judentum keine Frage mehr, dass es nur
den einen Gott (Jahwe) gibt; die "Aus-
differenzierung einer spezifisch israelitisch-jüdischen Religion
aus dem Kreis der syrisch-kanaanäischen Re-
ligionen ist abgeschlossen. Das Gegenüber ist nicht mehr die eigene
kanaanäische Vergangenheit, sondern
die persische und die hellenistisch-römische Welt, der man sich
klar überlegen weiß" (347). Aus den verschie-
denen Richtungen des Judentums zu dieser Zeit hat sich der mittlere, gemäßigte
Weg durchgesetzt, der im
biblischen und alexandrinischen Judentum angelegt ist und sich später
in das Christentum und das rabbinische
Judentum verzweigt.
Der zweite Band hebt mit der Darstellung der
griechisch-römischen Religion an. WALTER BURKERT er-
läutert die antike griechische Kultur als "klassische" Kultur,
die gerade bei den Nichtgriechen hohe Anerken-
nung erfuhr. Ihr Polytheismus hat seine Vorgeschichte in den bereits
erläuterten früheren Kulturen; von die-
sen wird vieles übernommen und neu zusammengesetzt. Die Göttermythologie
Homers und Hesiods findet ihre
Charakteristik aber in einer besonderen Menschennähe, welche auserwählte
Menschen in Abstammungsverhält-
nisse zu Göttern bringt und die Götter - auch in ihren Leidenschaften
und Intrigen - allzu menschlich erschei-
nen lässt. Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht wunder, dass die
philosophische Götterkritik eines Xenopha-
nes sehr früh einsetzt und auch die platonisch fundierte Philosophie
eher mit einem überlegenen Lächeln auf
die olympische Götterwelt herabschaut. - Gleichwohl: HEINZ-GÜNTHER
NESSELRATH nimmt sich dieser
polytheistischen Götterwelt an und erläutert sie im Detail.
Vielfalt und Anthropomorphismus werden ebenso
veranschaulicht wie die Tatsache, dass immer auch neue göttliche
Wesen in diese Welt integriert wurden und
selbst der innere Zirkel um Zeus seine Wechsel hatte. Die Unsterblichkeit
ist ihr einziges Markenzeichen ge-
genüber den Menschen; sie sind mächtig, doch nicht allmächtig,
so dass sie auch gezwungen sind, sich mitein-
ander und den Menschen zu arangieren. "Mehr als tausend Jahre lang",
so N. abschließend, "half dieses Göt-
terbild vielen Griechen, sich in ihrer Welt zurechtzufinden... es
waren erst die zum Teil recht brachialen Maß-
nahmen christlich gewordener römischer Kaiser, die ihm den Todesstoß
versetzten" (44).
In einem weiteren Beitrag diskutiert wiederum HEINZ-GÜNTHER
NESSELRATH die Stellung der Religi-
on im Leben der Griechen. Hier geht es um Tempel, Opfer und Weihungen,
die Bedeutung von Priestern, Fes-
ten und Orakeln, Fazit: "Die griechische Religion war ständig
und auf vielfältige Weise im Leben der Menschen
präsent. Sie gab ihnen Mittel und Wege an die Hand, um mit den
Göttern auf nützliche Weise in Beziehung zu
treten; sie zeigte ihnen, wo im Universum sie standen, wie man Unglücksfälle
und Schwierigkeiten begreifen
und auf sie reagieren konnte, und sie bot in den Praktiken der Divination
konkrete Hilfestellungen, um sich der
Zukunft stellen zu können. Polis und Religion durchdrangen einander
und stützten sich gegenseitig" (67). - DO-
ROTHEE GALL stellt Aspekte antiker römischer Religiosität vor
und nimmt diese zu Beginn gegen die ver-
breitete Vorstellung in Schutz, sie sei allein ein Abklatsch der griechischen
und zudem noch ein schlechter; nein,
sie habe ihre eigene Qualität und Eigenart, freilich auch ihre differenzierte
Entwicklung aufgrund vielfältiger
Einflüsse von außen. Sie sucht keinen Zugang zum Wesen der
Götter; es gibt auch keine sich auf sie beziehen-
de Ethik oder Mystik. Vielmehr geht es um "die korrekte Befolgung
magischer Gebote, die in der Polarität des
Gelingens oder Scheiterns steht. Dieses Gelingen oder Scheitern hängt
aber allein vom rituellen Handeln ab,
nicht vom Glauben des Handelnden" (91). - Die pax augusta
wird von ULRICH SCHMITZER vorgestellt und
ihre gemeinsamen Wurzeln mit dem Weihnachtsevangelium im "ägyptisch-orientalischen
Kontext der messiani-
schen Heilserwartungen (betont), die sich in den Jahrzehnten um Christi
Geburt verdichtet hatten" (111).
Urchristliche Religion wird von REINHARD FELDMEIER
behandelt. Von Gott ist hier vor allem indirekt
durch die Portraitierung Jesu Christi als seines Bildes und Sohnes die
Rede. Auf - aus der Sicht der gesamten
Antike geradezu paradoxe Weise - ist Gott in diesem Jesus Christus auch
und gerade dort gegenwärtig, wo er
ins Leiden am Kreuz geht. Dies bedeutet: "Gott meint in den Evangelien
das von dem Menschen Jesus unter-
schiedene, aber auf ihn bezogene und ihn so elementar bestimmende Gegenüber.
Nur in seinem Bezug zum Sohn
begegnet Gott in den Evangelien - als eine durch diesen wirksame Macht"
(121). Die bereits für den Götterva-
ter Zeus begegnende Bezeichnung eines "Allmächtigen" identifiziert
gemeinsam mit der Vatermetapher "die
Gottheit als Ursprung und Exponenten des vernünftig geordneten
Alls, welcher sich der Mensch nur anerken-
nend beugen kann" (126f). Das Charakteristikum christlichen Glaubens
sieht F. darin, dass Jesus sich diesem
väterlichen Willen beugt und auf paradoxe Weise an ihm festhält,
obwohl dieser ihn der Verwerfung gegen-
über der Sünde preisgibt und sich ihm selbst in einem Abgrund
der Gottesfinsternis entzieht (129). - Für Pau-
lus - so stellt wiederum FELDMEIER dar - ist der "durch seinen Tod am
Kreuz in den Augen aller Menschen
widerlegte Christus... von Gott selbst ins Recht gesetzt" worden
(137). Durch Christus handelt dieser Gott in
vielfältiger Weise heiligend, befreiend, rettend usw. am Menschen:
"Der Schöpfer hat sich im Gekreuzigten
auf den Tod und das Verbrechen dieser Welt eingelassen, um gerade am
Ort des Todes neues Leben ermög-
lichen zu können" (142). Dadurch erweist er sich gerade im
Tod seines Sohnes als der lebendige und leben-
digmachende Gott (147).
HANS-JÜRGEN BECKER schildert Einheit und Namen Gottes
im rabbinischen Judentum. Hier spielt nicht
die Frage nach der Existenz Gottes eine Rolle, sondern die Frage nach seinem
Handeln in der Welt und nach
dem Bekenntnis zu diesem Gott, das sich im Halten der Gebote äußert:
"Theologie und Ethik sind unmittelbar
aufeinander bezogen, abstrakte Spekulationen fehlen" (163). In der
Auseinandersetzung mit der Gnosis wird
die Einheit Gottes betont, damit aber auch die reine Güte dieses Gottes
abgelehnt. - In Bezug auf den Islam er-
läutert TILMAN NAGEL den Kosmos als einen von Allah souverän
gestalteten Prozess, "in den auch der Mensch
ganz und gar einbezogen ist" (207); einen Schöpfungsbericht
oder ähnliches gibt es im Koran nicht. Der Mensch,
ist "Teil des in ständigem Geschaffenwerden befindlichen Kosmos"
(211) und Stellvertreter Allahs in der Welt,
weil dieser ihm etwas von seinem Geist einhauchte. Deshalb hat sich der
Mensch Gott zuzuwenden und von ihm
her sein Leben zu gestalten: "Wahre Gläubigkeit beweist sich im
aktiven Mittun in einer Kampfgemeinschaft auf
dem Pfade Allahs" (217). - Unter der Überschrift "christliche
Religion im Orient" bespricht MARTIN TAMCKE
das Christsein in Persien ab dem 5. Jahrhundert. Hier gab es keine konstantinische
Wende; und doch wuchs die
Kirche zu großer geographischer Ausdehnung heran, wobei sie freilich
ständig in Konkurrenz zu anderen gro-
ßen Religionen stand. So blieb sie "von ihren Anfängen an
bis heute stets Repräsentantin einer religiösen Min-
derheit in Gesellschaften und Staaten, deren Mehrheit sich zu anderen
Religionen bekannte" (243). Im "Haus des
Islam" gelang die Fortexistenz des Christentums oft mit sogenannten
Schutzverträgen, deren Deutung allerdings
bis heute strittig ist. Die hierdurch ermöglichte Koexistenz war oft
auch durch ein interreligiöses Gespräch ge-
prägt, deren Mittelpunkt die Gottesfrage bildete.
In zwei Nachworten kommen ANDREAS BENDLIN auf
das pragmatische Verhalten in einer polytheistischen
Gesellschaft am Beispiel Roms sowie JAN ASSMANN auf - wie könnte es
derzeit anders sein - die anthropolo-
gischen Konsequenzen des Monotheismus zu sprechen. Nach Bendlin bedeutet
ein "Mehr an Gottheiten... nicht
zwangsläufig ein größeres Maß an religiösem
Pluralismus. Auch bei einer begrenzten Zahl traditioneller göttli-
cher Adressaten... führten die Personalisierung und Individualisierung
des Verhältnisses der Menschen zu 'ihren'
Göttern zu pluralistischen... Handlungs- und Deutungsmustern"
(310f). Assmann betont überraschenderweise,
dass ihm nichts ferner liege, "als dem Monotheismus den Vorwurf zu machen,
er habe die Gewalt in die Welt
gebracht. Im Gegenteil, der Monotheismus hat mit seinem Tötungsverbot,
seiner Abscheu gegen Menschenopfer
und Unterdrückung, seinem Plädoyer für die Gleichheit
aller Menschen vor dem Einen Gott, alles getan, die Ge-
walttätigkeit dieser Welt zu verringern" (328). Er präzisiert
bzw. modifiziert dann seine These dahingehend, "daß
bestimmte Formen religiös motivierter Gewalt im Bereich des so
genannten Heidentums nicht denkbar sind" (328).
Im Ganzen informieren die beiden Bände in einer Variationsbreite über
antike Kulturen und ihre Gottesbilder, wie
es kaum in einer anderen aktuellen Veröffentlichung in ähnlicher
Weise zu finden ist. Insbesondere der christliche
Glaube wird dabei auf überzeugende Weise dargestellt und auf angemessene
Weise im Kontext der übrigen Reli-
gionen verortet.
Herbert Frohnhofen, 1. August 2007