Alberto Capboscq, Schönheit
Gottes und des Menschen. Theologische Untersuchung des Werkes
In Canticum Canticorum von Gregor von Nyssa aus der Perspektive
des Schönen und des Guten
(Regensburger Studien zur Theologie 55) Frankfurt/Main 2000;
Dieses Buch wurde bereits im Jahr 1999 von der Katholisch-Theologischen
Fakultät der Universität Regensburg
als Dissertation angenommen. In der Einleitung gibt der Autor zunächst
einige Hinweise zur Gregor-Forschung
im allgemeinen, bevor er das Anliegen seiner Arbeit benennt. Ziel seines
Buches ist es, "einen neuen Zugang zu
Gregors Gedanken in diesem Werk (d.i. In Canticum canticorum) zu bahnen",
indem in besonderer Weise das
Augenmerk auf jene "Bezeichnungen und Bilder(n) (gerichtet wird),
die sich auf das Schöne und Gute beziehen.
Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, die verzerrende Wirkung
des Untersuchungsinstrumentariums, das
für die Annäherung an Gregors Gedanken verwendet wird, so
weit wie möglich zu verringern" (28). Nach Aus-
kunft des Autors "zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, dieses Werk
Gregors (d.i. In Canticum canticorum) aus
dem Blickwinkel des 'Schönen' und des 'Guten' zu betrachten,
wobei sich die Aufmerksamkeit jedoch auf die the-
ologischen Grundgedanken des Diskurses richtet" (36f). Das Werk
ist in vier Teile gegliedert.
Der erste Teil behandelt die menschliche und göttliche
Schönheit im Werk "In Canticum canticorum".
Hier geht es dem Autor darum, "einen Überblick über jene
inhaltlichen Elemente des Cant zu verschaffen, die
auffällig werden, wenn dieses Werk in Hinblick auf Begriffe aus
dem Bedeutungsfeld 'schön' und 'gut' betrach-
tet wird sowie auf die vielen Bilder, die sich darauf beziehen"
(49). Schön sei der Mensch gewesen, so wird es
hier dargestellt, so lange er sündlos gelebt habe; die Sünde
habe den Verlust dieser Schönheit mit sich gebracht.
Das Eingreifen Gottes, seine Rettung, mache aber die "schwarze"
Menschheit wieder "schön"; die Finsternis
wandle sich in Licht (55). Durch die prozesshaft geschehende "Annäherung"
an die "urbildliche Schönheit" Got-
tes werde auch der Mensch wieder "schön" (55). Die Motivation
hierzu kommt aus der "Verlockung" Gottes (63);
die "'Zunahme des Guten'... infolge des stets aufrechterhaltenen 'Verlangens
nach dem Höheren'... bewirke, dass
der Mensch einige 'gläzende' Wesenszüge der Schönheit
und des Guten Gottes in sich erkennen lasse" (65).
Im zweiten Teil des Buches beschreibt der Autor das christliche
Leben als Weg zur erneuerten Anmut. Er
führt zunächst aus, dass dieses Thema des Gewinnens einer erneuerten
Schönheit für den Menschen in verschie-
denen Werken Gregors zur Sprache kommt. So heißt es beispielsweise,
"dass durch das 'Ordnen'... (der) fleisch-
lichen Begehrlichkeit und ihre 'Reinigung'... durch die Tugend die
verlorene Schönheit wiederhergestellt werde"
(90). Die "Jungfräulichkeit (wird dabei) als Modell des tugendhaften
Lebens verstanden, begründet und in ihren
grundlgenden Aspekten umrissen" (92). Dasjenige, was die Seele
befleckt und ihre Schönheit verdunkelt wird be-
schrieben als "Götzendienst", Gottlosigkeit", "Gesetzwidrigkeit",
"Habsucht", "Ruhmsucht" sowie Verlangen nach
"Machtpositionen", "Ansehen" und "Stärke". Dazu kommen
Leidenschaften, die die Seele "beflecken", z.B. "Lust",
"Traurigkeit", "Zorn", "Furcht", "Dünkel", "Neid" und andere
(109f). Freiheit, Leidenschaftslosigkeit und ange-
messenes Verlangen sind jene Mittel, mit denen all dies überwindbar
und die Schönheit der wahren Menschenna-
tur wieder zu gewinnen ist.
Der dritte Teil behandelt die anthropologische Grundlage.
Gemeint ist damit die Darstellung des Menschenbil-
des Gregors, das die Grundlage dazu bildet, dass von einer Schönheit
des Menschen, von deren Verdunklung, so-
wie von deren Wiedergewinnung überhaupt gesprochen werden kann. Erste
These in diesem Zusammenhang ist,
dass die menschliche Natur (im Gegensatz zur göttlichen) wandelbar
ist. Während die göttliche Natur "im Guten
ubegrenzt" und "frei von allen 'Gegensätzen'" sei,
habe die Seele die Möglichkeit, "sich zu 'beiden Gegensätzen'",
dem Guten und dem Bösen, gleichermaßen zu 'neigen'... Das
Gute und das Böse 'folgen aufeinander'... und 'be-
schränken sich gegenseitig'" (167). Durch die Zunahme am Guten
aber vergrößere sich die Seele; und dies sei ihr
Ziel und Aufgabe. - Als zweiter Gesichtspunkt wird hier Gregors Vergleich
der menschlichen Seele mit einem
Spiegel beschrieben. Gottes Gut-sein sei wie die Sonne nicht unmittelbar
wahrzunehmen; über die menschliche
Seele aber, die wie ein Spiegel Gottes wirke, könne das Gut-Sein
Gottes aufleuchten und sichtbar werden (186ff).
- Hiermit zusammen hängt als drittes Moment das aus nichtchristlicher
und christlicher Tradition bereits bekannte
Motiv der Angleichung des Menschen an Gott.
Der vierte und letzte Teil des Buches ist schließlich
der Anmut und Güte Gottes gewidmet. Hierbei wird zu-
nächst die Offenbarung dieser Anmut und Güte Gottes in der Heilsgeschichte
betrachtet. Das "vollkommene Auf-
leuchten' (dieser Anmut und Güte Gottes)... finde erst mit der
Ankunft des Logos im Fleisch statt. Hinter dem 'Ty-
pus'... des Alten Testaments stehe zwar 'die Wahrheit' selbst..., die
mit ihrem Glanz leuchte - all das sei jedoch nur
der 'Schatten der künftigen Güter'" (233). Was in der
Prophetie des Alten Testamentes noch "dunkel" gewesen sei,
werde jetzt, im Neuen Testament, "erleuchtet" und "deutlich erklärt"
(234). "Im Geheimnis der freiwilligen Keno-
sis, das die Fleischwerdung und das Leben Jesu bis zur Erfahrung des
Todes umfasst, lasse sich wirklich die 'ganze
Wahrheit des Logos' als 'glaubwürdig' erkennen" (255).
Im Ganzen gibt das Buch einen sehr fundierten, mit einem sehr ausgeprägten
Anmerkungsapparat versehenen Ein-
blick in die in Rede stehende Thematik. Eine Anfrage ist lediglich zu richten
an die Gliederung der Arbeit: Der Ar-
gumentationsstrang hätte plausibler aufscheinen können, wenn Anmut
und Güte Gottes sowie die anthropologische
Grundlage zunächst, menschliche und göttliche Schönheit sowie
der christliche Weg zur erneuerten Anmut hinge-
gen zum Abschluss behandelt worden wären. Der Anhang hingegen mit seinen
detaillierten Verzeichnissen ist ab-
solut vorbildlich.
Herbert Frohnhofen, 1. November 2006