Theologie-Systematisch
Gotteslehre
§
20. Gott ist Liebe/Barmherzigkeit/Güte/eifersüchtig
Texte
"In der Enzyklika 'Deus caritas
est – Gott ist die Liebe' habe ich mich dem Thema der Liebe gewidmet und
die beiden Grundformen: Agape und Eros in den
Blick gerückt... Mit dem Ausdruck Agape, der häufig im
Neuen Testament vorkommt, wird die hingebende
Liebe dessen bezeichnet, der ausschließlich das Wohl des
anderen sucht; das Wort Eros hingegen meint
die Liebe dessen, den ein Mangel bedrückt und der nach der
Vereinigung mit dem Ersehnten verlangt. Die
Liebe, mit der Gott uns umgibt, entspricht der Agape. Kann
der Mensch etwa Gott etwas geben, was Er nicht
schon besäße? Was das menschliche Geschöpf ist und hat,
ist Gottes Gabe: folglich ist es das menschliche
Geschöpf, das in allem Gott braucht. Doch Gott liebt auch
mit der Kraft des Eros. Im Alten Testament erweist
der Schöpfer des Universums dem von Ihm erwählten Volk
eine erwählende Liebe, die jeden menschlichen
Beweggrund übersteigt. Der Prophet Hosea bringt diese gött-
liche Passion in wagemutigen Bildern zum Ausdruck,
wie etwa dem von der Liebe eines Mannes zu einer ehe-
brecherischen Frau (vgl. 3,1-3); wenn Ezechiel
von der Beziehung Gottes zum Volk Israel spricht, scheut er
sich nicht, eine glühende und leidenschaftliche
Sprache zu wählen (vgl. 16,1-22). Solche biblische Texte zei-
gen, dass der Eros zum Herzen Gottes selbst
gehört: der Allmächtige erwartet das „Ja“ seiner Geschöpfe
wie
ein junger Bräutigam das seiner Braut.
Durch die Falschheit des Bösen hat sich
die Menschheit leider von Anfang an der Liebe Gottes verschlossen
in der Illusion einer unmöglichen Selbstgenügsamkeit
(vgl. Gen 3,1-7). In sich verkrümmt hat sich Adam
von Gott, der Quelle des Lebens, entfernt und
ist der Erste all derer geworden, „die durch die Furcht vor dem
Tod ihr Leben lang der Knechtschaft verfallen
waren“ (Hebr 2,15). Gott aber blieb unbesiegbar. Das „Nein“
des Menschen war statt dessen der entscheidende
Anstoß für die Offenbarung Seiner Liebe in all ihrer erlö-
senden Kraft...
Im Geheimnis des Kreuzes offenbart sich in aller
Fülle die uneingeschränkte Macht, mit der sich der himm-
lische Vater erbarmt. Um die Liebe seines Geschöpfes
wiederzugewinnen, hat Er einen sehr hohen Preis auf-
gebracht: das Blut seines eingeborenen Sohnes.
Der Tod, für den ersten Adam Zeichen der äußersten Ein-
samkeit und Ohnmacht, wurde gewandelt in den
höchsten Akt der Liebe und der Freiheit des neuen Adam.
So kann man gut mit Maximus dem Bekenner sagen,
dass Christus „sozusagen göttlich gestorben ist, weil
er freiwillig gestorben ist“ (Ambigua, 91, 1956).
Im Kreuz enthüllt sich Gottes Eros zu uns. Eros ist in der
Tat nach einem Ausdruck des Pseudo-Dionysius
jene Kraft, „die es dem Liebenden nicht erlaubt, in sich
selbst zu verweilen, sondern ihn drängt,
sich mit dem Geliebten zu vereinigen“ (De divinis nominibus, IV,
13; P G 3,712). Gibt es einen „verrückteren
Eros“ (N. Cabasilas, Vita in Cristo, 648) als den des Gottessoh-
nes? Er wollte mit uns bis zu dem Punkte eins
werden, der ihm die Folgen unserer Verbrechen an Sich Selbst
zu erleiden gestattet...
Liebe Brüder und Schwestern! Schauen wir
auf den am Kreuz durchbohrten Christus! Er ist die erschüttern-
ste Offenbarung der Liebe Gottes, einer Liebe,
in der Eros und Agape jenseits von allem Gegensatz sich ge-
genseitig erhellen. Am Kreuz bettelt Gott selbst
um die Liebe seines Geschöpfes: Ihn dürstet nach der Liebe
eines jeden von uns. Der Apostel Thomas hat
in Jesus den „Herrn und Gott“ erkannt, als er die Hand in die
Seitenwunde legte. Es überrascht nicht,
dass viele Heilige im Herzen Jesu den bewegendsten Ausdruck des
Geheimnisses dieser Liebe sehen. Man könnte
geradezu sagen, dass die Offenbarung des Eros Gottes gegen-
über dem Menschen in Wirklichkeit der höchste
Ausdruck seiner Agape ist. Fürwahr nur die Liebe, in der
sich die kostenlose Selbsthingabe und der leidenschaftliche
Wunsch nach Gegenseitigkeit vereinen, gewährt
eine Trunkenheit, welche die schwersten Opfer
leicht macht. Jesus hat gesagt: „Wenn ich über die Erde er-
höht bin, werde ich alle zu mir ziehen“
(Joh 12,32). Sehnsüchtig erwartet der Herr von uns vor allem die Ant-
wort, dass wir seine Liebe annehmen und uns
von Ihm an sich ziehen lassen. Wobei es nicht genügt, seine
Liebe lediglich anzunehmen. Solche Liebe und
solcher Einsatz wollen ihre Entsprechung in der Weitergabe
an die anderen: Christus „zieht mich zu sich“,
um sich mit mir zu vereinigen, damit ich lerne, die Brüder
und Schwestern mit seiner Liebe zu lieben...
„Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt
haben“. Schauen wir mit Vertrauen auf die durchbohr-
te Seite Jesu, aus der „Blut und Wasser“ (Joh
19,34) flossen. Die Kirchenväter haben diese Elemente als
Symbole für Taufe und Eucharistie gesehen.
Durch das Wasser der Taufe erschließt sich uns in der Kraft
des Heiligen Geistes die Intimität der
trinitarischen Liebe. Die Fastenzeit drängt uns, dass wir in der Gna-
de der Taufe aus uns selbst ausziehen und uns
der barmherzigen Umarmung des Vaters (vgl. Hl. Johannes
Chrysostomus, Katechesen, 3,14 ff.) öffnen.
Das Blut, Symbol der Liebe des Guten Hirten, strömt durch
das Geheimnis der Eucharistie in uns ein: „Die
Eucharistie zieht uns in den Hingabeakt Jesu hinein ...
wir werden in die Dynamik seiner Hingabe hineingenommen“
(Deus caritas est, 13). Leben wir also die
Fastenzeit als eine „eucharistische“ Zeit, in
der wir die Liebe Jesu empfangen und sie um uns in Wort und
Tat verbreiten. Die Betrachtung dessen, „den
sie durchbohrt haben“, drängt uns somit, den anderen das
Herz zu öffnen und die Wunden zu erkennen,
die der Würde des Menschseins geschlagen werden. Es drängt
insbesondere, jede Form der Verachtung des Lebens
und der Ausbeutung der menschlichen Person zu be-
kämpfen und die dramatische Vereinsamung
und Verlassenheit vieler Menschen zu lindern. So werde die
Fastenzeit für jeden Christen zur erneuten
Erfahrung der Liebe Gottes, die uns in Jesus Christus geschenkt
worden ist – eine Liebe, die wir unsererseits
dem Nächsten weiterschenken müssen, vor allem denen, die lei-
den und in Not sind."
die ewige Liebe, das
zeitlose und unwandelbare Sein."
(Franz Jalics, Kontemplative Exerzitien, Würzburg
1994, 247)
„Alles vollzieht sich so, als warte der Schöpfergott
darauf, daß die Dinge werden,
ohne daß er sie seine Allmacht
spüren ließe. Dieser auf die Schöpfung wartende
Schöpfergott steht allerdings
auch eher im Einklang mit dem uns aus der Verei-
nigungsmetaphysik aufscheinenden
trinitarischen Gott, der die Liebe ist. Die Liebe
überwältigt nicht, zwingt
nicht. Gott, der die Liebe ist, schafft deshalb auch keine
nach deterministischen Gesetzen
funktionierende Maschine, vielmehr ruft er die
Welt aus dem Nichts zu sich, damit
sie ihm in Liebe begegnen könne... Der Ruf
Gottes, der die Welt aus dem Nichts
hervorruft, ist so auch nicht ein überwälti-
gender Ruf. Nichts deutet darauf
hin, daß die Dinge unter einem direkten Anruf
Gottes stünden, als sei der
Schöpferruf ein die frühe Schöpfung auf den direkten
Weg zu Gott zwingender Ruf. Die
Liebe als Schöpfungsprinzip läßt etwas anderes
erwarten, daß sie sich nämlich
den Dingen auf der Ebene zuwendet, auf der sie exi-
stieren. Gott ruft nichts, niemand
direkt zu sich, sondern nur durch das benachbar-
te Element. Gott ist dem Atom
gewissermaßen als Atom präsent, dem Molekül als
Molekül, der Zelle als Zelle,
dem Lebewesen als Lebewesen, dem Menschen als Men-
schen. In dieser Sicht erscheint
Gott als der, von dem gesagt werden kann, er sei
alles in allem, ohne je das einzelne
in seiner mehr oder weniger großen Eigenstän-
digkeit unter Zwang zu stellen. Der Prozeß
des Werdens stellt sich insgesamt,
nicht im Detail, als eine Welt dar,
die auf dem Weg zu Gott ist."
(K. Schmitz-Moormann, Evolution und Erlösung,
in:
Ders. (Hg.), Schöpfung und Evolution, Düsseldorf
1992, 131-148, 138)
"Wer den Leuten
verkündet, Gott ist die Liebe und nichts als die Liebe, der muss sich
nicht wundern, wenn es entweder mit dem Evangelium oder mit der Welt hinten
und
vorne nicht stimmt. Dann muss man die Wirklichkeit der Welt oder den lieben
Gott
so lange zurechtreden, bis die Fragen aufhören - oder man hüllt
das Absurde gleich
in Schweigen und verkauft seine Hilflosigkeit als Kraft des Glaubens. Nach
allem,
was ich von der Bibel verstehe und dem, was sie über Gott aussagt,
widerstrebt mir
die naive Rede von der Liebe Gottes. Vielleicht ist Gott gar nicht die
Liebe, wie wir
uns das vorstellen"
(K. BERGER, Jesus, München 2004, 99)