Theologie-Systematisch
Gotteslehre
§ 17. Transzendenz/Allgegenwart/Heiligkeit/
Unbegreiflichkeit/Unsichtbarkeit/Schweigen Gottes

Texte

"Wie das Kreuz Christi zeigt, spricht Gott auch durch sein Schweigen. Das Schweigen Gottes, die
Erfahrung der Ferne des allmächtigen Vaters, ist ein entscheidender Abschnitt auf dem irdischen
Weg des Sohnes Gottes, des fleischgewordenen Wortes. Am Holz des Kreuzes hängend, hat er den
Schmerz beklagt, den dieses Schweigen ihm zufügt: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich
verlassen?« (Mk 15,34;
Mt 27,46). Gehorsam bis zum letzten Atemzug, hat Jesus in der Finsternis
des Todes den Vater angerufen. Ihm vertraute er sich im Augenblick des Übergangs durch den 
Tod zum ewigen Leben an: »Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist«
(Lk 23,46).

Diese Erfahrung Jesu ist bezeichnend für die Situation des Menschen, der, nachdem er das Wort
Gottes gehört und erkannt hat, es auch mit seinem Schweigen aufnehmen muß. Es ist eine Erfah-
rung, die etliche Heilige und Mystiker gemacht haben und die auch heute zum Weg vieler Gläubi-
gen gehört. Das Schweigen Gottes ist wie eine Verlängerung der Worte, die er zuvor gesprochen
hat. In diesen dunklen Augenblicken spricht er im Geheimnis seines Schweigens. Darum erscheint 
in der Dynamik der christlichen Offenbarung das Schweigen als wichtiger Ausdruck des Wortes
Gottes."


(P. BENEDIKT XVI., Nachsynodales apostolisches Schreiben VERBUM DOMINI, Nr. 21,
in: L'Osservatore Romano. Sonderdruck 40 (2010) Nr. 47 vom 26. November 2010, S. IV)


"In der Darstellung der Transzendenz Gottes geht Kelsos in 7,45a (Origenes, Gegen Kelsos) weiter
als die
anderen Gestalten, die als Vergleichspunkt genommen wurden. Der transzendente 'Jene'
(ekeinos) ist nicht der Nous, sondern die Ursache dafür, dass der Nous versteht. Seine Kausalität - 
aitios im Sinn einer causa efficiens - erstreckt sich auf alle Bereiche der Wirklichkeit: Die Denk-
kraft besteht durch ihn; das Wissen erkennt durch ihn; alles Denkbare; die Wahrheit selbst und
das Sein selbst sind durch ihn. Er selbst gehört nicht zu diesen Bereichen, da er 'jenseits von allem ist'"


(H.E. Lona, Die 'wahre Lehre' des Kelsos, Freiburg u.a. 2005, 47f)

Gottes Ewigkeit und Allgegenwart ist "als Medium der machtvollen Gegenwart Gottes bei seinen
Geschöp
fen an ihren Orten und zu den Zeiten ihres Daseins zu denken. In seiner Ewigkeit ist Gott
seinen Geschöp
fen sowohl transzendent, als auch gegenwärtig, also der Welt seiner Schöpfung im-
manent. Die Geschöpfe
existieren je an ihrem besonderen Ort und in ihrer besonderen Zeit, samt
dem Universum der Raumzeit, in
der Gegenwart des ewigen Gottes, der sie unendlich übersteigt
und doch nicht fern ist von einem jeden von
ihnen"

(W. Pannenberg, Raum, Zeit und Ewigkeit, in: Chr. Böttigheimer/H. Filser (Hg.), Kirchen-
einheit
und Weltverantwortung. Festschrift für Peter Neuner, Regensburg 2006, 209-219, 218f)

"Wer dumm ist, lässt sich täuschen von der Unsichtbarkeit Gottes."

(K. Berger, Jesus, München 2004, 114)


"Wenn du ihn begreifst, ist es nicht Gott."

(Augustinus, Sermo 117)

"Keine entstandene Gestalt (species)... bringt das Wesen Gottes zur Darstellung, wie es ist, (...) dem-
nach gelangt man durch keine Vorstellung zur Schau des Wesens Gottes. (...) kein Endliches kann
das Unendliche darstellen, >wie es ist<; jede geschaffene Gestalt aber ist endlich, (...) jedes geschaf-
fene vernünftige Wesen ist endlich: also erkennt es (auch nur) begrenzt. Demnach kann Gott von
keiner geschaffenen Vernunft verstanden werden, so weit er verstehbar ist, weil er von unendlicher
Kraft und unendlichem Sein (...) ist: deshalb bleibt Gott für jede geschaffene Vernunft unbegreiflich."


(Thomas von Aquin, Super Evangelium S. Joannis Lectura cap. I, Lectio XI, 1)
"Ganz offensichtlich wird in allen großen religiösen Traditionen dieser Welt auf je eigene Weise
bekräftigt,
dass es eine letzte, transzendente Wirklichkeit gibt, die in ihrer Transzendenz alles
menschliche Begreifen und alle menschlichen Beschreibungsversuche übersteigt. Das bedeutet,
dass sich die Behauptungen dieser Religionen über die transzendente Wirklichkeit in diesem zen-
tralen Punkt nicht widersprechen, sondern dass sie hierin vielmehr konvergieren... Daher muss
strikt unterschieden werden zwischen der transzendenten Wirklichkeit als einer an sich unendli-
chen und daher ebenso unbegreiflichen wie unbeschreiblichen Wirklichkeit und jenen Vorstel-
lungen und Beschreibungen, mit deren Hilfe in den verschiedenen Religionen auf diese trans-
zendente Wirklichkeit verwiesen wird."

(Perry Schmidt-Leukel, Gott ohne Grenzen. Eine christliche und
pluralistische Theologie der Religionen, Gütersloh 2005, 206)


"Transzendenz entsteht... aus einer Überinterpretation der Resonanzlosigkeit."

(P. Sloterdijk, Gottes Eifer. Vom Kampf der drei
Monotheismen, Frankfurt/Main-Leipzig 2007, 24)