Klaus Berger u.a., Bilder des Himmels. Die Geschichte des Jen-
seits
von der Bibel bis zur Gegenwart, Freiburg/Bg. u.a. 2006;

Es ist ein interessantes Genre, das mit diesem Buch eröffnet wird - und eine Prachtausgabe dazu. Viele tat-
sächliche Bilder aus der Geschichte der jüdisch-christlichen Kultur werden abgedruckt und dazu theologische
Texte, die einen Einblick geben in die Vorstellungs- und Glaubenswelt, die sich in den vergangenen zwei bis
drei Jahrtausenden um das himmlische Jenseits gerankt haben.

KLAUS BERGER vermittelt in seinem ersten Beitrag eine biblische Grundlegung zum Himmel. Dieser
ist "eine komplexe Wirklichkeit, die das sichtbare Firmament ebenso umfasst wie den Ort Gottes, der Engel
und der Seligen. Am sichtbaren Himmel... fliegen Vögel... Der unsichtbare Himmel dagegen ist ein verborge-
nes Etwas, in dem alles das, was in der Zukunft gut sein wird, aufgehoben ist. Der sichtbare Himmel bestimmt
das Licht und die Zeit, der unsichtbare verbirgt die Unvergänglichkeit" (13). Auch der (sichtbare) Himmel
wurde von Gott geschaffen, und zwar mit der Erde gemeinsam; der (sichtbare) Himmel und Erde werden ver-
gehen wie alles Geschaffene (16). "Vor allem von Plato (hingegen) geht die Überzeugung aus, dass der Him-
mel immateriell und rein geistig ist" (17). Das irdische Geschehen soll dem himmlischen entsprechen; so er-
hält Mose den Auftrag, den Tempel in Jerusalem nach dem Vorbild des himmlischen Tempels zu errichten
(Ex 25,40). Als der Auferstandene und "Erhöhte tritt Jesus Christus (nach Hebr. 8) beim himmlischen Vater
für die Menschen ein und reinigt die entscheidende Dimension, nämlich das Gewissen der Menschen" (18f).
Berge gelten als Eingänge zum Himmel; Bergheiligtümer (Ararat, Sinai, Zion) haben diese Funktion der be-
sonderen Begegnung von Gott und Mensch bis heute bewahrt: "Die Gipfelkreuze auf alpinen Höhen sind ein
lebendiger Rest dieser Anschauung" (25).

Himmel und Erde gelten jedoch als durch einen Vorhang geschieden: "Den Tag über verhüllt er die am Fir-
mament befestigten Gestirne. Abends wird der Vorhang zurückgezogen, damit Mond und Sterne die Erde er-
leuchten können. Durch Fenster in diesem Vorhang sehen die Engel die Menschen" (26). Vor allem am En-
de der Zeiten tritt der Himmel in engen Kontakt mit der Erde; die himmlischen Normen werden im Weltge-
richt auf der Erde durchgesetzt. Der Teufel ist ursprünglich "eine Art Staatsanwalt vor Gottes Thron" (30).
Erst nach dem Satanssturz auf die Erde verfolgt dieser "jetzt die Frau und ihre Kinder (die Kirche; Offb 12,
13 bis 18)" (33). Auf der Erde liegt deshalb alles daran, die Macht Satans und der Dämonen zu brechen.Von
unten nach oben steigen vor allem die Seligen; der Himmel ist Aufenthaltsort der Verstorbenen. Schon nach
dem Alten Testament werden Henoch (Gen 5,24 und Elija (2 Kön 2,1-18) in den Himmel entrückt. Sie sol-
len in der Endzeit von dort wiederkehren, Umkehr predigen, gegen den Antichrist kämpfen und dann den
Märtyrertod sterben: "Nach Angabe zahlreicher Apokalypsen werden sie dann nach drei Tagen unbeerdigt
auferstehen und dann wirklich endgültig in den Himmel entrückt werden" (39). Das Fazit ist: "Im Judentum
und im Christentum ist das Gegenüber von Himmel und Erde nicht statisch verstanden, sondern Schauplatz
eines Dramas, und zwar von Auf- und Abstieg, schließlich aber von Berührung und Verwandlung" (42).

Im zweiten Beitrag erläutert WOLFGANG BEINERT die Geschichte des Himmels. Der Beitrag beginnt
mit einer Abbildung und Beschreibung der monumentalen Darstellung des Jüngsten Gerichts, die Giotto in
Padua geschaffen hat. "Die Frage nach dem Himmel", so erläutert der Autor im Anschluss, "ist die humane
Antwort des Menschen auf seine Menschwerdung. Sie lässt erkennen, dass er ein geistbestimmtes Lebewesen
ist, unterschieden von allen Tieren... Die Frage nach dem Himmel gehört... zu den ursprünglichsten und
menschlichsten aller denkbaren Menschenfragen" (46). Dabei unterscheidet B. vier Bedeutungen des Wor-
tes >Himmel< in unserem üblichen Sprachgebrauch. Es steht: (1) für das sich scheinbar über uns wölbende
Firmament, (2) für die Transzendenz, also all das was die Welt übersteigt, (3) als Metapher für etwas außer-
ordentlich Angenehmes, Beglückendes oder Befriedigendes und (4) für den Ort oder Zustand der Beseligung
nach dem Tod (48). Die Geschichte, so der Autor, füllt die Bilder vom Himmel in je unterschiedlicher, der
Zeit und der jeweiligen Kultur angepasster Weise: "Himmel und Hölle sind (dabei) Chiffren für die Sinnhaf-
tigkeit und die Sinnlosigkeit, für Lebenserfüllung und finales Scheitern, für selige Erfüllung und grauenhaf-
tes Versagen der eigenen Existenz... Es geht dabei ums Ganze, und es geht um alles" (57).

Schon Zarathustra (um 1400 v.Chr.) lehrt die Zusammensetzung des Menschen aus Leib und Seele; im Tod
trennt die Seele sich vom Leib, wird von Gott gerichtet und landet je nach Verdienst in Himmel oder Hölle.
Am Ende der Tage vereinigen sich beide Bestandteile des Menschen auf der Erde und treten vor das Weltge-
richt. Nachdem die Erde gereinigt und zum Reich des obersten guten Gottes geworden ist, existieren die Men-
schen ohne Ende in dieser herrlichen Welt. Unverkennbar ist die Parallele zu späteren Vorstellungen im Kon-
text des Christentums. In Ägypten gibt es seit dem 7. Jahrhundert vor Christus die Vorstellung eines hierar-
chisierten Himmels; auch dies nimmt Einfluss auf die sehr viel späteren Bilder im Christentum. Aus der phi-
losophischen Variante der griechisch-römischen Himmelskonzeption (ab. dem 4. Jh. v.Chr.) übernehmen
die Christen die Vorstellung eines himmlischen Jenseits für die Seele, die sie allerdings für den auferstande-
nen Leib erweitern. "Die Jenseitsvorstellungen des Koran sind auf weite Strecken den christlichen parallel"
(68). Obwohl die Bilder des hier sogenannten >Paradieses< sehr konkret sind, geht es zuletzt um "die Verei-
nigung mit Allah, die Anschauung Gottes" (69). Im Buddhismus geht es um das Erlöschen allen Leids, im
Hinduismus um die höchste Glückseligkeit.

Für die Christen werden neben der Paradies-Erzählung aus dem Buch Genesis die Visionen des Sehers von
Patmos (Offb 21,9-22,5) bedeutend. Der Himmel ist hier das neue Jerusalem; und dies erstrahlt in glänzender
Pracht. Bei allen auch hier gewachsenen Vorstellungen über das Jenseits ist es aber bedeutsam zu sehen, dass
das "christliche Leben, so es einigermaßen glückt,... (selbst) bereits eine sakramentale Verwirklichung des End-
zustandes (ist), der Himmel auf Erden" (82). Himmel, so Thomas von Aquin, ist identisch mit Gottesschau,
der visio beatifica: "Sie ist keine Tätigkeit im aktivischen Sinn, sondern rezeptive Betrachtung (contemplatio),
d.h. innerliche Erfassung Gottes, den die Seligen 'schauen, wie er ist' (1 Joh 3,2). Daraus folgt eine grenzen-
lose Liebe zu ihm. So erfüllt Gott die Heiligen dermaßen, dass sie nach nichts und niemand anderem Verlan-
gen haben, es sei denn ganz am Rande... nach den anderen heiligen Menschen" (90). Allerdings - so ist des
Volkes Vorstellung - bleibt die weltlich- wie die kirchlich-hierarchische Ordnung auch im Himmel erhalten,
Kaiser und Päpste, Fürsten und Bischöfe haben auch im Jenseits wieder die besten Plätze. Erst in der Renais-
sance regiert dann die weltliche Lust in der Vorstellung des Himmels: "Alle Sinne sind voller Wohlbehagen,
so dass kein irdischer Liebersgenuss dem vergleichbar ist" (100). Viel nüchterner ist dagegen der Himmel der
Reformatoren: "Man sieht keine Heiligen mehr; sie könnten die Ausrichtung auf Gott allein hemmen" (104).
In der Moderne werden alle Phantasien und Vorstellungen vom Jenseits über den Haufen geworfen, die Rede
und Vorstellung von einem Himmel wird als metaphorisch erkannt und ausdrücklich auch benannt.

Der dritte Beitrag, der von CHRISTOPH WETZEL verfasst wurde, ist der Ikonographie des Himmels ge-
widmet. Hier gibt es eine Vielzahl von Beschreibungen sehr unterschiedlicher Bildmotive aus sehr unterschied-
lichen  Kulturen und Religionen. Ein barockes Deckengemälde aus dem Schloss Nymphenburg ist hier ebenso
vertreten wie der vierte Tag der Schöpfung aus der Sixtinischen Kapelle im Vatikan, die Darstellung der
Nachtfahrt des Sonnengottes Amun-Re wie das Mandala, eine buddhistische Pagode ebenso wie das karolingi-
sche Weltrad und vieles andere. Bei aller Schönheit der Abbildungen scheint dieses Kapitel ein wenig zusam-
mengewürfelt, der Zusammenhang mit der Himmels-Vorstellung auch nicht immer klar.

Im vierten und letzten Beitrag, der vergleichsweise sehr knapp ausgefallen ist, gibt MEDARD KEHL eine sy-
stematisch-theologische Darstellung der christlichen Vollendungshoffnung. Die Bedeutung des Ausdrucks
 "Himmel" erläutert der Autor als "die 'Wohnung Gottes' in seiner Schöpfung, die zum einen dem Menschen und
seiner Verfügung entzogen ist und doch zum anderen eine Beziehung zur 'Erde', zur Erfahrungswelt des Men-
schen, hat" (199). Der Himmel sei damit eine dynamische, expansive Wirklichkeit. Im Anschluss daran erläu-
tert K., dass in der gegenwärtigen christlichen Theologie wieder unbefangener von der Seele und ihrer Unsterb-
lcihkeit gesprochen wird, allerdings in sehr veränderter Weise gegenüber der klassischen Leib-Seele-Lehre. The-
ologen verstehen nämlich "heute unter der Seele des Menschen den ganzen Menschen - allerdings unter einer be-
stimmten Rücksicht: nämlich dass er von Gott dazu befähigt ist, sein 'Dialogpartner' zu sein..., also mit Gott in
eine hörende, antwortende und liebende Beziehung treten zu können" (207). Auch der Leib ist nach dem moder-
nen Verständnis der Theologie "mehr als nur ein biologischer Organismus. Man kann ihn vielleicht verstehen
als den in die menschliche Biographie hinengezogenen 'Körper', der also von der Lebensgeschichte eines Men-
schen sichtbar geprägt ist" (207). "Unsterblichkeit der Seele" und "Auferstehung des Leibes" gelten dann als ver-
schiedene Aspekte des einen großen Vollendungsgeschehens.

Im Ganzen gibt das Buch einen wunderbaren Einblick in die Kulturgeschichte des Himmels, und zwar sowohl
mit Hilfe der zahlreichen, vielfach detailliert kommentierten Abbildungen, als auch durch die sehr instruktiven
Texte.

Herbert Frohnhofen, 1. November 2006