Johann Anselm Steiger, JONAS PROPHETA. Zur Auslegungs- und Me-
diengeschichte des Buches Jona bei Martin Luther und im Luthertum
der Barockzeit (Doctrina et Pietas II/5) Stuttgart-Bad Cannstatt 2011

Dieser Band aus der sehr aufwändig gestalteten und entsprechend hochpreisigen Reihe >Doctrina und
Pietas< versammelt einige Beiträge des an der Universität Hamburg tätigen Kirchen- und Dogmenhis-
torikers sowie eine Edition von Johann Matthäus Meyfarts >Tuba Poenitentiae Prophetica< von 1625.
Zu der nach Ansicht des Autors insgesamt vielfach noch vernachlässigten Erforschung der Geschichte
der Bibelauslegung will er hier in Bezug auf das alttestamentliche Buch Jona einen Beitrag leisten, der
von der lutherschen Exegese der Jona-Erzählung seinen Ausgang nimmt und danach die "Wirkungs-
geschichte und Fortentwicklung der Lutherschen Deutung der Jona-Erzählung im Luthertum des 17.
Jahrhunderts anhand von aus der Masse der Quellen herausragenden Literaturdenkmälern in den
Blick" nimmt (10f). Dabei werden unterschiedliche literarische Gattungen berücksichtigt.

MARTIN LUTHER zunächst, der sich nach St. sehr intensiv mit dem Buch Jona befasst, deutet das
Geschehen um Jona als die dramatische Konfrontation jedes Gläubigen mit dem ihm unbekannten Gott.
Nur indem der Gläubige (= Jona) Gott in seinem Tun und Urteil gleichwohl Recht gibt, geschieht die
"iustificatio Dei" (12) und der Gläubige bleibt, obwohl er über Bord geht und damit dem Tod über-
antwortet ist, wie Jona im Bauch des Fisches wunderbar geborgen am Leben. JOHANN CALVIN be-
stätigt diese Exegese im Wesentlichen, fordert den Hörer aber nicht dazu auf, "sich in die affektive,
psychische Lage Jonas hineinzuversetzen" (19). Bei beiden freilich wird das Verschlucktwerden durch
den Fisch "als Voraussetzung einer existentiellen Gerichtserfahrung Jonas qualifiziert" (19). In der Pa-
tristik hingegen war dies zumeist "als eine zuvörderst rettende Intervention Gottes" (20) begriffen wor-
den. Des Weiteren wird Jonas Verhalten von Luther und Calvin - wiederum im Gegensatz zu den Vä-
tern - in keiner Weise entschuldigt. Ihnen geht es offenbar darum, "den Propheten als Heiligen vor
Au
gen zu stellen, der wie alle anderen Glaubenden Sünder war und geblieben ist" (23).

Gottes Reue und Umkehr (3,10) steht z.B. für den lutherischen Exegeten und Prediger GEORG EDEL-
MANN nicht im Widerspruch zu seiner Unveränderlichkeit. Vielmehr gelte: "Wo Menschen aufgrund
der Bußpredigt umkehren und sich zu Gott bekehren, da kehrt auch Gott aktuell um und wendet sich ab
von seinen Strafandrohungen, ohne daß darum sein Wesen oder Wille einer Wandlung unterworfen wä-
re" (56). Die Umkehr Gottes vollziehe sich dabei "als eine solche, in der seine ungeahnte und abgrund-
tiefe misericordia sichtbar wird", sekundiert AEGIDIUS HUNNIUS d.Ä (57). Es gehe mithin nicht um
eine Veränderung des göttlichen Wesens, sondern um eine solche der göttlichen Affekte. Von JOHAN-
NES TARNOW wird Gott in diesem Zusammenhang mit einer Säule verglichen, "die an ein und dem-
selben Orte verharrt, obgleich der Betrachter, der um sie herumgeht, sie zuweilen rechts, zuweilen
links von sich hat" (57). JOHANNES CAESAR vertritt die Auffassung, "daß es eine göttliche Reue
nur bezüglich der Sündenstrafe (poena), nicht aber im Hinblick auf die Sündenschuld geben kann" (61),
weswegen Gott nur solche Sünder nicht strafe, die Zuflucht nehmen zur Versöhnung durch Christus. In
jedem Fall wäre die Rede von der völligen Unveränderlichkeit Gottes hier fehl am Platze.

Im Ganzen - dies lassen vielleicht bereits die wenigen hier angesprochenen Beispiele erahnen - gibt das
Buch interessante, fundierte und zum Teil überraschende Einblicke in die protestantische Exegese und
Theologie der Barockzeit.

Herbert Frohnhofen, 11. Oktober 2011