Neues Handbuch Theologischer Grundbegriffe. Neuaus-
gabe 2005, hg.v. Peter Eicher. 4 Bände, München 20
05;


"Unbescheiden gesagt", so eröffnet der Paderborner und Walliser Theologe Peter Eicher das Vorwort dieses
Handbuchs, "gehört die Theologie zum Verrücktesten von dem, was wissenschaftlich produziert wird. In der
Symbolik der Religionen werden die Zeiten in die Grenzerfahrungen der Ewigkeit gerückt, wird die Mensch-
heit in den Lichtkegel eines ewigen Friedens gestellt und die Verzweiflung der Einzelnen in den Schoß einer
abgründigen Barmherzigkeit gelegt" (7). Ja, das ist in der Tat - gemeinsam mit den dann folgenden, höchst
spannenden Beschreibungen - eine sehr zutreffende Charakterisierung (christlicher) Theologie. "Wenn die
archaischen Denkmuster der Religion", so heißt es z.B. des weiteren, "mit den neuen Erfahrungen einer Zeit
in Berührung gebracht werden, dann entsteht Theologie" (7). Und genau dies macht deutlich, warum Theo-
logie in jeder Zeit und Kultur, in jedem Lebenskontext und jedem Lebensalter neu und anders sein darf und
sein muss. Dies bedeutet freilich keine billige Relativierung Gottes oder des Evangeliums, ein grobes Anpas-
sen derselben an die jeweilige Zeit und Kultur; sondern es macht deutlich, dass Theologie die Spannung auf-
nimmt und verarbeitet, die darin besteht, dass das - seit Jesus Christus - immer gleiche Evangelium auf je un-
terschiedliche Menschen, Situationen, Zeiten und Kulturen trifft, in denen das immer gleiche Evangelium auf
je neue und andere auszusagen und zu vermitteln ist. Genau dies hält die Theologie spannend und innovativ.

Genau dies freilich ist es auch, was den Herausgeber dazu ermutigt, das nunmehr seit 45 Jahren bekannte und
ursprünglich von Heinrich Fries herausgegebene Handbuch Theologischer Grundbegriffe hier noch einmal in
erneuerter und erweiterter Form vorzulegen. "Dieses Handbuch", so hatte bereits Karl Rahner zur ersten Auf-
lage von 1962 geschrieben, "ist kein Lexikon von der üblichen Art, in dem nur ein schon anderswo erworbenes
Wissen kurz zusammengefasst ud bereitgestellt wird. Es ist vielmehr die alphabetisch geordnete und so hand-
lich gewordene Sammlung von Monographien, in denen Grundbegriffe der Theologie in neuer, selbständiger,
gedanklich und sprachlich exakter Weise entfaltet und wirklich vertieft werden" (8). Besonders herausgehoben
wird von Eicher, dass nunmehr - im Gegensatz zur ersten Auflage des Handbuches - auch Frauen zu den Auto-
rInnen gehören und dass das Spezifische ihrer Artikel "in der Schärfe der Analytik, in der Zurücknahme der
religiösen Omnipotenzvorstellungen und in der zuversichtlichen intellektuellen Arbeit zur Veränderung inhu-
maner Zustände" liege (9). Dringliche Notwendigkeit sei es, dass Frauen "die patriarchale Gewalt dieser (the-
ologischen Männer-) Sprache mildern - schon dadurch, dass sie die Formen der patriarchalen Sprachgewalt dif-
ferenziert benennen" (9). Hier freilich bleibt kritisch rückzufragen, ob E. mit einer solchen Äußerung nicht an-
zeigt, dass er selbst in einem Klischee gefangen bleibt, dass schon vor zwanzig Jahren nur bedingt dazu geeig-
net war, die gesellschaftliche Wirklichkeit einigermaßen realistisch zu beschreiben, heute aber so anachronis-
tisch erscheint, dass seine Aussageabsicht von jüngeren Theologen und Theologinnen oft nurmehr belächelt,
zumindest aber ungläubig bestaunt wird.

Wichtig sei - so der Herausgeber -, "dass in der neueren Theologie nicht mehr autoritär doziert, sondern kom-
munikativ diskutiert wird" (9). Dies erweise sich daran, dass über "50 Themenbereiche dieses Neuen Handbuchs
... nicht mehr aus einer Sicht dargestellt, sondern aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet" werden.
Die Lesenden fänden "keine abschließende(n) Stellungnahmen, sondern wissenschaftlich fundierte Essays aus
kulturwissenschaftlicher und theologischer Sicht" (9). So sei das Prinzip des Neuen Handbuchs das der "kom-
munikativen Freiheit". Die "freie Art der theologischen Kommunikation" wirke "sich auf die Darstellung und
auf die kritische Diskussion der Grundgehalte der christlichen Religion selber aus". Auch die Ökumene sei "kein
Problem und kein Programm mehr", sondern "selbstverständliche Form der Darstellung" (9). Das Handbuch
zeige so, "wie die Konfessionen jenseits amtskirchlicher Vorbehalte in argumentativer Offenheit miteinander
leben, füreinander einstehen und gemeinsam die Projekte der Moderne kritisch und utopisch begleiten" können
(10).

Drei neue Perspektiven fallen - so der Herausgeber - bei der Lektüre der fast 200 Beiträge besonders auf:
Zum einen stellen Grundbegriffe "die Herausforderung dar, die rasante Entwicklung von Themen der Lebens-
führung und des Verstehens von Kosmos und Geschichte auf die weisheitlichen Fragen des menschlichen Da-
seins zu beziehen und sie kritisch mit dem überlieferten Wahrheitsverständnis der Religionen in Beziehung zu
bringen" (10). Theologie, wie sie hier praktiziert wird, habe "längst aufgehört eine deduktive Wissenschaft zu
sein, die aus einem lehramtlich gehüteten Schatz von offenbarten Wahrheiten die neuen Erfahrungen beurteilt"
(10). Zum zweiten habe die "postmoderne Lockerung" (was immer das ist) "auch die Theologie erreicht... Die
neue kulturelle Vielfalt steht in lebendiger Verbindung mit der soliden Kontinuität von klassischer Hermeneu-
tik und philosophischer Theologie" (11). Zum dritten schließlich habe die Theologie aufgehört, "permanent auf
die Institutionen, Dogmen und Riten der Kirchen bezogen zu denken". Insofern sei "nicht die kirchliche Lehre
der Bezugspunkt der kritischen Reflexion, sondern die gelebte Religion - innerhalb und außerhalb der Kirchen"
(12). Die christliche Theologie, die in diesem Handbuch bedacht wird, sei frei geworden. Schauen wir ex-
emplarisch einige der 120 völlig neuen und über 70 "großenteils gründlich überarbeiteten" (14) Artikel etwas
näher an:

Den Artikel Auferstehung im ersten Band verantwortet PETER EICHER selbst. Auf rund 20 Textseiten geht
der Autor von tiefenpsyychologischen Deutungen von Wiedergeburt und Auferstehung aus und führt sodann
in verschiedenen Religionen präsente Deutungen von Werden und Vergehen sowie von einem Leben an, das
durch den Tod hindurch gewonnen wird. Konstruktionen des Jenseits, vor allem bei den Ägyptern, werden her-
vorgehoben sowie demgegenüber - und nach Manfred Görg durchaus im Kontrast dazu - die weitgehend auf
ein reines Diesseits konzentrierte Lebensdeutung im Alten Testament. Jesu Gestalt und Botschaft wird in die-
sen Kontext mit Bezugnahme auf Theißen/Merz als jenes Ereignis interpretiert, das den Menschen endgültig
eröffnet, dass das wahre, ewige Leben jetzt und hier anfanghaft gefunden sei. Die Überlieferung von seiner
Auferstehung wird sodann in drei Strängen (Paulus, Johannes, synoptisch) vorgestellt und vor allem in ihrer
Betonung der bleibenden Bezugnahme des Auferstandenen zum diesseitig sich entwickelnden Leben pointiert.
Verschiedene altkirchliche Modelle (Irenäus, Augustinus) der Deutung von Tod und Auferstehung werden aus-
führlich vorgestellt, nicht aber der sicherlich spannende Versuch unternommen, aus aktueller Perspektive die-
sen zentralen Glaubensartikel systematisch zu durchdenken.

Das  Gottesverständnis wird im zweiten Band aus drei verschiedenen Perspektiven behandelt. In fundamen-
taltheologischer Hinsicht geht KLAUS KIENZLER von der klassischen Typologie philosophisch-theologischer
Gotteserkenntnis aus und bespricht demnach affirmative (Aristoteles, Thomas, Kant, Anselm, Descartes), ne-
gative (Plato, Augustinus, Meister Eckhart) sowie den gegenständlichen Bereich überbietende (Thomas, Levi-
nas u.a.) Wege der Erkenntnis Gottes. Die Signatur der Gegenwart erkennt K. am ehesten beschrieben in dem
Metz'schen Wort von der "Gotteskrise", der Levinas'schen Frage "Wo war Gott in Auschwitz?" und der Rubin-
stein'schen Feststellung "Gott ist tot", also in der dramatischen Feststellung des weitgehenden von Gott verlas-
sen Seins in der heutigen Gesellschaft. VERENA LENZEN macht darauf aufmerksam, dass in der feministi-
schen Theologie einseitig männliche Gottesbilder kritisiert und durch weibliche ergänzt werden. Viele femini-
stische Theologinnen aber lehnen geschlechtspezifische Bilder für Gott überhaupt ab und suchen Gott "durch
Verben als dynamische Wirklichkeit jenseits jeder Verdinglichung" zu beschreiben (II/73). Aus dogmatischer
Perspektive erläutert ERWIN DIRSCHERL den monotheistisch geglaubten Gott des Judentums, Christentums
und des Islam als einen "spannenden Gott, der zu uns spricht" (75), der in jeglicher Zeit dem Menschen nahe
ist und ihn - insbesondere nach christlichem Verständnis - zur Liebe ruft. Dazu hebt er die Einzigkeit und Uni-
versalität dieses Gottes hervor sowie die Erinnerung, die sich mit ihm verbindet. Historisch ist bedeutsam, dass
nach katholischem Verständnis der Gott der Schöpfung und der Erlösung von frühester Zeit an derselbe ist. In
Bezug auf das Mittelalter wird auf die Satisfaktionstheorie Anselms, den Aristotelismus des Thomas, die Got-
tesrede in der Mystik und die coincidentia oppositorum des Cusaners verwiesen. Für die Neuzeit erläutert D.
den Deus abconditus Luthers, das transzendentale Denken Rahners sowie verschiedene Positionen in der Gegen-
wart, ohne freilich dies alles im Hinblick auf seine Angemessenheit hin systematisch einzuschätzen oder zu be-
werten.

Der im dritten Band enthaltene Artikel Mystik gehört zu den umfangreichsten des gesamten Werkes und ist in
vier Abschnitte gegliedert. Zunächst behandelt die bereits verstorbene und vom Herausgeber im Vorwort be-
sonders gewürdigte ANNEMARIE SCHIMMEL die Mystik aus religionswissenschaftlicher Perspektive. Knapp,
übersichtlich und gut verständlich behandelt die Autorin die wichtigsten Charakteristika dieses sehr verschiede-
ne Religionen durchwirkenden und ausgesprochen vielfältige Formen annehmenden Phänomens. Dabei beschreibt
sie die Mystik insbesondere als einen Weg, "der oft mehr oder minder deutlich in die via purgativa, die via il-
luminativa und die via unitiva eingeteilt wird" (III/130). Im theologiegeschichtlichen Teil, der sich wie selbst-
verständlich und ohne Begründung fast ausschließlich der christlichen Tradition widmet, geht DIETMAR MIETH
zunächst ebenfalls auf einige allgemeine Bestimmungen von Mystik ein. Die mit Pseudo-Dionysios Areopagita
anhebende christliche Mystik ist im wesentlichen Christuserfahrung, hat das Ziel des zum Mensch gewordenen
Christus. Es gilt mithin - so Mieth - "der Vorrang des Gehaltes vor der Gestalt" (137) und der christliche Be-
kenner konnte durchaus - und zwar vielfach - als "Soldat für Christus" verstanden werden.

Unter der Überschrift "Frauenmystik" breitet ELISABETH GÖSSMANN das weithin bereits bekannte und in-
zwischen bald bis zum Überdruss beklagte "Elend" der Frauen aus: "Frauen müssen begründen, warum sie trotz
ihres Geschlechts schreiben" (146). Um ihre eigene gesellschaftliche "Niedrigkeit" auszugleichen, sei das "Be-
dürfnis nach göttlicher Ermutigung und Ermächtigung... groß" gewesen, was dazu geführt habe, an das alttes-
tamentliche Prophetentum anzuschließen und sich selbst als von Gott ermächtigte Prophetinnen zu verstehen
(147). (Dass diese vermeintliche "Zurücksetzung" weniger mit ihrem Geschlecht, sondern vielmehr mit ihrem
Stand als "Laien" zu tun hat, ja dass Frauen gegenüber Männern, die nicht Kleriker waren, sogar eher das Schrei-
ben erlernten (vgl. Kruppa/Wilke, Bildung und Kloster im Mittelalter), wird geflissentlich verschwiegen.) Be-
deutsam sei in der Frauenmystik "das Sich-Versagen gegenüber Tendenzen der Auflösung geschlechtlicher Iden-
tität und das Beharren auf der eigenen Weiblichkeit auch unter eschatologischem Aspekt" (152). Die jüdische
Mystik - so DANIEL KROCHMALNIK - wird als Kabbala (Überlieferung) bezeichnet und legendenhaft Au-
toren des 1. und 2. Jahrhunderts nach Christus zugeschrieben, ist faktisch aber im wesentlichen erst zwischen
dem 12. und 18 Jahrhundert entstanden. Hauptinhalt ist das Verhältnis Gottes zu den Menschen und die hierin
je neu geschehende Austarierung der verschiedenen Eigenschaften und Beziehungselemente.

Der im vierten Band vorfindliche Artikel Trinität enthält zwei Abschnitte. BERND J. HILBERATH und BERN-
HARD NITSCHE formulieren zunächst das dogmatische Verständnis der Trinitätslehre. In Bezug auf die Bi-
bel wird zur Begründung der Trinitätslehre längst nicht mehr nach einzelnen Schriftzitaten als sogenannten Au-
toritätsbeweisen gesucht, "sondern durch das Eruieren der in unterschiedlichen Texten implizierten und zum
Teil artikulierten Glaubenserfahrungen und ihrer theologischen Konsequenzen für das Sein Gottes" der Hinter-
grund für das Entstehen dieser Lehre erhoben (IV/ 361f). So verweist man für das Alte Testament auf bestimm-
te "Vermittlungsgestalten göttlicher Präsenz (Wort, Weisheit, Geist)" (362), im Neuen Testament wird Jesus
"zur entscheidenden Verleiblichung des definitiven Heilswillens Gottes" und zum "exklusiven Träger des Geis-
tes" (363), der nach Ostern auf alle ausgegossen wird. So lassen sich die trinitarischen Formeln des Neuen Tes-
taments bereits als "'kleine Summen' urchristlicher Gotteserfahrung charakterisieren" (363), die als "Basisdog-
ma" fungieren und in der Folgezeit theologisch entfaltet werden. Im Rahmen dieser Entfaltung werden bis hi-
nein in die gegenwärtige Diskussion verschiedene Akzente gesetzt, die von den Autoren knapp, aber informativ
dargestellt werden. In spiritueller Hinsicht macht RAIMON PANIKKAR darauf aufmerksam, dass die göttliche
Trinität im wesentlichen "im Schatten des christlichen Lebens geblieben (sei), so dass man von einer Trinitäts-
vergessenheit sprechen" könne (376). Die Zukunft des christlichen Glaubens hänge aber davon ab, ob die Tri-
nität ihren Platz im Zentrum der christlichen Existenz finde. Wichtig ist: "Die meisten Völker haben eine tria-
dische Auffassung des letzten Mysteriums" (378). Der Trinitätsglaube sei mithin "ein wesentlicher Bestandteil
der mensch(heit)lichen Wirklichkeitsanschauung - mit der merkwürdigen Ausnahme eines Teils der so genann-
ten (westlichen) Moderne" (378). Panikkar plädiert dafür, die Harmonie zwischen der immanenten und der öko-
nomischen als "radikale" Trinität zu denken, d.h. als "kosmotheandrische Auffassung der Wirklichkeit", nach
der Gott und Welt zwar unterschieden, aber nicht getrennt voneinander gedacht werden (379). So stellt die Tri-
nität "eine umwälzende Auffassung des göttlichen Mysteriums dar. Gott wird darin als Leben und Leben als mit-
geteiltes Leben verstanden und erfahren" (381).

Im Ganzen, so erweist bereits das Anschauen dieser wenigen von rund 200 Artikeln, gibt das "Neue Handbuch"
tatsächlich einen spannenden und zeitgemäßen Einblick in das weite Feld der aktuellen Theologie. Allerdings
bleibt, insbesondere vor dem Hintergrund des zitierten Vorworts, das Verhältnis der hier dargestellten theolo-
gischen Inhalte zur kirchlich normierten christlichen Theologie ungeklärt; und was ist demgegenüber schon die
sog. "gelebte Religion", auf die mit solchem Pathos der "kommunikativen Freiheit" verwiesen wird? Überdies
erscheint es relativ willkürlich bzw. von den jeweiligen Autoren und Autorinnen abhängig, ob der Schwerpunkt
der jeweiligen Darstellung auf den christlichen Kontext konzentriert oder aber andere Religionen mit einbezogen
werden. Für die Entscheidung, wann und mit welcher Begründung in Einzelfällen auch z.B. feministische Pers-
pektiven mit eingebracht werden, ist ebenfalls kein nachvollziehbares Kriterium erkennbar.

Herbert Frohnhofen, 1. Mai 2007