G. ALBERIGO/K. WITTSTADT, Geschichte des Zweiten Vatikanischen
Konzils (1959-1965)
5 Bde., Bd. 3: Das mündige Konzil. Zweite Sitzungsperiode
und Intersessio September 1963
- September 1964, Mainz-Leuven 2002;
Der dritte Band dieses voluminösen zeitgeschichtlichen
Dokuments beginnt mit einer Beschreibung des Eintritts eines
neuen Papstes in das Konzil: Paul VI. ALBERTO MELLONI stellt diesen
dar als einen Papst, der beherzt
"auf einen
fahrenden Zug" aufspringt und das Konzil zu seinem eigenen macht
(19) sowie in seiner Eröffnungsansprache aus-
drücklich an den dem Konzil von Johannes XXIII. gegebenen pastoralen
Charakter anknüpft (41). Überdies spricht Paul
VI.
"vom Instrument des Dialogs als des Schlüssels für
die Gestaltung der Beziehung zur heutigen Welt" (43) und leitet
damit - nach der Analyse Yves Congars - über vom
"'Licht-Konzil'
Johannes XXIII. (in welchem die Andersartigkeit
von Kirche und Welt überdeckt wird vom Geschenk der Gnade)... (zum)
'Dialog-Konzil' Pauls VI. (in welchem zwar ei-
ne Brücke gebaut wird, wobei aber zunächst einmal die zu überbrückende
Kluft klar erkannt werden muß)" (45).
Als erstes erfolgt danach eine Debatte über die Kirchenkonstitution.
Das vorbereitete Schema wird gründlich auseinan-
genommen und auf folgende Aspekte hin verändert: Die Kirche ist
Mysterium/Sakrament, das sich aus dem Heilswir-
ken des Dreifaltigen Gottes ergibt, sich auf Christus als das
"Licht
der Völker" bezieht und nicht Selbstzweck, sondern
(lediglich)
"Mittel der Heiligung" ist. An den Beginn der Kirchenkonstitution
- noch vor das Kapitel über die Hierarchie
- wird ein Abschnitt über das gesamte Volk Gottes gestellt; das Schema
über Maria wird - wohl im wesentlichen auf-
grund der von Kardinal König vorgetragenen Argumente (114f) - nach
sehr knapper Abstimmung im Plenum (1114:
1074) als Schlusskapitel der Kirchenkonstitution eingefügt. Die Knappheit
dieser Abstimmung wurde als Indiz dafür
gewertet, dass das Konzil in ekklesiologischen Fragen, wenn nicht gar in
Fragen der theologischen Lehre überhaupt,
in zwei große Lager gespalten sei (116f).
Das von JOSEPH FAMEREE verfasste zweite Kapitel handelt über Bischöfe
und Bistümer. Hier geht es um die Vor-
rangstellung der römischen Kurie sowie um Möglichkeiten der Einschränkung
ihrer Macht zugunsten von Bischofs-
kollegien (einschließlich einer herben Auseinandersetzung zwischen
Kardinal Frings/Köln und dem Kurienkardinal
Ottaviani), rechtliche Regelungen im Hinblick auf Rücktritte, Nachfolgefragen
und die Bedeutung der Weihbischö-
fe, die juristische Bedeutung der Bischofskonferenzen und schließlich
die angemessene Größe der Bistümer. Dane-
ben beschreibt das Kapitel einige wichtige Vereinigungen von Bischöfen
sowie die relativ kurzen Beratungen zum
Thema "soziale Kommunikationsmittel".
REINER KACZYNSKI beschreibt im dritten Kapitel die Entstehung und Bedeutung
der Liturgiekonstitution. Hier
wird sowohl über Details des Zustandekommens der Konstitution berichtet
als auch ausführlich die Bedeutung die-
ser Konstitution für das gesamte Konzil gewürdigt. Hierbei wird
deutlich, dass aufgrund der dargestellten Vorge-
schichte
"dieses Konzil das erste in der Kirchengeschichte war, das ein
Dokument zu gottesdienstlichen Fragen ei-
nes einzelnen Ritus erstellte, die zu entscheiden eigentlich Aufgabe einer
teilkirchlichen Synode unter dem Vorsitz
des Bischofs von Rom gewesen wäre" (260). Die Liturgie wird verstanden
als
"Vollzug des Priesteramtes Christi",
als
"Heiligung des Menschen" und als
"Anbetung Gottes", die
sich durch
"sinnenfällige Zeichen" vollzieht (262-
266). Die gesamte, gegliederte Gemeinde ist Trägerin des Gottesdienstes;
deshalb ist dieser auf die
"tätige Teil-
nahme der Gläubigen" angelegt (271). Schon sehr bald nach der Verabschiedung
der Konstitution wurde mit der
von vielen Gläubigen sehnsüchtig erwarteten Liturgiereform begonnen.
Im vierten Kapitel informiert CLAUDE SOETHENS über die Entstehung und
Bedeutung des Ökumenedokumen-
tes. Als besonders problematisch erwiesen sich die Kapitel über das
Verhältnis zu den Juden und über die Religi-
onsfreiheit, so dass beide schließlich als eigenständige Verlautbarungen
ausgegliedert wurden. Die restlichen Kapi-
tel des Dokumentes wurden mit großer Zustimmung angenommen. Überdies
informiert dieses Kapitel über Schwie-
rigkeiten inbezug auf die Leitung des Konzils sowie die Auseinandersetzung
über die Bedeutung der Glaubenskom-
mission in diesem Zusammenhang.
Das abschließende fünfte Kapitel ist das umfangreichste in diesem
Buch. EVANGELISTA VILANOVA infor-
miert hier über die sog. Intersessio, also die Phase zwischen der im
Dezember 1963 auslaufenden zweiten und der
für September bis Dezember 1964 geplanten dritten Konzilsperiode. In
Bezug auf die vergleichsweise langen In-
tersessionen insgesamt (30 von 38 Monaten der Konzilszeit), in denen selbstverständlich
intensiv an den zu be-
schließenden Texten weitergearbeitet wurde, wurde vielfach die Befürchtung
geäußert, dass
"römische Theologen
darauf hofften, die Situation zumindest zeitweise wieder unter Kontrolle
bringen zu können und die von der Kon-
zilsmehrheit gebilligten Texte in restriktivem Sinn korrigieren zu können"
(401). Des weiteren spielt in diesem
Kapitel die Weiterentwicklung der verschiedenen Schemata sowie der sog. Döpfner-Plan,
wie
zu einem zügigen Abschluß des Konzils zu kommen sei, eine bedeutende
Rolle.
Herbert Frohnhofen, 21. April 2006