Klaus Martin Girardet, Die konstantinische Wende. Voraussetzungen und geistige
Grundlagen der Religionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 2. Aufl. 2007;


Dieses Buch des emeritierten Althistorikers der Universität des Saarlandes besteht aus zwei Abhandlungen, die bereits einige Jahre zuvor veröffentlicht und nun in diesem Band zum Anlass des 1700. Geburtstages Konstantins des Großen am 25. Juli 2006 leicht überarbeitet zusammengeführt wurden. Die Einleitung infor- miert darüber, dass die Christen der ersten Jahrhunderte "ein christliches Kaisertum für völlig unmöglich ge- halten" hatten (11) und gerade deshalb das Phänomen Konstantin so große Bedeutung erhielt.

Der erste, deutlich kürzere der beiden Beiträge, geht der verschiedentlich aufgeworfenen Frage nach, ob auch die vorkonstantinischen römischen Kaiser bereits zum Teil Sympathisanten des Christentums gewesen seien und auf diese Weise einen Beitrag zur sogenannten Konstantinischen Wende bereits geleistet hätten. G. geht die verschiedenen hierzu bzgl. der Kaiser Tiberius, Hadrian, Alexander Severus, Philippus Arabs, Konstanti- us I. und Maxentius ins Feld geführten Argumente der Reihe nach durch und kommt zu dem Ergebnis, dass ihnen wenig Substanz zuzubilligen ist. Selbst wenn es unter den Vorgängern Konstantins "Sympathisanten des Christentums und sogar Christenfreunde gegeben haben mag" (37), sei der entscheidende Unterschied zu Konstantin, dass dieser durch die Opferverweigerung sich erstmals öffentlich "von den alten Göttern abge- wendet und dem Christengott zugewendet" habe (37). Für den Zeitgenossen Konstantins und Begründer der Kirchengeschichtsschreibung Eusebius von Caesarea war Konstantin deshalb als einziger Kaiser der (bisheri- gen) Geschichte ein "Freund Gottes", der von diesem Gott selbst zum "weithin vernehmbaren Künder des einzig verläßlichen Gottesglaubens" gemacht worden sei (38).

Der zweite Beitrag beschäftigt sich in ausführlicher Weise mit der sogenannten Konstantinischen Wende selbst. Hierbei ist es nicht das Ziel des Autors, "eine forschungsgeschichtliche Gesamtbilanz oder eine Art Zwischenbilanz... zum Thema 'Staat und Kirche in der Spätantike'... zu geben" (45), sondern er will sich dar- auf beschränken, "in kritischer Auseinandersetzung mit der neuesten Forschungsliteratur... auf die Lebenszeit Konstantins" zu blicken; die Nachwirkungen der Wende bleiben also außer Betracht (46). Dabei ist das Ziel des Autors "aufs Ganze gesehen,... die vielfach angezweifelte, ja neuestens auch wieder abgeleugnete welthis- torische Bedeutung des Jahres 312 mit teils bekannten, teils neuen Argumenten zu verteidigen", und: "anders als ein gewichtiger Teil der heutigen Forschung es sieht, (seien) alle... Grundsatzentscheidungen für eine vom Kaiser intendierte christliche Zukunft des römischen Weltreichs bereits in diesem Jahr bzw. im Herbst und Winter 312/313 gefallen bzw. bekannt gemacht worden" (48).

Im Folgenden geht der Autor den Ereignissen des Jahres 312 unter verschiedenen Perspektiven in fünf Ab- schnitten nach. Zunächst reflektiert er im Anschluss an den zeitgenössischen Kommentar des Laktanz die Verweigerung des Götteropfers durch Konstantin nach seinem Sieg über Maxentius an der Milvischen Brücke als erste öffentliche Manifestation seiner Abwendung von der antiken römischen Religiosität. Den dieses Er-
gebnis zeitigenden inneren Prozess bzw. einen entsprechenden "qualitativen Sprung"  in der Sichtweise Kon-
stantins sieht G. sehr gefördert durch das bereits im April 311 erlassene >Toleranzedikt< des Galerius, das die Diokletianische Christenverfolgung beendete und "die staatsrechtliche Anerkennung der Christen und ih-
res Kultes und damit ihres Gottes" aussprach (71). In einem kleinen Abschnitt "staatsrechtliche Aspekte des kaiserlichen Amtes" verdeutlicht G., dass Konstantin in der Tradition des antiken Denkens verbleibt, wenn er den Titel des "Pontifex maximus" beansprucht und für die Ausübung des christlichen Kultes Sorge trägt, da- mit - aus dieser Perspektive - der Friede mit dem christlichen Gott (>pax deorum<) gewährleistet bleibt und damit das Wohlergehen des römischen Reiches.

Der seit einigen Jahren, genauer seit Jan Assmanns >mosaischer Unterscheidung<, besonders im Fokus ste- hende Aspekt des Universalitätsanspruchs des Monotheismus und dessen Verquickung mit Herrschaftsanprü- chen kommt anschließend zur Sprache. Für G. ist es keine Frage, dass Konstantin sich dieses Universalitäts- anspruchs des von ihm geförderten neuen Glaubens von Beginn an nicht nur bewusst war, sondern diesen auch unterstützt hat, so dass er deshalb "für seine weitere Politik den Christengott zum historisch-politisch er- wiesenermaßen einzigen Garanten der salus rei publicae/imperii... proklamiert hat" (98). Einzig und allein das Christentum sei deshalb für ihn "dem zwischen Menschheit und Gottheit waltenden Recht gemäß" und damit die nichtchristlichen Religionen eben nicht (99). Zumindest kam ihm dabei sehr gelegen, dass er den politischen, schon in den Zeiten der römischen Republik formulierten Weltherrschaftsanspruch Roms mit dem christlich-monotheistischen Universalismus zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen konnte (111). Mit der Parole "Ein Gott - ein Reich - ein Kaiser" konnte Eusebius diesen Zusammenhang sehr treffend be-
schreiben.

Was bedeutete dies nun für die Politik gegenüber den Nichtchristen? Obwohl ein Pluralismus von Religionen unter den genannten Vorzeichen nicht gut vorstellbar erscheint, scheint Konstantin nichtchristliche Religio- nen, d.h. deren Anhängerschaft und Ausübung des Kultes aus politisch-praktischen Gründen weitgehend ge- duldet zu haben, zumal der Anteil der Christen innerhalb der Bevölkerung, insbesondere der Führungsschicht im zivilen und militärischen Bereich erst allmählich wuchs. So behielt das Judentum seinen privilegierten Status weitgehend bei, auch die paganen Riten und Bräuche verloren zwar an Reputation, blieben aber - so Girardet - im Allgemeinen erlaubt. Eine Zwangschristianisierung wurde zudem von Konstantin ausdrücklich abgelehnt; allerdings scheint die Aufnahme in den hohen Staatsdienst für Christen Zug um Zug erleichtert worden zu sein. Als weit weniger duldsam hat sich Konstantin gegenüber den Abweichlern innerhalb der Kirche gezeigt. Schisma und Häresie waren Konstantin ein Gräuel; als >Pontifex maximus< schritt er massiv hiergegen ein und sorgte nicht zuletzt durch die Einberufung des Konzils von Nizäa auch konstruktiv für die Einheit in der Christenheit. Die Übertragung auch von zivilen Aufgaben an die Bischöfe förderte zudem die Symbiose zwischen kaiserlicher Macht und (geeinter) Christenheit.

Im Ganzen gibt das Buch - insbesondere sein zweiter Beitrag - einen gut verständlichen, auf das Wesentliche konzentrierten Überblick zur Gestalt Konstantins und seiner bleibend großen Bedeutung für das Erstarken der Christenheit seit dem Beginn des 4. Jahrhunderts nach Christus.

Herbert Frohnhofen, 21. September 2009