Chr. SCHWÖBEL, Gnadenlose Postmoderne. Ein theologischer Essay, in: DERS., Christ-
licher Glaube im Pluralismus. Studien zu einer Theologie der Kultur, Tübingen 2003,
421-451 (zuerst in: M. ROT/K. HORSTMANN (Hgg.), Glauben - Lieben - Hoffen.
Theologische Einsichten und Aufgaben (FS K. STOCK) Münster 2001, 134-155);
>Postmoderne<, so zitiert der Autor Lyotard "bedeutet, daß man den Meta-Erzählungen keinen Glauben mehr schenkt" (424). >Postmoderne<, so interpretiert der Autor weiter, bedeutet vor allem Abschied. Wovon? Auf alle Fälle von der Überzeugung,
"daß es eine einheitliche Grundlage, einheitlicheFundamente allen Wissens gibt, im Verhältnis zu denen sich alle Wissens-
formen legitimieren müssen. Postmoderne verabschiedet den Rechtfertigungszwang der Wissensformen vor einem einheitlichen Gerichtshof der Vernunft, indem sie die Forderung der Einheitlichkeit des Wissens als totalitären Anspruch deutet. Bestritten

wird weiterhin die Überzeugung, daß es einheitliche Grundlagen und Ziele des Handelns gibt, die mit HilfeeinerUniversali- sierungsregelwie dem kategorischen Imperativ bestimmt und getestet werden können. Und schließlich die Überzeugung, daß
eseine einheitliche Menschennaturgibt, die allen Ausdrucksformen des Menschlichen zugrundeliegt und die uns berechtigt,
die Gleichheit über die Verschiedenartigkeit zu stellen" (425).

Gesellschaftliche Folgen der postmodernen Situation sind Pluralisierung, Individualisierung, Merkantilisierung und Ästhetisierung.

Spirituelle Folge, so der Autor, ist der Verlust der Gnade, d.h. die Erfahrung eines Angenommenseins und -werdens durch
Gott, das vor und jenseits aller eigenen Leistung und Rechtfertigung liegt, insbesondere auch der Erfahrung und des Bewußt-
seins dessen, dass dort, wo die Störung des menschlichen Daseins durch die Sünde eingetreten ist, die Rechtfertigung des Men-
schen einzig und allein durch die Gnade Gottes und nicht durch das Verdienst des Menschen geschieht und geschehen kann:
"Der Versuch der radikalen Selbstorientierung menschlicher Freiheitspraxis ist darum immer das Symptomder Verblendung des Menschen über die Grundbeziehung, in der sein Dasein steht, die vom Menschen selbst nicht aufgehoben werden kann. Wegen derAsymmetrie der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf geschieht die Aufhebung der Verblendung und damit die Re- orientierung der menschlichen Freheitspraxis durch einen schöpferischen Akt Gottes: die Gewährung von Gewißheit über die Gottesbeziehung des Menschen als Grundlage undMaßstab seiner Welt- und Selbstbeziehung"
(434).