Im ERSTEN KAPITEL erläutert der Autor das Phänomen
der "Postmoderne" sowie insbesondere seine Auswirkungen
auf den menschli- chen Lebenszyklus. Der Lebenszyklus
ist sehr viel differenzierter geworden in der Postmoderne, un-
terliegt häufigeren Wandlungen und ist individualisierter.
Die Gestaltung des Lebenszyklus wird deshalb für den ein-
zelnen zu einer weit anspruchsvolleren Aufgabe, nicht zuletzt weil allgemein anerkannte Idealbilder für das jeweilige
Lebensalter - die im übrigen auch viele Opfer erzeugt haben - ihren
Leitbildcharakter weitgehend verloren haben.
Auffällig ist dabei, dass auch die Religiosiät nicht - wie im Rahmen
der überkommenen Säkularisierungsthese häufig
vermutet - generell zurückgegangen wäre, sondern dass auch diese
sich zunehmend pluralisiert, individualisiert und
privatisiert. Vor diesem Hintergrund wird die
Bedeutung der Kirchen für viele fragwürdig. Für die folgenden
Kapitel
erläutert der Autor eine induktive Methodologie, mit welcher
er sich sukzessive dem Phänomen des postmodernen
Lebenszyklus zuzuwenden sucht.
Für die Kinder, so führt der Autor
im ZWEITEN KAPITEL aus, bedeutet der postmoderne Lebenszyklus ein weit
weniger klares und geordnetes Hineinwachsen
in ein monoreligiös geprägtes Umfeld als dies noch in der Moderne
der Fall war. Bereits für Kinder ist die Erfahrung von Religiosität plural und wird - oft auch
deshalb - zur Privatsache.
Kinder, so heißt es häufig, sollen sich in dieser Pluralität
selbst orientieren und entscheiden dürfen.
Angesichts der
Tatsache freilich, dass auch bereits Kinder das Bedürfnis haben, über
grundlegend existentielle Fragen inbezug auf
ihr Leben zu kommunizieren, spricht Schweitzer von einem "Recht der
Kinder auf Religion und auf religiöse Erzie-
hung" (55).
Auch für das nach Schweitzer als solches erst
mit der allgemeinen Schulpflicht im 20. Jahrhundert entstandene Jugend-
alter ist nach Schweitzer (mit Berufung
auf Erikson) für eine erfolgreiche Identitätsbildung eine akzeptierte
Weltan-
schauung notwendig: "Diese Welt- anschauung
isterforderlich, um den Jugendlichen das Gefühl zu geben, daß
ihre
Stellung in Gesellschaft und Geschichte einen Sinn hat" (68). Religion im Jugendalter, so der Autor,
habe sich heute
"in hohem Maße pluralisiert und individualisiert... Viele Jugendliche
gehen mit religiösen Traditionen selektivum
und wählen für sich einzelne Elemente aus einer Tradition aus, ohne
sich um den inneren Zusammenhang oder
gar
die Würde dieser Tradition weiter zu kümmern" (75). Dies werde häufig begleitet von einer "skeptische(n)
Haltung
gegenüber allen Wahrheitsansprüchen, besondersim Bereich von Religion...
Es gebe einfach viel zu viele Wahrheits-
ansprüche, als daß man sie
jemals überprüfen könne" (76). Aufgabe christlicher Verkündigung
sei es vor diesem
Hintergrund, sich "gemeinsam mit den Jugendlichen auf die konfligierenden Wahrheitsansprüche...einzulassen
... (denn)... Auch wer an
einer christlichen Erziehung interessiert
ist,muß heute andere Wahrheitsansprüche und
Überzeugungen aufnehmen" (86). Aus
der Lehre von der Rechtfertigung allein aus
Glauben könne überdies den
Jugendlichen die Fähigkeit vermittelt werden, "sich selbst als ein
Fragment zu akzeptieren, das niemals
Ganzheit
oder Vollendung erreicht" (89).
Das VIERTE KAPITEL ist einer, so Schweitzer, spezifisch
neuen Phase des postmodernen Lebenszyklus, der sog.
Postadoleszenz gewidmet, die der Autor
etwa im dritten Lebensjahrzehnt angesiedelt sieht. Diese Phase ist gekenn-
zeichnet durch ein Herauswachsen aus den Unsicherheiten
und identitätsentwickelnden Schwierigkeiten des Jugend-
alters gleichzeitig aber durch ein noch nicht Ange- kommensein im - auch wirtschaftlich - selbstständigen
Erwachsen-
sein. In dieser Lebensphase liegen derzeit die Kirchenaustritts-
zahlen am höchsten; umgekehrt dürfte
die Zahl
der kirchlichen Kommunikationsangebote für die oft noch als Single lebenden
Angehörigen dieser Altersgruppe am
geringsten sein. Schweitzer schlägt vor, "größte Sorgfalt
darauf zu verwenden, die Sinnstruk- turen
der Lebens-
welten junger Menschen zu 'lesen', zu interpretieren und zu verstehen" (111) und ggf. anzuschließen an die etwa zu Umweltproblemen, Frieden und weltweiter Gerechtigkeit
entstehenden "freien Initiativen und die im Umfeld von
Kirche angesiedelten Organisationen,
die für junge Erwachsene sehr attraktiv sein können" (112).
Darüber hinaus
gebe "es einen klaren Bedarf für
Angebote, die sich direkt auf Lebenssituationen und -fragen richten, die
für diese
Stufe desLebenszyklus von zentraler Bedeutung
sind... (dabei geht es) um Fragen wie das Verlassen der Herkunfts-
familie, die Wahl einer beruflichenLaufbahn, von Intimität, Beziehungen, Eheschließung oder
sogar schon Scheidung"
(112).
Das im FÜNFTEN KAPITEL zur Sprache kommende
postmoderne Erwachsenenalter ist nach Schweitzer nicht mehr
so ausgeprägt von einer gesunden Generativität
geprägt wie sie noch von Erikson für das Erwachsenenalter beschrieben
wurde; vielmehr enthält das Erwachsenenalter
"nach heutiger Erkenntnis... zahlreiche Krisen und mehrere Wendepunkte"
(120). Auch für die Angehörigen dieser
Altersstufe ist die Religiosität weitaus pluraler und privater geworden.
Kirche und Theologie sollten in dieser Phase hilfreich sein, das Familienleben zu bewältigen und
hierbei als Leit-
bild die "egalitäre Familie" (Mann
und Frau haben etwa in gleichem Maße an
bezahlter Arbeit, an der Versorgung
der Kinder sowie an anderen häuslichen Verantwortlichkeiten Anteil/133f) propagieren.
Für das im SECHSTEN KAPITEL beschriebene sog.
dritte Alter, in dem die Menschen einerseits von ihrer Erwerbs-
arbeit entpflichtet, andererseits aber noch
rüstig und unternehmungslustig sind, ist es - nach Erikson - wichtig,
den
eigenen Lebensweg als etwas Notwendiges und
Unersetzliches sehen zu lernen (141). Oft werden in diesem Alter heute
noch sehr vielfältige neue Aktivitäten
entwickelt. Hierbei kommt es aus kirchlicher Sicht darauf an, dass "die
Definiti-
onsmacht in diesem Bereich nicht nur bei Werbung und Konsum liegt" (154), sondern die Menschen
dazu ermutigt
werden, sich auch kreativ und selbstständig in das Gemeinwesen einzubringen.
Warum Schweitzer dem sog. vierten Lebensalter
kein eigenes Kapitel widmet, erläutert er nicht; stattdessen blickt
er im SIEBTEN und abschließenden KAPITEL
auf das Anliegen des gesamten Buches resümierend zurück. Hierbei
werden keine wesentlichen neuen Einsichten mehr
vorgetragen. Insgesamt hat er ein sehr aufschlußreiches Buch
verfasst, das dazu verhilft, gegenwärtige
gesellschaftliche Entwicklungen zu verstehen und auch viele sich hieraus
ergebende Herausforderungen für Kirche und (vor allem Praktische) Theologie nahmhaft zu machen.