R. SIEBENROCK/W. SANDLER (Hg.), Kirche als universales Zeichen. In memoriam
Raymund Schwager SJ (Beiträge zur mimetischen Theologie 19) Wien-Münster 2005;

Dieser mit 460 Seiten recht umfangreiche Band ist dem im Februar 2004 überraschend verstorbenen Raymund Schwa-
ger gewidmet. Im Ausgang von zwei Aufsätzen über die Theologie des ebenfalls inzwischen verstorbenen Papstes Jo-
hannes Paul II., an denen der Innsbrucker Dogmatiker zu dieser Zeit gerade arbeitete, versammelt dieser Band eine
Reihe von Beiträgen von Mitarbeitern und Weggefährten Schwagers, die sich auf je verschiedene Weise auf die vielfäl-
tigen Anregungen beziehen, welche der Jesuit Schwager der systematischen Theologie in seinem langjährigen wissen-
schaftlichen Wirken gegeben hat. "So stellt" - in den Worten der Herausgeber - "dieser Band das Protokoll eines abge-
rissenen Gesprächs dar. Dass ein kontinuierliches Gespräch zwischen unterschiedlichen theologischen Positionen und
sehr verschiedenen persönlichen Charakteren in der Theologie möglich ist, ist eine jener wertvollen Erbschaften Ray-
mund Schwagers, die es weiter zu pflegen und zu entwickeln gilt" (15).

Der ERSTE TEIL des Buches dokumentiert die beiden oben genannten Aufsätze Schwagers, und zwar in der zuletzt
für die Herausgeber greifbaren Fassung. Hierbei erläutert der erste Beitrag unter anderem, in welcher Weise die Kir-
che während des Pontifikates von Johannes Paul II. zum universalen Zeichen der Einheit und mit Gott und unter den
Menschen geworden ist und warum die Kirche hierbei für eine weltweite Demokratisierung der Gemeinwesen eintritt,
ohne dass diese Position selbst noch einmal demokratisch zur Disposition gestellt werden kann. Der zweite Beitrag
diskutiert die Erlösungslehre des vormaligen Papstes, hebt hierbei besonders auch die Bedeutung des Heiligen Geistes
hervor und bespricht zuletzt verschiedene Einwände und Aktualisierungen (Antijudaismus, Hölle, Satan, Leiden
usw.) aus gegenwärtiger Perspektive.

Der ZWEITE TEIL des Buches "enthält Beiträge, die methodisch im Umfeld der von Raymund Schwager begründe-
ten 'Innsbrucker Dramatischen Theologie' verfasst wurden" (12). In einem ersten Beitrag geht Willibald SANDLER
hier der Frage nach, wie die Kirche "als universales und wirksames Zeichen von der Welt erfasst werden kann, wenn
zu dessen Erfassung doch... ein existentielles Sicheinlassen auf das Zeichen notwendig ist" (137). Seine Antwort geht
dahin, dass nicht die Welt dieses Zeichen erfasst, sondern dass - entsprechende kirchliche Zeichenhaftigkeit voraus-
gesetzt - die Welt vom Zeichen, das die Kirche setzt, schlicht in einem geistlichen Geschehen erfasst wird. Im Aus-
gang von der Eucharistie geschieht eine dramatische Transformation der Menschen, die Zug um Zug über den in-
nerkirchlichen Kontext hinaus- und die Welt als ganze ergreift. Und: Selbst da und dort, wo die Kirche ihre Sen-
dung verfehlt und ihr ihre Zeichenhaftigkeit zum Selbstgericht wird, kann ihr über Schuldeingeständnis, Umkehr
und Vergebung neue Zeichenhaftigkeit zuwachsen. In einem zweiten Beitrag diskutiert Nikolaus WANDINGER
die Lehre von der kirchlichen Unfehlbarkeit und macht hierbei deutlich, dass das kirchliche Amt für sich selbst
Unfehlbarkeit, für seine Lehren hingegen Unabänderlichkeit fordere (141). Diese Unabänderlichkeit könne aus ei-
ner dramatischen Perspektive durchaus mit der "in die Zukunft offenen Interpretationsbedürftigkeit in Einklang
gebracht werden", indem die Unabänderlichkeit einer Lehre so zu verstehen sei, dass sie "1) notwendig zu beden-
ken ist in einer gültigen Theologie und 2) nicht so bedacht werden kann, dass die vorausgehenden Lösungen igno-
riert oder negiert werden" (163).

Wolfgang PALAVER diskutiert im Ausgang von einigen biographischen Anmerkungen zur Entwicklung seines
eigenen Verhältnisses zur Hierarchie das Konzept einer "verwickelten Hierarchie" und macht deutlich, dass die
hiermit verbundene Zurücknahme jedes kirchlich-gesellschaftlichen Machtanspruchs zugunsten einer Einwirkung
auf die Kultur der Menschen seit dem II. Vatikanum und vor allem mit dem Pontifikat Johannes Pauls II. in vol-
lem Gange ist. Wilhelm GUGGENBERGER reflektiert, auf welche Weise Kirche zum Zeichen wird und kommt
hierbei zum Ergebnis, "dass sie das Scheitern an ihrem eigenen Auftrag der Zeugenschaft ungeschminkt zum Aus-
druck bringen muss und es keinesfalls verschämt verbergen darf. (Denn:) Gerade dadurch, dass sie nicht unter den
Teppich kehrt, eine höchst unvollkommene Zeugin zu sein, kann sie Zeichen für Gott werden" (197f). Maximilian
PAULIN erläutert in seinem stark an die mimetische Theorie Girards anknüpfenden Beitrag, dass die Zeichenhaf-
tigkeit Jesu, mithin auch der Kirche und der Kleriker für Gott gerade darin liegt, dass jene trennenden Unterschei-
dungen zwischen Menschen aufgehoben werden, die Anlaß für Opfer fordernde Konkurrenz und Rivalität bieten.

Petra STEINMAIR-PÖSEL und Stefan HUBER knüpfen an die von Schwager beschriebene Heilsdynamik in Je-
sus Christus an und situieren die Kirche darin als jene Gnadenanstalt, die in Leidenschaft und Gelassenheit Zei-
chen und Werkzeug der heilschaffenden Nähe Gottes sein darf. Dietmar REGENSBURGER beschreibt die Zei-
chenhaftigkeit der Kirche bzw. für die Menschenwürde anhand von dramatischen Beispielen des Widerstandes
im Nationalsozialismus, die alle auf bewegende Weise verfilmt wurden (Korczak, Bernard, Scholl). Im Ausgang
von Graham Greenes Roman "Die Kraft und die Herrlichkeit" beleuchtet Jozef NIEWIADOMSKI die Zeichen-
haftigkeit der sündigen Kirche, die gerade in ihrer Bedürftigkeit nach der Gnade Gottes und in deren Annahme
gerade erst aufleuchtet. Auch der sündigste Priester - so die Darstellung - bleibt von der Gnade Gottes und vom
kirchlichen Netz umfangen.

Der DRITTE TEIL des Bandes - "Im Gespräch mit Raymund Schwager" - enthält "Beiträge, die außerhalb der
dramatischen Theologie mit unterschiedlichen theologischen Methoden arbeiten und sich so auf die Fragestel-
lungen und Aussagen Raymund Schwagers einlassen" (14). Matthias SCHARER und Bernd-Jochen HILBE-
RATH suchen das Gespräch mit der dramatischen Theologie Raymund Schwagers aus der Perspektive der von
ihnen sogenannten kommunikativen Theologie, stellen hierbei das partizipative Element aller Kirchenmitglie-
der an der Zeichenhaftigkeit der Kirche ins Licht und betonen beide, dass der Dialog zwischen beiden Arten
Theologie zu treiben aus ihrer Sicht allererst am Anfang steht. Thomas BÖHM unterstreicht in seinem Bei-
trag in ähnlicher Weise die Bedeutung der personalen Präsenz vieler Glieder in der Kirche als Ergänzung zur
medialen Präsenz des Kirchenoberhauptes, insbesondere der Gestalt Johannes Paul II. Aus eigener Missions-
erfahrung und vielfältiger Beschäftigung mit der Missionswissenschaft mahnt Franz WEBER ein kommunika-
tives Missionsverständnis an, welches im II. Vatikanum zwar grundgelegt, während des Pontifikats Johannes
Paul II. aber zugunsten einer wieder eher monologischen und zentralistischen Perspektive zurückgedrängt
worden sei.

Franz GMAINER-PRANZL erläutert im Detail, dass die Kirche "nicht deshalb 'katholisch' (genannt wird),
weil sie eine internationale Organisationsstruktur aufgebaut hat, sondern weil sie Zeugnis gibt von dem, der
das Geheimnis des Menschseins lichtet. Das Kennzeichen der 'Katholizität'... (sei) im Kontext des Zweiten
Vatikanischen Konzils grundsätzlich christologisch zu buchstabieren: als 'signum et instrumentum' für die
Einheit mit Gott und den Menschen, nicht aber als eigenmächtige Struktur, die anderen aufgezwungen wird"

(360). Konsequenz für das Missionsverständnis hieraus ist es, dass Mission gerade nicht besitzergreifend vor-
gehen darf, sondern in einem je neu zu inkulturierenden Kommunikationsprozess die Wahrheit Jesu Chris-
ti zum Leuchten zu bringen hat. Roman SIEBENROCK erläutert und begründet im Anschluß an Raymund
Schwager die These, dass christliche Theologie immer Politische Theologie sein muss; und zwar eine politi-
sche Theologie die "ein Teilaspekt der Ekklesiologie und der Glaubensanalyse (ist) und (die) besteht in der
kritischen Orientierung des Handelns der Glaubenden in der Öffentlichkeit"
(392). Sehr persönlich verweist
Siebenrock dabei auch darauf, dass Raymund Schwager stets bereit war "andere groß sein zu lassen, andere
anzuerkennen. In diesem Stil konnte er die mimetische Rivalität im Theologiebetrieb unterbrechen"
(382).

Dass der Auftrag Zeichen der heilschaffenden Nähe Gottes unter den Völkern zu sein, nicht ein Privileg der
Kirche ist, sondern auch für Israel gilt, darauf macht Andreas VONACH in seinem Beitrag aufmerksam. Er
erläutert Israels Erwählung aus allen Völkern, die dauerhafte Präsenz Jahwes inmitten seines Volkes sowie
die Vision der Völkerwallfahrt zum Zion als Resultat der Zeichenhaftigkeit Israels. Im Hinblick auf die ent-
sprechende Beispielhaftigkeit für die Kirche verweist Vonach auf die notwendige innere Geschlossenheit Is-
raels, die in ähnlicher Weise auch Johannes Paul II. einforderte und welche "nur gemeinsam und durch Ei-
genmotivation aller Beteiligten möglich ist"
(413). Aus der Perspektive des Johannesevangeliums stellt Mar-
tin HASITSCHKA uns Jesus Christus vor als denjenigen, der selbst Zeichen des Heiles ist, Zeichen des Hei-
les tut und die Glaubenden einlädt, selbst zum Zeichen des Heiles zu werden, damit auch andere zum heil-
schaffenden Glauben motiviert werden. Gertraud LADNER vertritt die Auffassung, dass die Kirche für 
Frauen ein ambivalentes Zeichen gebe; sie sei sehr offen für die Mitwirkung von Frauen auf Gemeindeebe-
ne; (Leitungs-)Ämter freilich würden ihnen weiter vorenthalten. Inwieweit aber "eine Kirche der Zukunft,
in der Frauen, Männer, Kinder und die übrige Schöpfung ohne Hierarchien in gerechten Beziehungen"

(438) miteinander Kirche bilden, eine realistische Option ist, ist natürlich sehr sehr fraglich. Abschließend
stellt Werner W. ERNST in einem recht persönlich geprägten Artikel seine Diskussion über den Transzen-
denzbegriff mit Raymund Schwager dar. Transzendenz heißt für ihn: "Der Unterschied zwischen Urheber-
schaft und Weltentwicklung muss als so groß angesehen werden, dass der Zusammenhang, der freilich auch 
noch zwischen diesen beiden äußersten Polen existieren muss, von der Immanenz aus als winzig kleiner,
dünner Faden erscheint" (451).

Im Ganzen - so wird man sagen dürfen - ist das Buch eine würdige Gedächtnisgabe für Raymund Schwa-
ger, für die den Herausgebern sehr zu danken ist. An die aktuellen Gedanken Schwagers wird in nahezu
allen Beiträgen unmittelbar angeknüpft, sie werden weitergeführt und mit dem eigenen Denken in Ver-
bindung gebracht. Überdies fließen viele persönliche Reminiszenzen an den herausragenden theologi-
schen Lehrer ein. Wie soll man ihn besser würdigen?

Herbert Frohnhofen, 21. Juli 2006