T. ONUKI, Heil und Erlösung. Studien zum Neuen Testament und zur Gnosis
(Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 165) Tübingen 2004;

In drei Teilen versammelt dieser Band vierzehn Studien des japanischen Wissenschaftlers Takashi Onuki
zum Neuen Testament und zur Gnosis, die dieser im Rahmen eines dritten Forschungsaufenthaltes in
Deutschland im Jahr 2002 endgültig fertiggestellt hat.

"Der erste Teil plädiert zunächst für eine sozialgeschichtliche und soziologische Analyse der Evangelien
und versucht
dann... die Omnitemporalität des jesuanischen 'Jetzt' und dessen Nachgeschichte herauszu-
arbeiten"
(V). Hierbei beginnt der Autor mit einer Darlegung und Begründung der These, in Mt 12,43-
45/Lk 11,24-26 sei von der Tollwut die Rede. Danach zeichnet der Autor die Entfaltung der Heilungs-
wundergeschichten Jesu im Neuen Testament nach und kommt dabei zum Ergebnis, "dass die Wunder-
überlieferungen, auch nachdem sie von ihren ursprünglichen Trä
gern (Sozialgeschichten) losgelöst und
ins christliche Gemeindeleben aufgenommen, organisiert und funktionalisiert
worden waren, in verschie-
denen Gemeinden und unterschiedlichen 'Sitz im Leben' weiterhin einer Form- und Funk
tionsverände-
rung ausgesetzt waren"
(39). Onuki erläutert überdies das christliche Zeiterleben als omnitemporales
'Jetzt' sowie die Tatsache, "dass das Reich Gottes, dessen Festmahl bereits im Himmel bei Gott begon-
nen hat, auf
Schritt und Tritt bei Jesus auf die Erde eindrängt... nicht allein (aber) auf der Zeitachse von
der Zukunft in die Ge
genwart, sondern zugleich auf der Vertikalachse vom Himmel auf die Erde" (91).
Er diskutiert die Verwendung des Markus-Evangeliums in der zeitgenössischen koreanischen Minjung-
Theologie, legt eine literatursoziologische Analyse des Johannesevangeliums vor und erläutert die Chris-
tologie und Eschatologie in der lukanischen Theologie, welche in ähnlicher Weise später von Irenäus von
Lyon aufgegriffen wird.

"Der zweite Teil befasst sich mit der Gnosis zuerst im Hinblick auf ihre traditions- und geistesgeschichtli-
chen Be
ziehungen zu den johanneischen Schriften und zu den hellenistischen Schulphilosophien. Sodann
wird die gnosti
sche Sexualaskese mit dem Ziel der Vernichtung der Welt mit der der apokryphen Apostel-
akten und des frühen
Mönchtums verglichen" (V). Ausführlich diskutiert der Autor hier gnostische und
monastische sexualasketische Strömingen im und im Umfeld des frühen Christentums und stellt diesem die
'Keuschheit' zum 'bescheidenen Eheleben' in den Pastoralbriefen und den Apostolischen Vätern gegenüber.
Daran anschließend erläutert er die Rekapitulationstheorie des Irenäus in der Perspektive einer Vollendungs-
bzw. Heilsgeschichte für die Menschheit; im Zusammenhang damit beschränkt Irenäus "den Schöpfungsakt
Gottes nicht punktuell auf einen be
stimmten Zeitpunkt, sondern versteht darunter inklusiv die ganze Heils-
veranstaltung Gottes... von der Erschaf
fung Adams bis hin zu dessen endzeitlicher Vollendung" (354). Für
die Christologie ergibt sich daraus, dass der "Präexistente... bereits der Fleichgewordene, der Gestorbene
und der Auferstandene"
ist (363) und die Heilsgeschichte als ganze differenziert Irenäus in vier Epochen:
"die Zeit der alttestamentlichen Patriarchen
und Propheten, die Zeit des Inkarnierten, die Zeit der Apostel
und schließlich die Zeit der Kirche"
(367).

"Der dritte Teil stellt sich die Aufgabe, die problematischen Rollen, die Apokalyptik und Gnosis im derzei-
tigen
Japan und auch in anderen Industrieländern spielen, darzustellen und zu erklären" (V). Onuki plä-
diert hier dafür, "das Negative der apokalyptischen Eschatologie zu überwinden und das Positive zu über-
nehmen."
Hierbei müßten wir "von der Versuchung, die Zukunft im Voraus kalkulieren zu wollen, befreit
werden und unser Ver
antwortungsbewusstsein für das 'hic et nunc'... zurückgewinnen" (406). Abschlie-
ßend bespricht Onuki Dissoziierungs- und Integrationstheorien, wie sie in der spätantiken Gnosis und bei
C.G. Jung formuliert werden und stellt diesen die versöhnende Reich-Gottes-Lehre des Neuen Testamen-
tes, insbesondere des Paulus, gegenüber. Mit Verwunderung nimmt der Leser dabei zur Kenntnis, dass der
ebenso polemische wie nichtssagende Ausdruck des "Frühkatholizismus" (436ff) hier wieder fröhliche Ur-
ständ feiert. Im Ganzen finden sich zahlreiche sehr aktuelle und höchst interessante Untersuchungsaspekte
in diesem Band, die jedoch dem Leser etwas zusammenhanglos präsentiert werden.

Herbert Frohnhofen, 1. November 2005