Theologie-Systematisch
Theologische
Anthropologie
§
3. Die Geschöpflichkeit des Menschen
V.
Kulturelle Aspekte des Lebens
Texte-Arbeit
"Die Arbeit ist für
die Verwirklichung des Menschen und die Entwicklung
der Gesellschaft von vorrangiger Bedeutung. Aus diesem Grund ist es not-
wendig, dass sie immer in der vollen Achtung vor der menschlichen Würde
und im Dienst des Gemeinwohls organisiert und verrichtet wird. Gleichzei-
tig ist es unverzichtbar, dass der Mensch sich nicht von der Arbeit ver-
knechten lässt, dass er sie nicht vergötzt und so den Anspruch
erhebt, in
ihr den letzten und definitiven Sinn des Lebens zu finden."
"In der griechischen Welt
galt die körperliche Arbeit als Sache der Unfreien. Der Weise, der wirklich
Freie ist allein den geistigen Dingen hingegeben;
er überlässt die körperliche Arbeit als etwas Niedri-
ges den Menschen, die zu diesem höheren
Dasein in der Welt des Geistes nicht fähig sind. Ganz an-
ders die jüdische Tradition: Alle die großen
Rabbinen übten zugleich auch einen handwerklichen Be-
ruf aus. Paulus, der als Rabbi und dann als Verkünder
des Evangeliums an die Völkerwelt auch
Zeltmacher war und sich den Unterhalt
mit der eigenen Arbeit seiner Hände verdiente, ist hier keine
Ausnahme,
sondern steht in der gemeinsamen Tradition des Rabbinentums. Das Mönchtum
hat die-
se Überlieferung aufgenommen; der Hände
Arbeit gehört konstitutiv zum christlichen Mönchtum.
Benedikt spricht
in seiner Regula nicht eigens über die Schule, obwohl Unterricht und
Lernen prak-
tisch darin vorausgesetzt sind, wie wir sahen.
Aber er spricht ausdrücklich über die Arbeit (vgl. Kap.
48). Und genauso Augustinus, der der Mönchsarbeit
ein eigenes Buch gewidmet hat. Die Christen,
die damit in der vom Judentum vorgegebenen Tradition
fortfuhren, mussten sich dazu noch zusätz-
lich angesprochen sehen durch das Wort Jesu im
Johannes-Evangelium, mit dem er sein Wirken am
Sabbat verteidigte: 'Mein
Vater arbeitet bis jetzt und auch ich arbeite' (5,17). Die griechisch-römische
Welt kannte keinen Schöpfergott; die höchste Gottheit konnte sich
ihrer Vision nach nicht mit der Er-
schaffung der Materie gleichsam die Hände
schmutzig machen. Das 'Machen' der Welt war dem De-
miurgen, einer untergeordneten
Gottheit vorbehalten. Anders der christliche Gott: Er, der eine, der
wirkliche
und einzige Gott ist auch Schöpfer. Gott arbeitet; er arbeitet weiter
in und an der Geschich-
te der Menschen. In Christus tritt er als Person
in die mühselige Arbeit der Geschichte ein. 'Mein Va-
ter arbeitet bis jetzt und auch ich arbeite.'
Gott selbst ist der Weltschöpfer, und die Schöpfung ist nicht
zu Ende. Gott arbeitet. So musste nun das Arbeiten
der Menschen als besondere Weise der Gotteben-
bildlichkeit des Menschen
erscheinen, der sich damit am weltschöpferischen Handeln Gottes beteili-
gen kann und darf. Zum Mönchtum gehört
mit der Kultur des Wortes eine Kultur der Arbeit, ohne
die das Werden Europas, sein Ethos und seine
Weltgestaltung nicht zu denken sind. Zu diesem Ethos
müsste freilich
gehören, dass Arbeit und Geschichtsgestaltung des Menschen Mit-Arbeiten
mit dem
Schöpfer sein will und von diesem Mit her ihr Maß nimmt.
Wo dieses Maß fehlt und der Mensch sich
selber zum gottartigen Schöpfer
erhebt, kann Weltgestaltung schnell zur Weltzerstörung werden."