Als Doktordissertation beim Tübinger Patoraltheologen
Otmar Fuchs in den Jahren 1994 bis 1999 erarbeitet,
wird mit dieser Schrift ein umfassendes und theoretisch gut fundiertes
Werk zur Männerpastoral vorgelegt,
dasa für lange Zeit als Standardwerk auf diesem Gebiet gelten könnte.
Eine ausführliche
Einleitung informiert zunächst sowohl
über persönliche Zugänge des Autors und methodologische
Fragen als auch und vor allem über das dringende Desiderat einer
theologischen
Männerforschung. Dabei wird theo-
logische Männerforschung als
"patriarchatskritische Befreiungstheologie"
verstanden, die - vor allem im Anschluss an
Gotthard Fuchs - folgende Schwerpunkte haben soll: (1) die historische
Rückfrage nach Männerbildern und Männlich-
keitsidealen in der Christentumsgeschichte, (2) die Thematisierung der
Männerfrage als (Ohn-)Machtsfrage, (3) die
Erarbeitung des Umgangs mit (latenter und manifester) Homophilie und Homosexualität
in männerbündlerischen Kon-
texten der Kirche, (4) das Betreiben von Theologie aus männlicher
Perspektive, im Bewußtsein sein dessen, dass dies
nicht identisch ist mit der Erarbeitung einer Theologie aus allgemein menschlicher
Perspektive sowie (5) die Ausbil-
dung eines entsprechenden Schwerpunktes in der Pastoraltheologie (33f).
Das
zweite Kapitel erarbeitet eine ausgesprochen differenzierte
"theoretische und empirische Annäherung" an das Le-
ben und die Probleme von Männern in der
"Kultur der dichotomen
Zweigeschlechtlichkeit". In diesem mehr als 160
Druckseiten umfassenden Kapitel werden vielfältige, insbesondere in
der Soziologie erarbeitete Fakten und Deutun-
gen zum Leben von Männern in der aktuellen, vor allem deutschen, Gesellschaft
zusammengetragen. Die soziale Kon-
struktion der Geschlechterverhältnisse spielt hier ebenso eine große
Rolle wie die sich hieraus ergebenden Existenz-
probleme von Männern, die Bedeutung allzu häufiger Abwesenheit
der Väter für die männliche Persönlichkeitsent-
wicklung ebenso wie sozialisationsbedingte Problemlagen männlicher
Existenz, das Verhältnis von Männern zur Ge-
walt ebenso wie die Folgen
"erzwungener Emanzipation" für Männer.
Auffällig ist allein, dass auf die biologisch vor-
gegegbenen Konstitutiva des Mannseins praktisch überhaupt nicht eingegangen
wird. So entsteht - wahrscheinlich un-
beabsichtigt - der Eindruck, als wolle der Autor das faktische Handeln
der Männer in der gegenwärtigen Gesellschaft
allein auf soziale Konstrukte zurückführen bzw. zurückgeführt
sehen.
Das
dritte und umfassendste
Kapitel widmet sich sodann
"grundlegenden
Kriterien und Handlungsansätzen einer be-
freienden Männerpastoral". Im Ausgang von einem Verständnis
der Pastoral, das sich der Reich-Gottes-Botschaft Je-
su Christi grundlegend verpflichtet weiß, beschreibt der Autor zahlreiche
Anlässe und Lebenssituationen von Män-
nern, in denen Gottes Gnade durch die Pastoral erfahrbar werden kann. Dies
betrifft sowohl die strukturell sündhafte
Situation von Patriarchat und Sexismus als auch entsprechende Aufbrüche
und Veränderungen durch die heilende
Gnade Gottes. Weitere wichtige Stichworte und Erfahrungsbereiche sind:
neue männliche Leitbilder,
"erfülltes Le-
ben" für Männer, Gnade in Krisenerfahrungen, Feindesliebe
usw. Es werden Vorschläge für eine nach Männertypen
(traditionell, profeministisch, maskulinistisch, mythopoetisch usw.) differenzierende
Pastoral erarbeitet und schließ-
lich gegenwärtige Ansätze von Männerpastoral breit dargestellt
und kritisch betrachtet.
Herbert Frohnhofen, 20. März 2005