Theologie-Systematisch
Theologische Anthropologie
§ 1. Der Mensch sucht und braucht Sinn
Texte-allgemein

"Gerade wo Menschen im Versuch der Leidvermeidung sich allem zu entziehen suchen, was Leid bedeu-
ten könnte, sich die Mühsal und den Schmerz der Wahrheit, der Liebe, des
Guten ersparen wollen, treiben
sie in ein leeres Leben hinein, in dem es vielleicht kaum Schmerz, um so
mehr aber das dumpfe Gefühl
der Sinnlosigkeit und der Verlorenheit gibt. Nicht die Vermeidung des Lei
dens, nicht die Flucht vor dem
Leiden heilt den Menschen, sondern die Fähigkeit, das Leiden anzuneh
men und in ihm zu reifen, in ihm
Sinn zu finden durch die Vereinigung mit Christus, der mit unendli
cher Liebe gelitten hat."

(P. Benedikt XVI., Enzyklika "Spe salvi" 37)

"...wir können – um in der klassischen Terminologie zu sprechen – den Himmel nicht durch unsere Wer-
ke
'verdienen'. Er ist immer mehr, als was wir verdienen, sowie das Geliebtwerden nie 'Verdienst', sondern
im
mer Geschenk ist. Aber bei allem Wissen um diesen 'Mehrwert' des Himmels bleibt doch auch wahr,
daß un
ser Tun nicht gleichgültig ist vor Gott und daher nicht gleichgültig für den Gang der Geschichte.
Wir kön
nen uns und die Welt öffnen für das Hereintreten Gottes: der Wahrheit, der Liebe, des Guten.
Das ist es, was
die Heiligen taten, die als 'Mitarbeiter Gottes' zum Heil der Welt beigetragen haben (vgl. 1
Kor 3, 9; 1 Thess
3, 2). Wir können unser Leben und die Welt von den Vergiftungen und Verschmutzun-
gen freimachen, die
Gegenwart und Zukunft zerstören könnten. Wir können die Quellen der Schöpfung
freilegen und reinhalten
und so mit der Schöpfung, die uns als Gabe vorausgeht, ihrem inneren An-
spruch und ihrem Ziel gemäß das
Rechte tun. Dies behält Sinn, auch wenn wir äußerlich erfolglos blei-
ben oder ohnmächtig zu sein scheinen
gegenüber dem Übergewicht der entgegengesetzten Mächte. So
kommt einerseits aus unserem Tun Hoffnung
für uns und für die anderen; zugleich aber ist es die große
Hoffnung auf die Verheißungen Gottes, die uns
Mut und Richtung des Handelns gibt in guten wie in bö-
sen Stunden."


(P. Benedikt XVI., Enzyklika "Spe salvi" 35)
"der Mensch lebt nicht vom Brot der Machbarkeit allein, er lebt als MENSCH und gerade in dem Eigent-
li
chen seines Menschseins vom Wort, von der Liebe, vom Sinn. Der Sinn ist das Brot, wovon der Mensch
im
Eigentlichen seines Menschseins besteht. Ohne das Wort, ohne den Sinn, ohne die Liebe kommt er in
die
Situation des Nicht-mehr-leben-Könnens, selbst wenn irdischer Komfort im Überfluß vorhanden ist...
Sinn,
der selbst gemacht ist, ist im letzten kein Sinn. Sinn, das heißt der Boden, worauf unsere Existenz
als ganze
stehen und leben kann, kan nicht gemacht, sondern nur empfangen werden"

(J. RATZINGER, Einführung in das Christentum, München 3. Aufl. 1977, 39f)

"Wenn es Gott nicht gibt und er nicht der Schöpfer auch meines Lebens ist,
dann ist
das Leben in Wirklichkeit einfach nur ein Stück Evolution, weiter
nichts, und es hat in
sich selbst keinen Sinn. Ich muß jedoch versuchen, die-
sem Stück Sein einen Sinn zu
geben."


(P. Benedikt XVI., Begegnung mit dem Klerus der Diözesen Belluno-Feltre und Tre-
viso in Auronzo die Cadore am 24. Juli 2007, in: L'Osservatore Romano 34/2007, 8)

"Ich begriff, dass ich, wenn ich das Leben und seinen Sinn begreifen will,
nicht das Leben eines Parasiten leben müsste, sondern das wahre Leben,
und dass ich, nachdem ich den Sinn, den ihm die wahre Menschheit gibt,
erkannt hatte, mit diesem Leben eins werden und es prüfen müsse
"


(Leo N. TOLSTOI, Meine Beichte, hIer zitiert aus:
Chr. Fehige u.a. (Hgg.), Der Sinn des Lebens, München 2000, 63)