Thomas Pröpper, Theologische Anthropologie. 2 Bände, Freiburg/Bg. 2011;

Dieses voluminöse Werk von insgesamt über 1500 Seiten in zwei Teilbänden stammt im Wesentlichen aus
der Feder des emeritierten Professors für Dogmatik und theologische Hermeneutik an der Katholisch-Theo-
logischen Fakultät der Universität Münster. Ganz auf der Linie seiner früheren Arbeiten deutet der Autor
den Menschen vor allem als den in Freiheit sein Leben vollziehenden, der wesentlich auf seinen Schöpfer-
gott verwiesen ist und dessen Beziehung zu diesem Gott grundlegend durch Sünde und Gnade geprägt ist.

Die beiden EINLEITENDEN Kapitel exponieren einerseits den Menschen als den unausweichlich und er-
gebnisoffen nach sich selbst fragenden; vor allem die neuzeitlich entwickelten Antworten hierauf werden
vorgestellt und teilweise wird auf deren Aporien verwiesen; andererseits wird der christliche Glaube resp.
die diesen deutente Theologie sowie insbesondere die darin noch einmal verortete theologische Anthropo-
logie auf eine anfängliche Weise als Antwort auf diese Frage vorgestellt. Insbesondere durch das Leben und
Handeln Jesu Christi (des Gott entsprechenden Menschen) werde der Mensch mit der allem anderen voraus-
gehenden Liebe Gottes so konfrontiert, dass ihm sein eigenes Wesen grundlegend und endgültig geoffenbart
werde und zwar als (1) von Gott bedingungslos bejaht und geliebt, (2) demgegenüber sich als Sünder erfah-
rend sowie (3) erschaffen und endgültig bestimmt zur Gemeinschaft mit Gott. Hiermit ist auch die Einteilung
des nunmehr beginnenden Hauptstücks des Werkes bereits vorgegeben.

Der ERSTE TEIL des Buches beschreibt sodann die >Bestimmung des Menschen zur Gemeinschaft mit
Gott< und darin zunächst die bedeutsame Rede von seiner Gottebenbildlichkeit. Diese wird im Kern be-
stimmt als "die geschöpfliche Auszeichnung des Menschen..., als Gottes freies, ansprechbares und antwort-
fähiges Gegenüber sein möglicher Partner zu sein" (195) Vor dem Hintergrund, dass Jesus Christus als
das vollkommene Ebenbild Gottes bezeichnet und geglaubt wird, ist die ausführlich dargestellte und gerade
auch kontroverstheologisch verwickelte Geschichte des Umgangs mit dem Begriff der Gottebenbildlichkeit
eine Darstellung vielfältiger Varianten darüber, inwieweit die geschöpflich gegebene Gottebenbildlichkeit
des Menschen durch die Sünde verdunkelt oder gar ganz verloren ist. Das anschließende Kapitel über >Na-
tur und Gnade< beschreibt kritisch vor allem das frühere Zwei-Stock-Denken, einschließlich des rahner'
schen Vermittlungsversuchs mittels eines "übernatürlichen Existentials" und plädiert selbst dafür, "es mit
einem Denken zu versuchen, das sich von vornherein an den evidenten Vollzügen der Freiheit und Liebe
ausrichtet, ihre spezifische Eigenart und innere Logik zu begreifen sucht und sie theologisch zur Geltung
bringt" (305).

Ein sehr ausführliches fünftes Kapitel geht den historisch sogenannten Gottesbeweisen nach und verortet die
eigene Position als eine solche, nach der "der Vernunft selber die Fähigkeit eignet, die Idee Gottes von sich
aus zu bilden" (395), indem sie "sich auf die Kontingenz ihres eigenen und alles ihr gegebenen... Daseins
besinnt und deshalb die Frage absoluter Begründung aufwirft" (397). Oder anders: "Gott sei das, ..., was
die Vernunft sich voraussetzen muß, wenn sie selbst in der Zufälligkeit ihres Daseins und überhaupt alles
endliche Dasein letztlich nicht grundlos und nicht definitiv sinnlos sein soll" (399). Oder noch einmal anders:
"Es ist das Sinnbedürfnis der Freiheit, das nach absoluter Begründung verlangt und die Bodenlosigkeit des
Daseins nicht hinnehmen will" (399). Ob dabei das Dasein des Menschen als endlicher Freiheit zu Recht als
herausragendes Merkmal zur Gottfähigkeit des Menschen betrachtet wird oder letztere nicht eher als eine Per-
spektive des Menschen überhaupt zu betrachten ist, wäre freilich noch näher zu diskutieren. Ein sechstes
Kapitel ist dem >Relevanzausweis für die Grundwahrheit christlicher Theologie< gewidmet und dieser wird
darin gefunden, dass "die Konstitution der menschlichen Freiheit in ihrer formalen Unbedingtheit und mate-
rialen Bedingtheit ins Auge gefaßt und das Problem ihrer sinngerechten Verwirklichung durchdacht  wird"
(637). Die " Idee Gottes wird (dabei als) ... die Wirklichkeit gedacht, die sich Menschen voraussetzen müs-
sen, wenn das unbedingte Seinsollen, das sie im Entschluß ihrer Freiheit für sich selbst und für andere inten-
dieren, als möglich gedacht werden soll" (646).

Der ZWEITE TEIL des Buches, der sogleich den zweiten Teilband ausmacht, beschreibt die >Existenz des
Menschen in Sünde und Gnade<. Hierbei nimmt das siebte Kapitel einige Klärungen vorweg, unter denen
jene These herausragt, dass die "Bedeutung der Gnade für den Menschen... nicht primär oder gar aus-
schließlich durch den Bezug auf das Faktum der Sünde, sondern im Rückgang auf die menschliche Grund-
verfassung zu vermitteln (sei), durch die Aufmerksamkeit also für die Bedürftigkeit, die Hoffnungen und Nö-
te, die schon im Wesen des Menschen begründet sind - begründet letztlich... in der antinomischen Konstitu-
tion menschlicher Freiheit, sofern sie bedingt und unbedingt zugleich ist: unbedingt in ihrem Ausgriff nach
Erfüllung und Sinn, aber begrenzt durch ihre Ohnmacht, über ihn zu verfügen" (678f). Das achte Kapitel
bestimmt die Begriff Sünde und Schuld sowie ihr Verhältnis zueinander. Die Sünde wird dabei resümierend
erläutert als "die Bestimmung und die Deutung ethischer Schuld von den Möglichkeiten Gottes her, sofern
wir im Glauben Anteil an ihnen gewinnen können" (720). Und die entscheidende Frage für das Verhältnis
des Menschen zu Gott (nicht nur in der Ethik) lautet, "ob der Mensch einsehen kann, daß er gerade darin
sich selber entspricht, daß er von Gott sich beanspruchen läßt. Nur dann wäre seine autonome Würde als
Subjekt der Moralität gewahrt, nur dann die geschuldete Anerkennung wahrhaft frei" (731).

Herbert Frohnhofen, 1. April 2013