W. BEINERT, Die theologische Anthropologie in ökume-
nischer Perspektive,
in: Catholica 50 (1996) 331-353;

Im hier veröffentlichten Vortrag, der anläßlich einer Tagung des Wissenschaftlichen Beirates des
Johann-Adam-Möhler-Institutes im März 1996 in Paderborn gehalten wurde, geht der Regensbur-
ger Dogmatiker Wolfgang Beinert von der These Möhlers aus, in der Anthropologie liege die
>Grunddifferenz< der abendländischen Kirchenspaltung. Beinert erläutert dazu, daß

(1)    die These Möhlers wenig Anklang gefunden hat, Gerhard Ebeling z.B. geradezu die Gegen-
        these aufgestellt hat, die Wurzel der Kirchenspaltung liege im Gottesverständnis (332),

(2)    auch die Tatsache, daß die Theologische Anthropologie erst im Laufe des 20. Jahrhunderts
        allmählich in beiden Konfessionen den Status eines theologischen Traktates bekommen hat,
        Möhlers These widerspreche (332),

(3)    die konfessionellen Theologischen Anthropologien in ausdrücklicher Weise Dialoggegen-
        stand werden sollten (333).


Nach einigen Ausführungen über die Geschichte der (Theologischen) Anthropologie und ihren
Stellenwert im Gesamt der Theologie benennt der Autor drei zentrale Themenbereiche jed-
weder theologischen Anthropologie:

(1)    Der Mensch als Mann und Frau ist von Gott nach seinem Ebenbild geschaffen.

(2)    Der Mensch wird in eine Welt hineingeboren, die durch menschliche Schuld gestaltet wird;
         und er wird sehr bald selbst schuldig.

(3)    Gott beläßt den Menschen nicht in der Situation der Schuld, sondern befreit ihn, indem sein
        Logos Mensch wird und als Mensch das vollendete und vollkommene Bild Gottes ist (340).


Konfessionelle Unterschiede in der Theologischen Anthropologie sieht Beinert vor allem in der
Zugangsweise und Gewichtung dieser grundsätzlichen Inhalte.Während >altkirchlich-katholische<
Perspektive als eine >Anthropologie von oben< eher von der bleibend konstitutiven Zuwendung
Gottes zum Menschen ausgeht, welche beeinträchtigt aber nicht zerstört werden kann, geht die refor-
matorische Reflexion als >Anthropologie von unten< zuerst vom vorfindlichen, also sündigen und
schuldigen, sich vor Gott verfehlenden Menschen aus. Während katholisches Denken mehr >summa-
tiv-essentiell< sei, sei das reformatorische Denken eher >punktuell-existentiell< angelegt (341). Die-
ses wird anschließend exemplifiziert und weiter ausgeführt.

Den gesamten Beitrag resümierend trifft Beinert folgende Feststellungen :

(1)    Es gibt eine gemein-abendländische Theologische Anthropologie quer durch die großen Kon-
        fessionen (347).

(2)    Die Frage nach dem Menschen, die in der Neuzeit zur beherrschenden Frage der Menschheit
        geworden ist, ist eine der wichtigsten Anfragen an die christliche systematische Theologie, der
        sie sich um ihres eigenen Überlebens willen und ob ihrer Glaubwürdigkeit stellen muß (347f).

(3)    Die Theologische Anthropologie bedarf heute der regionalen Anthropologien als Hilfsdiszipli-
        nen (348).

(4)    Die bestehenden Differenzen in der Theologischen Anthropologie sind im allgemeinen nicht kon-
        fessionsspezifisch. Katholisches und reformatorisches differiert im Ausgangspunkt (>von oben<
        bzw. >von unten<) sowie dementsprechend in der jeweiligen Zuordnung des Traktats Theologi-
        sche Anthropologie in der Architektonik der gesamten Theologie (349).

(5)    Eine Intensivierung der Erforschung der Theologischen Anthroplogie, auch in ihrer Geschichte,
        wird dem ökumenischen Dialog insgesamt wichtige Impulse geben (350).